Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. A. Im allgem. 1. Begriff, Structur. Die erste Aufgabe bei der Unter- Die Angabe dessen, was der Körper ist, ist gleichbedeutend L. 24 Dep. (16. 3), die Frucht L. 69 de usufr. (7. 1); auch wohl causa L. 24 §. 21 de fid. lib. (40. 5). Er hat eine bestimmte Macht und Kraft: potestas z. B. die Klage L. 47 §. 1 de neg. gest. (3. 5), L. 11 §. 1 de act. emt. (19. 1), die Obligation L. 13 de duob. reis (45. 2), oder ef- fectus L. 47 §. 1 cit., einen status L. 9 §. 1 de duob. reis (45. 2). Diese Natur und Kraft ist ein praktischer Begriff, es werden daraus z. B. in den obigen Stellen folgende Folgerungen abgeleitet: daß die Servitut nicht besessen, gewisse Obligationen nicht getheilt werden können, daß gewisse Ver- abredungen als gegen das Wesen des Vertrags (des Depositums, der Correal- obligation) verstoßend ungültig sind, daß das Eigenthum erlischt u. s. w. 508) Also z. B. ist die s. g. Genossenschaft ein eigenthümlicher juristischer
Begriff oder eine (wenn auch modificirte) Societät oder juristische Person? Als Beispiel aus dem römischen Recht diene die Zurückführung der traditio brevi manu, des constitutum possessorium, des Erwerbs der Früchte von Seiten des Pächters, des jactus missilium auf die Tradition. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem. 1. Begriff, Structur. Die erſte Aufgabe bei der Unter- Die Angabe deſſen, was der Körper iſt, iſt gleichbedeutend L. 24 Dep. (16. 3), die Frucht L. 69 de usufr. (7. 1); auch wohl causa L. 24 §. 21 de fid. lib. (40. 5). Er hat eine beſtimmte Macht und Kraft: potestas z. B. die Klage L. 47 §. 1 de neg. gest. (3. 5), L. 11 §. 1 de act. emt. (19. 1), die Obligation L. 13 de duob. reis (45. 2), oder ef- fectus L. 47 §. 1 cit., einen status L. 9 §. 1 de duob. reis (45. 2). Dieſe Natur und Kraft iſt ein praktiſcher Begriff, es werden daraus z. B. in den obigen Stellen folgende Folgerungen abgeleitet: daß die Servitut nicht beſeſſen, gewiſſe Obligationen nicht getheilt werden können, daß gewiſſe Ver- abredungen als gegen das Weſen des Vertrags (des Depoſitums, der Correal- obligation) verſtoßend ungültig ſind, daß das Eigenthum erliſcht u. ſ. w. 508) Alſo z. B. iſt die ſ. g. Genoſſenſchaft ein eigenthümlicher juriſtiſcher
Begriff oder eine (wenn auch modificirte) Societät oder juriſtiſche Perſon? Als Beiſpiel aus dem römiſchen Recht diene die Zurückführung der traditio brevi manu, des constitutum possessorium, des Erwerbs der Früchte von Seiten des Pächters, des jactus missilium auf die Tradition. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <pb facs="#f0096" n="390"/> <fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Im allgem.</fw><lb/> <p>1. <hi rendition="#g">Begriff, Structur</hi>. Die erſte Aufgabe bei der Unter-<lb/> ſuchung des juriſtiſchen Körpers beſteht in der Frage: was <hi rendition="#g">iſt</hi><lb/> er, iſt er ein ſelbſtändiger Körper oder läßt er ſich auf einen<lb/> andern zurückführen?<note place="foot" n="508)">Alſo z. B. iſt die ſ. g. Genoſſenſchaft ein eigenthümlicher juriſtiſcher<lb/> Begriff oder eine (wenn auch modificirte) Societät oder juriſtiſche Perſon?<lb/> Als Beiſpiel aus dem römiſchen Recht diene die Zurückführung der <hi rendition="#aq">traditio<lb/> brevi manu,</hi> des <hi rendition="#aq">constitutum possessorium,</hi> des Erwerbs der Früchte von<lb/> Seiten des Pächters, des <hi rendition="#aq">jactus missilium</hi> auf die Tradition.</note> Es wiederholt ſich hier für uns das<lb/> Geſetz der juriſtiſchen Analyſe, keinen Körper als ſelbſtändig<lb/> anzuerkennen, der ſich aus einem oder mehren andern herſtellen<lb/> läßt, oder richtiger, es wiederholt ſich hier die Analyſe ſelbſt<lb/> und zwar in einer Anwendung oder auf einer Stufe, auf der ſie<lb/> uns eigentlich erſt in ihrer wahren Bedeutung klar werden kann.<lb/> Die ganze Ausführung über die Analyſe hatte im Grunde die<lb/> naturhiſtoriſche Methode zur ſtillſchweigenden Vorausſetzung,<lb/> und es geſchah nur aus Rückſichten der Darſtellung, daß ich die<lb/> Erörterung der letzteren bis jetzt verſchob.</p><lb/> <p>Die Angabe deſſen, was der Körper <hi rendition="#g">iſt</hi>, iſt gleichbedeutend<lb/> mit dem <hi rendition="#g">Begriff</hi> deſſelben, der Begriff „begreift“ d. h. ergreift<lb/> ihn in ſeiner Weſenheit, er „definirt“ ihn d. h. gränzt ihn von<lb/> andern ab, gibt ihm ein logiſches „Für ſich ſein.“ Der Begriff<lb/> enthält alſo die logiſche Quinteſſenz des Körpers, ſeinen inner-<lb/> ſten Kern oder Individualitätspunkt, in ihm muß die ganze<lb/> Kraft des Körpers beſchloſſen liegen, alles und jedes, was an<lb/><note xml:id="seg2pn_9_2" prev="#seg2pn_9_1" place="foot" n="507)"><hi rendition="#aq">L. 24 Dep. (16. 3),</hi> die Frucht <hi rendition="#aq">L. 69 de usufr. (7. 1);</hi> auch wohl <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">causa</hi><lb/> L. 24 §. 21 de fid. lib. (40. 5)</hi>. Er hat eine beſtimmte Macht und Kraft:<lb/><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">potestas</hi></hi> z. B. die Klage <hi rendition="#aq">L. 47 §. 1 de neg. gest. (3. 5), L. 11 §. 1 de<lb/> act. emt. (19. 1),</hi> die Obligation <hi rendition="#aq">L. 13 de duob. reis (45. 2),</hi> oder <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ef-<lb/> fectus</hi> L. 47 §. 1 cit.,</hi> einen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">status</hi> L. 9 §. 1 de duob. reis (45. 2)</hi>.<lb/> Dieſe Natur und Kraft iſt ein <hi rendition="#g">praktiſcher</hi> Begriff, es werden daraus z. B.<lb/> in den obigen Stellen folgende Folgerungen abgeleitet: daß die Servitut nicht<lb/> beſeſſen, gewiſſe Obligationen nicht getheilt werden können, daß gewiſſe Ver-<lb/> abredungen als gegen das Weſen des Vertrags (des Depoſitums, der Correal-<lb/> obligation) verſtoßend ungültig ſind, daß das Eigenthum erliſcht u. ſ. w.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [390/0096]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. A. Im allgem.
1. Begriff, Structur. Die erſte Aufgabe bei der Unter-
ſuchung des juriſtiſchen Körpers beſteht in der Frage: was iſt
er, iſt er ein ſelbſtändiger Körper oder läßt er ſich auf einen
andern zurückführen? 508) Es wiederholt ſich hier für uns das
Geſetz der juriſtiſchen Analyſe, keinen Körper als ſelbſtändig
anzuerkennen, der ſich aus einem oder mehren andern herſtellen
läßt, oder richtiger, es wiederholt ſich hier die Analyſe ſelbſt
und zwar in einer Anwendung oder auf einer Stufe, auf der ſie
uns eigentlich erſt in ihrer wahren Bedeutung klar werden kann.
Die ganze Ausführung über die Analyſe hatte im Grunde die
naturhiſtoriſche Methode zur ſtillſchweigenden Vorausſetzung,
und es geſchah nur aus Rückſichten der Darſtellung, daß ich die
Erörterung der letzteren bis jetzt verſchob.
Die Angabe deſſen, was der Körper iſt, iſt gleichbedeutend
mit dem Begriff deſſelben, der Begriff „begreift“ d. h. ergreift
ihn in ſeiner Weſenheit, er „definirt“ ihn d. h. gränzt ihn von
andern ab, gibt ihm ein logiſches „Für ſich ſein.“ Der Begriff
enthält alſo die logiſche Quinteſſenz des Körpers, ſeinen inner-
ſten Kern oder Individualitätspunkt, in ihm muß die ganze
Kraft des Körpers beſchloſſen liegen, alles und jedes, was an
507)
508) Alſo z. B. iſt die ſ. g. Genoſſenſchaft ein eigenthümlicher juriſtiſcher
Begriff oder eine (wenn auch modificirte) Societät oder juriſtiſche Perſon?
Als Beiſpiel aus dem römiſchen Recht diene die Zurückführung der traditio
brevi manu, des constitutum possessorium, des Erwerbs der Früchte von
Seiten des Pächters, des jactus missilium auf die Tradition.
507) L. 24 Dep. (16. 3), die Frucht L. 69 de usufr. (7. 1); auch wohl causa
L. 24 §. 21 de fid. lib. (40. 5). Er hat eine beſtimmte Macht und Kraft:
potestas z. B. die Klage L. 47 §. 1 de neg. gest. (3. 5), L. 11 §. 1 de
act. emt. (19. 1), die Obligation L. 13 de duob. reis (45. 2), oder ef-
fectus L. 47 §. 1 cit., einen status L. 9 §. 1 de duob. reis (45. 2).
Dieſe Natur und Kraft iſt ein praktiſcher Begriff, es werden daraus z. B.
in den obigen Stellen folgende Folgerungen abgeleitet: daß die Servitut nicht
beſeſſen, gewiſſe Obligationen nicht getheilt werden können, daß gewiſſe Ver-
abredungen als gegen das Weſen des Vertrags (des Depoſitums, der Correal-
obligation) verſtoßend ungültig ſind, daß das Eigenthum erliſcht u. ſ. w.
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