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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
von Gajus (s. das Motto dieses §) die eigentliche exceptio für
das ältere Verfahren ausschließt, die einer "proceßhindernden
Sponsion" gedacht. Es wäre, meint man, über die Frage, ob
eine Uebertretung des Gesetzes vorliege, eine Präjudicialsponsion
(B. 2 S. 85) abgeschlossen, sodann darüber ein Richter bestellt
und im Fall der Bejahung der Frage die Klage gegen den Min-
derjährigen versagt worden. Wenn ich diese Ansicht einer ge-
nauern Prüfung unterziehe, so geschieht es weniger dieses ein-
zelnen Falles wegen, als weil man die Behauptung aufgestellt
hat, daß der ältere Proceß sich überhaupt dieses Mittels bedient
habe, um das Exceptionsbedürfniß zu befriedigen.

Meiner Ansicht nach ist diese ganze Idee völlig unhaltbar.
Als einziger Anhaltspunkt muß ihr eine Stelle von Plautus 161)
dienen, in der ein Minderjähriger an die Erfüllung einer eid-
lichen
Zusage 162) gemahnt, sich mit dem Zusatz, daß "er nicht be-
trogen oder minderjährig sei", einen Richter gefallen lassen will.
Aus dieser Beschränkung, die im Sinne des Processes eine
exceptio zu nennen sein würde, macht nun jene Ansicht den
Inhalt einer sponsio, ohne daran Anstoß zu nehmen, daß letztere
unter dieser Voraussetzung nicht wie eine exceptio mit ni oder
nisi, sondern mit si hätte gefaßt werden müssen, 163) und daß die
Cumulation zweier Fragen (dolus und Minderjährigkeit) in
einer sponsio den Richter in die Unmöglichkeit versetzt haben
würde, die eine zu bejahen und die andere zu verneinen. An-
genommen aber ein Prätor wäre auf die Idee verfallen, eine
Frage, die erst zur Sprache kommen konnte, wenn der Anspruch
des Klägers sich als ergründet erwies, der Verhandlung des

161) Plautus Rudens V. 3, 24, 25: cedo quicum habeam judicem
"ni dolo malo instipulatus sis nive etiam dum siem quinque et viginti
natus annos"
.
162) Von v. 16 an ist fast in jedem Verse von dem Eide die Rede, und
v. 21 wird der Pontifex als der erwähnt, welcher über die Gültigkeit des
Eides zu entscheiden habe.
163) Beispiele bei Gajus IV. 93, 165.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
von Gajus (ſ. das Motto dieſes §) die eigentliche exceptio für
das ältere Verfahren ausſchließt, die einer „proceßhindernden
Sponſion“ gedacht. Es wäre, meint man, über die Frage, ob
eine Uebertretung des Geſetzes vorliege, eine Präjudicialſponſion
(B. 2 S. 85) abgeſchloſſen, ſodann darüber ein Richter beſtellt
und im Fall der Bejahung der Frage die Klage gegen den Min-
derjährigen verſagt worden. Wenn ich dieſe Anſicht einer ge-
nauern Prüfung unterziehe, ſo geſchieht es weniger dieſes ein-
zelnen Falles wegen, als weil man die Behauptung aufgeſtellt
hat, daß der ältere Proceß ſich überhaupt dieſes Mittels bedient
habe, um das Exceptionsbedürfniß zu befriedigen.

Meiner Anſicht nach iſt dieſe ganze Idee völlig unhaltbar.
Als einziger Anhaltspunkt muß ihr eine Stelle von Plautus 161)
dienen, in der ein Minderjähriger an die Erfüllung einer eid-
lichen
Zuſage 162) gemahnt, ſich mit dem Zuſatz, daß „er nicht be-
trogen oder minderjährig ſei“, einen Richter gefallen laſſen will.
Aus dieſer Beſchränkung, die im Sinne des Proceſſes eine
exceptio zu nennen ſein würde, macht nun jene Anſicht den
Inhalt einer sponsio, ohne daran Anſtoß zu nehmen, daß letztere
unter dieſer Vorausſetzung nicht wie eine exceptio mit ni oder
nisi, ſondern mit si hätte gefaßt werden müſſen, 163) und daß die
Cumulation zweier Fragen (dolus und Minderjährigkeit) in
einer sponsio den Richter in die Unmöglichkeit verſetzt haben
würde, die eine zu bejahen und die andere zu verneinen. An-
genommen aber ein Prätor wäre auf die Idee verfallen, eine
Frage, die erſt zur Sprache kommen konnte, wenn der Anſpruch
des Klägers ſich als ergründet erwies, der Verhandlung des

161) Plautus Rudens V. 3, 24, 25: cedo quicum habeam judicem
„ni dolo malo instipulatus sis nive etiam dum siem quinque et viginti
natus annos“
.
162) Von v. 16 an iſt faſt in jedem Verſe von dem Eide die Rede, und
v. 21 wird der Pontifex als der erwähnt, welcher über die Gültigkeit des
Eides zu entſcheiden habe.
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[116/0132] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. von Gajus (ſ. das Motto dieſes §) die eigentliche exceptio für das ältere Verfahren ausſchließt, die einer „proceßhindernden Sponſion“ gedacht. Es wäre, meint man, über die Frage, ob eine Uebertretung des Geſetzes vorliege, eine Präjudicialſponſion (B. 2 S. 85) abgeſchloſſen, ſodann darüber ein Richter beſtellt und im Fall der Bejahung der Frage die Klage gegen den Min- derjährigen verſagt worden. Wenn ich dieſe Anſicht einer ge- nauern Prüfung unterziehe, ſo geſchieht es weniger dieſes ein- zelnen Falles wegen, als weil man die Behauptung aufgeſtellt hat, daß der ältere Proceß ſich überhaupt dieſes Mittels bedient habe, um das Exceptionsbedürfniß zu befriedigen. Meiner Anſicht nach iſt dieſe ganze Idee völlig unhaltbar. Als einziger Anhaltspunkt muß ihr eine Stelle von Plautus 161) dienen, in der ein Minderjähriger an die Erfüllung einer eid- lichen Zuſage 162) gemahnt, ſich mit dem Zuſatz, daß „er nicht be- trogen oder minderjährig ſei“, einen Richter gefallen laſſen will. Aus dieſer Beſchränkung, die im Sinne des Proceſſes eine exceptio zu nennen ſein würde, macht nun jene Anſicht den Inhalt einer sponsio, ohne daran Anſtoß zu nehmen, daß letztere unter dieſer Vorausſetzung nicht wie eine exceptio mit ni oder nisi, ſondern mit si hätte gefaßt werden müſſen, 163) und daß die Cumulation zweier Fragen (dolus und Minderjährigkeit) in einer sponsio den Richter in die Unmöglichkeit verſetzt haben würde, die eine zu bejahen und die andere zu verneinen. An- genommen aber ein Prätor wäre auf die Idee verfallen, eine Frage, die erſt zur Sprache kommen konnte, wenn der Anſpruch des Klägers ſich als ergründet erwies, der Verhandlung des 161) Plautus Rudens V. 3, 24, 25: cedo quicum habeam judicem „ni dolo malo instipulatus sis nive etiam dum siem quinque et viginti natus annos“. 162) Von v. 16 an iſt faſt in jedem Verſe von dem Eide die Rede, und v. 21 wird der Pontifex als der erwähnt, welcher über die Gültigkeit des Eides zu entſcheiden habe. 163) Beiſpiele bei Gajus IV. 93, 165.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/132>, abgerufen am 23.11.2024.