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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
nerlich geschieden sind, so auch im Rechts geschäft äußerlich aus-
einanderhielt, d. h. daß es für jedes derselben einen besondern
Akt erforderte, für das jus in re nämlich den dinglichen der in
jure cessio,
für das Obligationsverhältniß den obligatorischen
der Stipulation (cautio usufructuaria). Man wende nicht ein,
daß die Verbindung des dinglichen und obligatorischen Elements
beim Ususfructus eine minder innige sei, als bei den drei andern
Verhältnissen. Das obligatorische Band ist dem einen Verhält-
niß ganz eben so nothwendig und unentbehrlich wie dem an-
dern. 171) Die Verschiedenheit ihrer Structur läßt sich mithin
nur auf technische Gründe zurückführen, und sie ist um so be-
zeichnender für die Methode der alten Jurisprudenz, als ja das
Verhältniß selber in seiner natürlichen ökonomischen Gestalt sich
als Einheit darstellt.

Diese unsere Deutung müßte freilich in Nichts zerfallen, wenn
sich anderweitige Beispiele einer simultanen Begründung ding-
licher und obligatorischer Ansprüche aus dem älteren Recht er-
bringen ließen, und in der That scheint der bekannte, bereits oft
erwähnte (B. 2 S. 151, 557 u. a.) Satz der XII Tafeln über
die verbindende Kraft der bei Gelegenheit der Mancipation ver-
lautbarten Bestimmungen ein solches Beispiel zu gewähren.

Die einzige quellenmäßig bezeugte obligatorische Wir-
kung, welche sich an die Mancipation knüpft, besteht in der actio
auctoritatis,
der Klage aufs Doppelte im Falle der Entwährung.
Wäre diese Klage nun in Wahrheit eine Wirkung der Manci-
pation
als solcher, so müßte sie letztere überall begleiten. Dies
ist aber keineswegs der Fall. Dieselbe war vielmehr bedingt durch
zwei der Mancipation völlig fremde Voraussetzungen, nämlich
die: daß die Mancipation in Folge eines Kaufcontracts er-
folgt und die: daß der Kaufpreis bezahlt war. Demnach bil-

171) L. 6 pr. ut in poss. (36. 4), L. 1 L. 4 Cod. de usufr. (3. 33),
L. 7 Cod. ut in poss.
(6. 54). R. Elvers die römische Servitutenlehre.
S. 554 ff.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
nerlich geſchieden ſind, ſo auch im Rechts geſchäft äußerlich aus-
einanderhielt, d. h. daß es für jedes derſelben einen beſondern
Akt erforderte, für das jus in re nämlich den dinglichen der in
jure cessio,
für das Obligationsverhältniß den obligatoriſchen
der Stipulation (cautio usufructuaria). Man wende nicht ein,
daß die Verbindung des dinglichen und obligatoriſchen Elements
beim Uſusfructus eine minder innige ſei, als bei den drei andern
Verhältniſſen. Das obligatoriſche Band iſt dem einen Verhält-
niß ganz eben ſo nothwendig und unentbehrlich wie dem an-
dern. 171) Die Verſchiedenheit ihrer Structur läßt ſich mithin
nur auf techniſche Gründe zurückführen, und ſie iſt um ſo be-
zeichnender für die Methode der alten Jurisprudenz, als ja das
Verhältniß ſelber in ſeiner natürlichen ökonomiſchen Geſtalt ſich
als Einheit darſtellt.

Dieſe unſere Deutung müßte freilich in Nichts zerfallen, wenn
ſich anderweitige Beiſpiele einer ſimultanen Begründung ding-
licher und obligatoriſcher Anſprüche aus dem älteren Recht er-
bringen ließen, und in der That ſcheint der bekannte, bereits oft
erwähnte (B. 2 S. 151, 557 u. a.) Satz der XII Tafeln über
die verbindende Kraft der bei Gelegenheit der Mancipation ver-
lautbarten Beſtimmungen ein ſolches Beiſpiel zu gewähren.

Die einzige quellenmäßig bezeugte obligatoriſche Wir-
kung, welche ſich an die Mancipation knüpft, beſteht in der actio
auctoritatis,
der Klage aufs Doppelte im Falle der Entwährung.
Wäre dieſe Klage nun in Wahrheit eine Wirkung der Manci-
pation
als ſolcher, ſo müßte ſie letztere überall begleiten. Dies
iſt aber keineswegs der Fall. Dieſelbe war vielmehr bedingt durch
zwei der Mancipation völlig fremde Vorausſetzungen, nämlich
die: daß die Mancipation in Folge eines Kaufcontracts er-
folgt und die: daß der Kaufpreis bezahlt war. Demnach bil-

171) L. 6 pr. ut in poss. (36. 4), L. 1 L. 4 Cod. de usufr. (3. 33),
L. 7 Cod. ut in poss.
(6. 54). R. Elvers die römiſche Servitutenlehre.
S. 554 ff.
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[132/0148] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. nerlich geſchieden ſind, ſo auch im Rechts geſchäft äußerlich aus- einanderhielt, d. h. daß es für jedes derſelben einen beſondern Akt erforderte, für das jus in re nämlich den dinglichen der in jure cessio, für das Obligationsverhältniß den obligatoriſchen der Stipulation (cautio usufructuaria). Man wende nicht ein, daß die Verbindung des dinglichen und obligatoriſchen Elements beim Uſusfructus eine minder innige ſei, als bei den drei andern Verhältniſſen. Das obligatoriſche Band iſt dem einen Verhält- niß ganz eben ſo nothwendig und unentbehrlich wie dem an- dern. 171) Die Verſchiedenheit ihrer Structur läßt ſich mithin nur auf techniſche Gründe zurückführen, und ſie iſt um ſo be- zeichnender für die Methode der alten Jurisprudenz, als ja das Verhältniß ſelber in ſeiner natürlichen ökonomiſchen Geſtalt ſich als Einheit darſtellt. Dieſe unſere Deutung müßte freilich in Nichts zerfallen, wenn ſich anderweitige Beiſpiele einer ſimultanen Begründung ding- licher und obligatoriſcher Anſprüche aus dem älteren Recht er- bringen ließen, und in der That ſcheint der bekannte, bereits oft erwähnte (B. 2 S. 151, 557 u. a.) Satz der XII Tafeln über die verbindende Kraft der bei Gelegenheit der Mancipation ver- lautbarten Beſtimmungen ein ſolches Beiſpiel zu gewähren. Die einzige quellenmäßig bezeugte obligatoriſche Wir- kung, welche ſich an die Mancipation knüpft, beſteht in der actio auctoritatis, der Klage aufs Doppelte im Falle der Entwährung. Wäre dieſe Klage nun in Wahrheit eine Wirkung der Manci- pation als ſolcher, ſo müßte ſie letztere überall begleiten. Dies iſt aber keineswegs der Fall. Dieſelbe war vielmehr bedingt durch zwei der Mancipation völlig fremde Vorausſetzungen, nämlich die: daß die Mancipation in Folge eines Kaufcontracts er- folgt und die: daß der Kaufpreis bezahlt war. Demnach bil- 171) L. 6 pr. ut in poss. (36. 4), L. 1 L. 4 Cod. de usufr. (3. 33), L. 7 Cod. ut in poss. (6. 54). R. Elvers die römiſche Servitutenlehre. S. 554 ff.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/148>, abgerufen am 21.05.2024.