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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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B. Das Rechtsgeschäft. Einfachheit des Rechtsverhältnisses. §. 53.
dete die Mancipation für sie nicht den Grund, sondern bloß
eine ihrer Voraussetzungen, und so wenig man die Usu-
capion darum, weil sie unter ihren Voraussetzungen ein obliga-
torisches Geschäft (titulus) zählt, als Wirkung der Obligation
bezeichnen darf, eben so wenig die obige Klage als Wirkung der
Mancipation. Am richtigsten dürfte man in ihr wohl eine qua-
lificirte Diebstahlsklage erblicken. Der Verkäufer hat durch das
Geschäft den Käufer um den Kaufpreis gebracht, ein furtum nec
manifestum
an ihm begangen und haftet in Folge davon aufs
Doppelte. 172) Wie wenig die Worte der XII Tafeln über die
Mancipation, wenn sie wirklich einen obligatorischen Sinn ge-
habt hätten, von den römischen Juristen in diesem Sinn verstan-
den worden sind, 173) geht schlagend daraus hervor, daß sie dem
Vertrag der fiducia die Aufnahme in die Mancipationsformel
versagten und ihn in die Form eines selbständigen, ursprünglich
klaglosen Nebenvertrags, ich möchte sagen eines geheimen Ar-
tikels
(B. 2 S. 557), wiesen. Hätte er in jener Formel Platz
finden können, so würde er, wie alle andern obligatorischen Akte
des alten Rechts eine actio stricti juris erzeugt haben, während
die aus ihm entspringende Klage in Wirklichkeit eine act. bonae
fidei
war, eine Klage, die an dem harten Stamm der mancipatio

172) So erklärt sich auch, daß das Doppelte als nothwendige, un-
abänderliche
Folge der Eviction bezeichnet wird, während wenn der Ver-
trag
als Grundlage gegolten hätte, nicht abzusehen wäre, warum die Par-
theien durch Vereinbarung den Betrag der Evictionsleistung nicht hätten
erhöhen oder verringern können. -- In welchem Lichte mir die Idee erscheinen
muß, den Anspruch auf Evictionsleistung wegen einer mancipirten und tradir-
ten res mancipi als einen Fall einer per aes et libram begründeten Schuld
aufzufassen (Huschke: Gajus, Beiträge u. s. w. S. 100) und wie ich
demnach über das: secundum "mancipium", das dieser Schriftsteller
statt des früher von ihm beliebten "lege mancipii" in den Text von
Gaj. III. 174 aufgenommen hat, denke, brauche ich nicht erst zu bemerken.
173) Welcher Sinn für sie außerdem noch erübrigte, habe ich B. 2 S. 574
bereits angegeben; an Beispielen ähnlicher restrictiver Interpretationen fehlt
es bekanntlich dem ältern Recht nicht, s. B. 2 S. 482 flg.

B. Das Rechtsgeſchäft. Einfachheit des Rechtsverhältniſſes. §. 53.
dete die Mancipation für ſie nicht den Grund, ſondern bloß
eine ihrer Vorausſetzungen, und ſo wenig man die Uſu-
capion darum, weil ſie unter ihren Vorausſetzungen ein obliga-
toriſches Geſchäft (titulus) zählt, als Wirkung der Obligation
bezeichnen darf, eben ſo wenig die obige Klage als Wirkung der
Mancipation. Am richtigſten dürfte man in ihr wohl eine qua-
lificirte Diebſtahlsklage erblicken. Der Verkäufer hat durch das
Geſchäft den Käufer um den Kaufpreis gebracht, ein furtum nec
manifestum
an ihm begangen und haftet in Folge davon aufs
Doppelte. 172) Wie wenig die Worte der XII Tafeln über die
Mancipation, wenn ſie wirklich einen obligatoriſchen Sinn ge-
habt hätten, von den römiſchen Juriſten in dieſem Sinn verſtan-
den worden ſind, 173) geht ſchlagend daraus hervor, daß ſie dem
Vertrag der fiducia die Aufnahme in die Mancipationsformel
verſagten und ihn in die Form eines ſelbſtändigen, urſprünglich
klagloſen Nebenvertrags, ich möchte ſagen eines geheimen Ar-
tikels
(B. 2 S. 557), wieſen. Hätte er in jener Formel Platz
finden können, ſo würde er, wie alle andern obligatoriſchen Akte
des alten Rechts eine actio stricti juris erzeugt haben, während
die aus ihm entſpringende Klage in Wirklichkeit eine act. bonae
fidei
war, eine Klage, die an dem harten Stamm der mancipatio

172) So erklärt ſich auch, daß das Doppelte als nothwendige, un-
abänderliche
Folge der Eviction bezeichnet wird, während wenn der Ver-
trag
als Grundlage gegolten hätte, nicht abzuſehen wäre, warum die Par-
theien durch Vereinbarung den Betrag der Evictionsleiſtung nicht hätten
erhöhen oder verringern können. — In welchem Lichte mir die Idee erſcheinen
muß, den Anſpruch auf Evictionsleiſtung wegen einer mancipirten und tradir-
ten res mancipi als einen Fall einer per aes et libram begründeten Schuld
aufzufaſſen (Huſchke: Gajus, Beiträge u. ſ. w. S. 100) und wie ich
demnach über das: secundum „mancipium“, das dieſer Schriftſteller
ſtatt des früher von ihm beliebten lege mancipii in den Text von
Gaj. III. 174 aufgenommen hat, denke, brauche ich nicht erſt zu bemerken.
173) Welcher Sinn für ſie außerdem noch erübrigte, habe ich B. 2 S. 574
bereits angegeben; an Beiſpielen ähnlicher reſtrictiver Interpretationen fehlt
es bekanntlich dem ältern Recht nicht, ſ. B. 2 S. 482 flg.
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[133/0149] B. Das Rechtsgeſchäft. Einfachheit des Rechtsverhältniſſes. §. 53. dete die Mancipation für ſie nicht den Grund, ſondern bloß eine ihrer Vorausſetzungen, und ſo wenig man die Uſu- capion darum, weil ſie unter ihren Vorausſetzungen ein obliga- toriſches Geſchäft (titulus) zählt, als Wirkung der Obligation bezeichnen darf, eben ſo wenig die obige Klage als Wirkung der Mancipation. Am richtigſten dürfte man in ihr wohl eine qua- lificirte Diebſtahlsklage erblicken. Der Verkäufer hat durch das Geſchäft den Käufer um den Kaufpreis gebracht, ein furtum nec manifestum an ihm begangen und haftet in Folge davon aufs Doppelte. 172) Wie wenig die Worte der XII Tafeln über die Mancipation, wenn ſie wirklich einen obligatoriſchen Sinn ge- habt hätten, von den römiſchen Juriſten in dieſem Sinn verſtan- den worden ſind, 173) geht ſchlagend daraus hervor, daß ſie dem Vertrag der fiducia die Aufnahme in die Mancipationsformel verſagten und ihn in die Form eines ſelbſtändigen, urſprünglich klagloſen Nebenvertrags, ich möchte ſagen eines geheimen Ar- tikels (B. 2 S. 557), wieſen. Hätte er in jener Formel Platz finden können, ſo würde er, wie alle andern obligatoriſchen Akte des alten Rechts eine actio stricti juris erzeugt haben, während die aus ihm entſpringende Klage in Wirklichkeit eine act. bonae fidei war, eine Klage, die an dem harten Stamm der mancipatio 172) So erklärt ſich auch, daß das Doppelte als nothwendige, un- abänderliche Folge der Eviction bezeichnet wird, während wenn der Ver- trag als Grundlage gegolten hätte, nicht abzuſehen wäre, warum die Par- theien durch Vereinbarung den Betrag der Evictionsleiſtung nicht hätten erhöhen oder verringern können. — In welchem Lichte mir die Idee erſcheinen muß, den Anſpruch auf Evictionsleiſtung wegen einer mancipirten und tradir- ten res mancipi als einen Fall einer per aes et libram begründeten Schuld aufzufaſſen (Huſchke: Gajus, Beiträge u. ſ. w. S. 100) und wie ich demnach über das: secundum „mancipium“, das dieſer Schriftſteller ſtatt des früher von ihm beliebten „lege mancipii“ in den Text von Gaj. III. 174 aufgenommen hat, denke, brauche ich nicht erſt zu bemerken. 173) Welcher Sinn für ſie außerdem noch erübrigte, habe ich B. 2 S. 574 bereits angegeben; an Beiſpielen ähnlicher reſtrictiver Interpretationen fehlt es bekanntlich dem ältern Recht nicht, ſ. B. 2 S. 482 flg.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/149>, abgerufen am 22.11.2024.