Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
selben Mittels bedient haben, und den Grund, daß dasselbe bei
letztern nicht erwähnt wird, vermag ich daher nicht in einer syste-
matischen Verschiedenheit derselben von den Servituten, sondern
nur in rein historischen Verhältnissen zu erblicken. 177)

Das Gegenstück zu dem eben besprochenen Fall liefert die
Bestellung von Prädialservituten zu Gunsten des Erwerbers.
Der bisherige Eigenthümer führt unter den dem zu übertragen-
den Grundstücke zustehenden Servituten auch diejenige auf, welche
er auf das von ihm zurückbehaltene Grundstück übernehmen will,
es erscheint also auch hier wiederum die Servitutbestellung nicht
als besonderes Rechtsgeschäft, sondern als eine Modalität der
Eigenthumsübertragung. Während das praedium in jenem
Fall als serviens, wird es in diesem als dominans über-
geben. 178)

So weit das höchst dürftige Material, welches unsere Quellen
uns meines Wissens für die Frage von der Cumulation mehrerer
ungleichartiger Rechtsgeschäfte darbieten. Es verbleibt uns
jetzt noch die Frage von der Möglichkeit gleichartiger Rechts-
geschäfte.

Halten wir uns hier an die drei Grundformen des römischen
Geschäftslebens (§. 46) die mancipatio, in jure cessio und sti-
pulatio,
so darf zunächst für die in jure cessio, wenn sonst der
Schluß von der Vindication auf sie ein berechtigter ist, die Un-
zulässigkeit einer solchen Cumulation unbedenklich behauptet wer-
den. Konnte man nicht mehrere Gegenstände mit einem Male
vindiciren, so konnte man sie auch nicht durch Scheinvindication
mit einem Male vor Gericht abtreten; dem Satz: so viel
Gegenstände, so viel Vindicationen
(S. 32), muß
der entsprochen haben: so viel Gegenstände, so viel Akte
der in jure cessio.
So weit, wie das ausschließliche

177) Wie Dirksen a. a. O. S. 119 es thut.
178) L. 3 L. 6 pr. L. 7 pr. Comm. praed. (8. 4). Daß ich, was hier
von der traditio gesagt wird, auf die beiden Geschäftsformen im Texte be-
ziehe, wird keiner Rechtfertigung bedürfen.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
ſelben Mittels bedient haben, und den Grund, daß daſſelbe bei
letztern nicht erwähnt wird, vermag ich daher nicht in einer ſyſte-
matiſchen Verſchiedenheit derſelben von den Servituten, ſondern
nur in rein hiſtoriſchen Verhältniſſen zu erblicken. 177)

Das Gegenſtück zu dem eben beſprochenen Fall liefert die
Beſtellung von Prädialſervituten zu Gunſten des Erwerbers.
Der bisherige Eigenthümer führt unter den dem zu übertragen-
den Grundſtücke zuſtehenden Servituten auch diejenige auf, welche
er auf das von ihm zurückbehaltene Grundſtück übernehmen will,
es erſcheint alſo auch hier wiederum die Servitutbeſtellung nicht
als beſonderes Rechtsgeſchäft, ſondern als eine Modalität der
Eigenthumsübertragung. Während das praedium in jenem
Fall als serviens, wird es in dieſem als dominans über-
geben. 178)

So weit das höchſt dürftige Material, welches unſere Quellen
uns meines Wiſſens für die Frage von der Cumulation mehrerer
ungleichartiger Rechtsgeſchäfte darbieten. Es verbleibt uns
jetzt noch die Frage von der Möglichkeit gleichartiger Rechts-
geſchäfte.

Halten wir uns hier an die drei Grundformen des römiſchen
Geſchäftslebens (§. 46) die mancipatio, in jure cessio und sti-
pulatio,
ſo darf zunächſt für die in jure cessio, wenn ſonſt der
Schluß von der Vindication auf ſie ein berechtigter iſt, die Un-
zuläſſigkeit einer ſolchen Cumulation unbedenklich behauptet wer-
den. Konnte man nicht mehrere Gegenſtände mit einem Male
vindiciren, ſo konnte man ſie auch nicht durch Scheinvindication
mit einem Male vor Gericht abtreten; dem Satz: ſo viel
Gegenſtände, ſo viel Vindicationen
(S. 32), muß
der entſprochen haben: ſo viel Gegenſtände, ſo viel Akte
der in jure cessio.
So weit, wie das ausſchließliche

177) Wie Dirkſen a. a. O. S. 119 es thut.
178) L. 3 L. 6 pr. L. 7 pr. Comm. praed. (8. 4). Daß ich, was hier
von der traditio geſagt wird, auf die beiden Geſchäftsformen im Texte be-
ziehe, wird keiner Rechtfertigung bedürfen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0152" n="136"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Er&#x017F;ter Ab&#x017F;chn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/>
&#x017F;elben Mittels bedient haben, und den Grund, daß da&#x017F;&#x017F;elbe bei<lb/>
letztern nicht erwähnt wird, vermag ich daher nicht in einer &#x017F;y&#x017F;te-<lb/>
mati&#x017F;chen Ver&#x017F;chiedenheit der&#x017F;elben von den Servituten, &#x017F;ondern<lb/>
nur in rein hi&#x017F;tori&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;en zu erblicken. <note place="foot" n="177)">Wie <hi rendition="#g">Dirk&#x017F;en</hi> a. a. O. S. 119 es thut.</note></p><lb/>
                      <p>Das Gegen&#x017F;tück zu dem eben be&#x017F;prochenen Fall liefert die<lb/>
Be&#x017F;tellung von Prädial&#x017F;ervituten zu Gun&#x017F;ten des Erwerbers.<lb/>
Der bisherige Eigenthümer führt unter den dem zu übertragen-<lb/>
den Grund&#x017F;tücke zu&#x017F;tehenden Servituten auch diejenige auf, welche<lb/>
er auf das von ihm zurückbehaltene Grund&#x017F;tück übernehmen will,<lb/>
es er&#x017F;cheint al&#x017F;o auch hier wiederum die Servitutbe&#x017F;tellung nicht<lb/>
als be&#x017F;onderes Rechtsge&#x017F;chäft, &#x017F;ondern als eine Modalität der<lb/>
Eigenthumsübertragung. Während das <hi rendition="#aq">praedium</hi> in jenem<lb/>
Fall als <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">serviens</hi>,</hi> wird es in die&#x017F;em als <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">dominans</hi></hi> über-<lb/>
geben. <note place="foot" n="178)"><hi rendition="#aq">L. 3 L. 6 pr. L. 7 pr. Comm. praed.</hi> (8. 4). Daß ich, was hier<lb/>
von der <hi rendition="#aq">traditio</hi> ge&#x017F;agt wird, auf die beiden Ge&#x017F;chäftsformen im Texte be-<lb/>
ziehe, wird keiner Rechtfertigung bedürfen.</note></p><lb/>
                      <p>So weit das höch&#x017F;t dürftige Material, welches un&#x017F;ere Quellen<lb/>
uns meines Wi&#x017F;&#x017F;ens für die Frage von der Cumulation mehrerer<lb/><hi rendition="#g">ungleichartiger</hi> Rechtsge&#x017F;chäfte darbieten. Es verbleibt uns<lb/>
jetzt noch die Frage von der Möglichkeit <hi rendition="#g">gleichartiger</hi> Rechts-<lb/>
ge&#x017F;chäfte.</p><lb/>
                      <p>Halten wir uns hier an die drei Grundformen des römi&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;chäftslebens (§. 46) die <hi rendition="#aq">mancipatio, in jure cessio</hi> und <hi rendition="#aq">sti-<lb/>
pulatio,</hi> &#x017F;o darf zunäch&#x017F;t für die <hi rendition="#aq">in jure cessio,</hi> wenn &#x017F;on&#x017F;t der<lb/>
Schluß von der Vindication auf &#x017F;ie ein berechtigter i&#x017F;t, die Un-<lb/>
zulä&#x017F;&#x017F;igkeit einer &#x017F;olchen Cumulation unbedenklich behauptet wer-<lb/>
den. Konnte man nicht mehrere Gegen&#x017F;tände mit einem Male<lb/>
vindiciren, &#x017F;o konnte man &#x017F;ie auch nicht durch Scheinvindication<lb/>
mit einem Male vor Gericht <hi rendition="#g">abtreten</hi>; dem Satz: <hi rendition="#g">&#x017F;o viel<lb/>
Gegen&#x017F;tände, &#x017F;o viel Vindicationen</hi> (S. 32), muß<lb/>
der ent&#x017F;prochen haben: <hi rendition="#g">&#x017F;o viel Gegen&#x017F;tände, &#x017F;o viel Akte<lb/>
der <hi rendition="#aq">in jure cessio.</hi></hi> So weit, wie das <hi rendition="#g">aus&#x017F;chließliche</hi><lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0152] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. ſelben Mittels bedient haben, und den Grund, daß daſſelbe bei letztern nicht erwähnt wird, vermag ich daher nicht in einer ſyſte- matiſchen Verſchiedenheit derſelben von den Servituten, ſondern nur in rein hiſtoriſchen Verhältniſſen zu erblicken. 177) Das Gegenſtück zu dem eben beſprochenen Fall liefert die Beſtellung von Prädialſervituten zu Gunſten des Erwerbers. Der bisherige Eigenthümer führt unter den dem zu übertragen- den Grundſtücke zuſtehenden Servituten auch diejenige auf, welche er auf das von ihm zurückbehaltene Grundſtück übernehmen will, es erſcheint alſo auch hier wiederum die Servitutbeſtellung nicht als beſonderes Rechtsgeſchäft, ſondern als eine Modalität der Eigenthumsübertragung. Während das praedium in jenem Fall als serviens, wird es in dieſem als dominans über- geben. 178) So weit das höchſt dürftige Material, welches unſere Quellen uns meines Wiſſens für die Frage von der Cumulation mehrerer ungleichartiger Rechtsgeſchäfte darbieten. Es verbleibt uns jetzt noch die Frage von der Möglichkeit gleichartiger Rechts- geſchäfte. Halten wir uns hier an die drei Grundformen des römiſchen Geſchäftslebens (§. 46) die mancipatio, in jure cessio und sti- pulatio, ſo darf zunächſt für die in jure cessio, wenn ſonſt der Schluß von der Vindication auf ſie ein berechtigter iſt, die Un- zuläſſigkeit einer ſolchen Cumulation unbedenklich behauptet wer- den. Konnte man nicht mehrere Gegenſtände mit einem Male vindiciren, ſo konnte man ſie auch nicht durch Scheinvindication mit einem Male vor Gericht abtreten; dem Satz: ſo viel Gegenſtände, ſo viel Vindicationen (S. 32), muß der entſprochen haben: ſo viel Gegenſtände, ſo viel Akte der in jure cessio. So weit, wie das ausſchließliche 177) Wie Dirkſen a. a. O. S. 119 es thut. 178) L. 3 L. 6 pr. L. 7 pr. Comm. praed. (8. 4). Daß ich, was hier von der traditio geſagt wird, auf die beiden Geſchäftsformen im Texte be- ziehe, wird keiner Rechtfertigung bedürfen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/152
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/152>, abgerufen am 21.11.2024.