Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

B. Das Rechtsgeschäft. Concentration desselben. §. 53.
dabei thätigen Personen: den Testator und die Zeugen be-
schränkt, sondern auch auf die honorirten Personen, gleich
als ob dieselben dabei ebenfalls wenigstens geistig in Thätigkeit
träten, erweitert ward. Eine Consequenz davon war, daß sie
selbst nicht auf den Fall der künftigen Fähigkeit bedacht werden
konnten -- ein Gesichtspunkt, aus dem sich auch die Unzulässig-
keit der Einsetzung von postumi erklärt. 194)

Die persönliche Fähigkeit, sowohl die Rechts- als Hand-
lungsfähigkeit, braucht nur im Moment der Handlung vor-
handen zu sein, 195) der spätere Wegfall derselben ist für das
Rechtsgeschäft, welches als Akt keine Dauer hat, völlig
gleichgültig; inwieweit das Rechtsverhältniß dadurch be-
troffen werden kann, gehört nicht hierher. Daß und warum
bei pendenten Rechtsgeschäften die Fortdauer der persönlichen
Rechtsfähigkeit erforderlich ist, kann erst unten entwickelt werden.

Die zweite Voraussetzung des Rechtsgeschäfts ist die juri-
stische Möglichkeit seines Inhalts. Die neuere Jurisprudenz
läßt in manchen Fällen Verträge auf den Fall der künftigen
Möglichkeit zu, 196) von der ältern haben wir kein Beispiel.

Die dritte Voraussetzung ist das Vorhandensein der con-
creten Verhältnisse, durch welche die Wirksamkeit der Disposition
bedingt ist, z. B. des Eigenthums, wenn es sich um eine Ver-
fügung handelt, die nur der Eigenthümer mit Erfolg treffen
kann, der Erbschaft, wenn sie angetreten oder ausgeschlagen wer-
den soll. Gerade nach dieser Seite hin hat das neuere Recht sich

unter dem Gewand der Convalescenz oder Ratihabition eine neue, formlose
Wiederholung des Rechtsgeschäfts, s. z. B. L. 1 §. 1 de leg. III. (33), L. 65
§. 1 de R. N. (23. 2),
s. jedoch L. 7 §. 18 de pact. (2. 14).
194) Neueres Recht: Einsetzung der postumi und unfähiger Personen
auf den Fall der Fähigkeit L. 62 pr. de her. inst. (28. 5), L. 51 pr. de
leg. II. (31)
.
195) L. 2 qui test. (28. 1) .. ejus temporis, quo testamentum facit.
196) z. B. L. 61 de cont. emt. (18. 1), L. 31 L. 98 de V. O. (45. 1),
L. 41 §. 2 de leg. II. (31), L. 98 de cond. (35. 1),
s. jedoch L. 34 §. 2
de cont. emt. (18. 1), L. 83 §. 5 de V. O. (45. 1)
.

B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53.
dabei thätigen Perſonen: den Teſtator und die Zeugen be-
ſchränkt, ſondern auch auf die honorirten Perſonen, gleich
als ob dieſelben dabei ebenfalls wenigſtens geiſtig in Thätigkeit
träten, erweitert ward. Eine Conſequenz davon war, daß ſie
ſelbſt nicht auf den Fall der künftigen Fähigkeit bedacht werden
konnten — ein Geſichtspunkt, aus dem ſich auch die Unzuläſſig-
keit der Einſetzung von postumi erklärt. 194)

Die perſönliche Fähigkeit, ſowohl die Rechts- als Hand-
lungsfähigkeit, braucht nur im Moment der Handlung vor-
handen zu ſein, 195) der ſpätere Wegfall derſelben iſt für das
Rechtsgeſchäft, welches als Akt keine Dauer hat, völlig
gleichgültig; inwieweit das Rechtsverhältniß dadurch be-
troffen werden kann, gehört nicht hierher. Daß und warum
bei pendenten Rechtsgeſchäften die Fortdauer der perſönlichen
Rechtsfähigkeit erforderlich iſt, kann erſt unten entwickelt werden.

Die zweite Vorausſetzung des Rechtsgeſchäfts iſt die juri-
ſtiſche Möglichkeit ſeines Inhalts. Die neuere Jurisprudenz
läßt in manchen Fällen Verträge auf den Fall der künftigen
Möglichkeit zu, 196) von der ältern haben wir kein Beiſpiel.

Die dritte Vorausſetzung iſt das Vorhandenſein der con-
creten Verhältniſſe, durch welche die Wirkſamkeit der Dispoſition
bedingt iſt, z. B. des Eigenthums, wenn es ſich um eine Ver-
fügung handelt, die nur der Eigenthümer mit Erfolg treffen
kann, der Erbſchaft, wenn ſie angetreten oder ausgeſchlagen wer-
den ſoll. Gerade nach dieſer Seite hin hat das neuere Recht ſich

unter dem Gewand der Convalescenz oder Ratihabition eine neue, formloſe
Wiederholung des Rechtsgeſchäfts, ſ. z. B. L. 1 §. 1 de leg. III. (33), L. 65
§. 1 de R. N. (23. 2),
ſ. jedoch L. 7 §. 18 de pact. (2. 14).
194) Neueres Recht: Einſetzung der postumi und unfähiger Perſonen
auf den Fall der Fähigkeit L. 62 pr. de her. inst. (28. 5), L. 51 pr. de
leg. II. (31)
.
195) L. 2 qui test. (28. 1) .. ejus temporis, quo testamentum facit.
196) z. B. L. 61 de cont. emt. (18. 1), L. 31 L. 98 de V. O. (45. 1),
L. 41 §. 2 de leg. II. (31), L. 98 de cond. (35. 1),
ſ. jedoch L. 34 §. 2
de cont. emt. (18. 1), L. 83 §. 5 de V. O. (45. 1)
.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0169" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">B.</hi> Das Rechtsge&#x017F;chäft. Concentration de&#x017F;&#x017F;elben. §. 53.</fw><lb/>
dabei <hi rendition="#g">thätigen</hi> Per&#x017F;onen: den Te&#x017F;tator und die Zeugen be-<lb/>
&#x017F;chränkt, &#x017F;ondern auch auf die <hi rendition="#g">honorirten</hi> Per&#x017F;onen, gleich<lb/>
als ob die&#x017F;elben dabei ebenfalls wenig&#x017F;tens gei&#x017F;tig in Thätigkeit<lb/>
träten, erweitert ward. Eine Con&#x017F;equenz davon war, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t nicht auf den Fall der künftigen Fähigkeit bedacht werden<lb/>
konnten &#x2014; ein Ge&#x017F;ichtspunkt, aus dem &#x017F;ich auch die Unzulä&#x017F;&#x017F;ig-<lb/>
keit der Ein&#x017F;etzung von <hi rendition="#aq">postumi</hi> erklärt. <note place="foot" n="194)"><hi rendition="#g">Neueres</hi> Recht: Ein&#x017F;etzung der <hi rendition="#aq">postumi</hi> und unfähiger Per&#x017F;onen<lb/>
auf den Fall der Fähigkeit <hi rendition="#aq">L. 62 pr. de her. inst. (28. 5), L. 51 pr. de<lb/>
leg. II. (31)</hi>.</note></p><lb/>
                        <p>Die per&#x017F;önliche Fähigkeit, &#x017F;owohl die Rechts- als Hand-<lb/>
lungsfähigkeit, braucht nur im Moment der <hi rendition="#g">Handlung</hi> vor-<lb/>
handen zu &#x017F;ein, <note place="foot" n="195)"><hi rendition="#aq">L. 2 qui test. (28. 1) .. ejus temporis, quo testamentum facit.</hi></note> der &#x017F;pätere Wegfall der&#x017F;elben i&#x017F;t für das<lb/>
Rechts<hi rendition="#g">ge&#x017F;chäft</hi>, welches als Akt keine Dauer hat, völlig<lb/>
gleichgültig; inwieweit das Rechts<hi rendition="#g">verhältniß</hi> dadurch be-<lb/>
troffen werden kann, gehört nicht hierher. Daß und warum<lb/>
bei <hi rendition="#g">pendenten</hi> Rechtsge&#x017F;chäften die Fortdauer der per&#x017F;önlichen<lb/>
Rechtsfähigkeit erforderlich i&#x017F;t, kann er&#x017F;t unten entwickelt werden.</p><lb/>
                        <p>Die <hi rendition="#g">zweite</hi> Voraus&#x017F;etzung des Rechtsge&#x017F;chäfts i&#x017F;t die juri-<lb/>
&#x017F;ti&#x017F;che Möglichkeit &#x017F;eines <hi rendition="#g">Inhalts</hi>. Die neuere Jurisprudenz<lb/>
läßt in manchen Fällen Verträge auf den Fall der künftigen<lb/>
Möglichkeit zu, <note place="foot" n="196)">z. B. <hi rendition="#aq">L. 61 de cont. emt. (18. 1), L. 31 L. 98 de V. O. (45. 1),<lb/>
L. 41 §. 2 de leg. II. (31), L. 98 de cond. (35. 1),</hi> &#x017F;. jedoch <hi rendition="#aq">L. 34 §. 2<lb/>
de cont. emt. (18. 1), L. 83 §. 5 de V. O. (45. 1)</hi>.</note> von der ältern haben wir <hi rendition="#g">kein</hi> Bei&#x017F;piel.</p><lb/>
                        <p>Die <hi rendition="#g">dritte</hi> Voraus&#x017F;etzung i&#x017F;t das Vorhanden&#x017F;ein der con-<lb/>
creten Verhältni&#x017F;&#x017F;e, durch welche die Wirk&#x017F;amkeit der Dispo&#x017F;ition<lb/>
bedingt i&#x017F;t, z. B. des Eigenthums, wenn es &#x017F;ich um eine Ver-<lb/>
fügung handelt, die nur der Eigenthümer mit Erfolg treffen<lb/>
kann, der Erb&#x017F;chaft, wenn &#x017F;ie angetreten oder ausge&#x017F;chlagen wer-<lb/>
den &#x017F;oll. Gerade nach die&#x017F;er Seite hin hat das neuere Recht &#x017F;ich<lb/><note xml:id="seg2pn_14_2" prev="#seg2pn_14_1" place="foot" n="193)">unter dem Gewand der Convalescenz oder Ratihabition eine neue, formlo&#x017F;e<lb/>
Wiederholung des Rechtsge&#x017F;chäfts, &#x017F;. z. B. <hi rendition="#aq">L. 1 §. 1 de leg. III. (33), L. 65<lb/>
§. 1 de R. N. (23. 2),</hi> &#x017F;. jedoch <hi rendition="#aq">L. 7 §. 18 de pact. (2. 14)</hi>.</note><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0169] B. Das Rechtsgeſchäft. Concentration deſſelben. §. 53. dabei thätigen Perſonen: den Teſtator und die Zeugen be- ſchränkt, ſondern auch auf die honorirten Perſonen, gleich als ob dieſelben dabei ebenfalls wenigſtens geiſtig in Thätigkeit träten, erweitert ward. Eine Conſequenz davon war, daß ſie ſelbſt nicht auf den Fall der künftigen Fähigkeit bedacht werden konnten — ein Geſichtspunkt, aus dem ſich auch die Unzuläſſig- keit der Einſetzung von postumi erklärt. 194) Die perſönliche Fähigkeit, ſowohl die Rechts- als Hand- lungsfähigkeit, braucht nur im Moment der Handlung vor- handen zu ſein, 195) der ſpätere Wegfall derſelben iſt für das Rechtsgeſchäft, welches als Akt keine Dauer hat, völlig gleichgültig; inwieweit das Rechtsverhältniß dadurch be- troffen werden kann, gehört nicht hierher. Daß und warum bei pendenten Rechtsgeſchäften die Fortdauer der perſönlichen Rechtsfähigkeit erforderlich iſt, kann erſt unten entwickelt werden. Die zweite Vorausſetzung des Rechtsgeſchäfts iſt die juri- ſtiſche Möglichkeit ſeines Inhalts. Die neuere Jurisprudenz läßt in manchen Fällen Verträge auf den Fall der künftigen Möglichkeit zu, 196) von der ältern haben wir kein Beiſpiel. Die dritte Vorausſetzung iſt das Vorhandenſein der con- creten Verhältniſſe, durch welche die Wirkſamkeit der Dispoſition bedingt iſt, z. B. des Eigenthums, wenn es ſich um eine Ver- fügung handelt, die nur der Eigenthümer mit Erfolg treffen kann, der Erbſchaft, wenn ſie angetreten oder ausgeſchlagen wer- den ſoll. Gerade nach dieſer Seite hin hat das neuere Recht ſich 193) 194) Neueres Recht: Einſetzung der postumi und unfähiger Perſonen auf den Fall der Fähigkeit L. 62 pr. de her. inst. (28. 5), L. 51 pr. de leg. II. (31). 195) L. 2 qui test. (28. 1) .. ejus temporis, quo testamentum facit. 196) z. B. L. 61 de cont. emt. (18. 1), L. 31 L. 98 de V. O. (45. 1), L. 41 §. 2 de leg. II. (31), L. 98 de cond. (35. 1), ſ. jedoch L. 34 §. 2 de cont. emt. (18. 1), L. 83 §. 5 de V. O. (45. 1). 193) unter dem Gewand der Convalescenz oder Ratihabition eine neue, formloſe Wiederholung des Rechtsgeſchäfts, ſ. z. B. L. 1 §. 1 de leg. III. (33), L. 65 §. 1 de R. N. (23. 2), ſ. jedoch L. 7 §. 18 de pact. (2. 14).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/169
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/169>, abgerufen am 21.05.2024.