Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.C. Die abstracte Analyse. Einfachheit der Rechtskörper. §. 54. das des Vormundes zu seinem Mündel, und dasselbe kann manbis zu einem gewissen Grade auch von der väterlichen Gewalt sagen, insofern auch sie dem Vater Pflichten (z. B. die Alimen- tationspflicht) auferlegt. Ganz anders im ältern Recht. Denn wie diese Verhältnisse im Leben und durch die Sitte immerhin auch thatsächlich gestaltet sein mochten, juristisch waren sie sämmtlich einseitige Machtverhältnisse, die einen Gegenanspruch des Untergebenen nicht zuließen. Für die Kinder bedarf dies keiner Bemerkung, für die Ehefrau in der manus könnte man höchstens eine Ausnahme rücksichtlich der Dos statuiren. Allein nach der richtigen Ansicht 251) hatte die Frau, wie überhaupt kei- nen Anspruch gegen den Mann, so auch nicht rücksichtlich der Dos, es wäre ein Anspruch des Mannes gegen sich selber gewe- sen. Die Vormundschaft in ihrer ursprünglichen Gestalt von den Römern ausdrücklich als "Machtverhältniß" definirt, 252) ge- hörte in der ältern Zeit zur Zahl der Pflichtverhältnisse (offi- cia), 253) die zwar eine höchst innige, durch Infamie geschützte, sittliche Verpflichtung, aber keine juristische Verbindlichkeit begründeten. Unterschlagung erzeugte hier, wie überall, die Diebstahlsklage aufs Doppelte (act. rationibus distrahendis), der Gedanke eines obligatorischen Anspruches des Pupillen ge- gen den Vormund auf treue und sorgfältige Führung seines Amtes, m. a. W.: das judicium tutelae war dem ältern Recht fremd. 254) Das Eigenthum ließ sich durch Servituten beschränken, 251) Ich freue mich dieser Anficht, auf die ich von einer andern Seite gekommen war, jetzt bei Bechmann, Das röm. Dotalrecht. Erste Abth. Erlangen 1863. S. 105 zu begegnen, der zuerst der herrschenden Auffassung, als ob die Dos zwischen Mann und Frau ursprünglich ein obligatorisches Verhältniß begründet habe, entgegengetreten ist. 252) "Jus ac potestas in capite libero" Cic. de invent. II. 50, L. 26 pr. de tut. (25. 1). 253) Gell. V. 13. 254) S. die Geschichte der Verhältnisse der bona fides in der Theorie der
Rechte. C. Die abſtracte Analyſe. Einfachheit der Rechtskörper. §. 54. das des Vormundes zu ſeinem Mündel, und daſſelbe kann manbis zu einem gewiſſen Grade auch von der väterlichen Gewalt ſagen, inſofern auch ſie dem Vater Pflichten (z. B. die Alimen- tationspflicht) auferlegt. Ganz anders im ältern Recht. Denn wie dieſe Verhältniſſe im Leben und durch die Sitte immerhin auch thatſächlich geſtaltet ſein mochten, juriſtiſch waren ſie ſämmtlich einſeitige Machtverhältniſſe, die einen Gegenanſpruch des Untergebenen nicht zuließen. Für die Kinder bedarf dies keiner Bemerkung, für die Ehefrau in der manus könnte man höchſtens eine Ausnahme rückſichtlich der Dos ſtatuiren. Allein nach der richtigen Anſicht 251) hatte die Frau, wie überhaupt kei- nen Anſpruch gegen den Mann, ſo auch nicht rückſichtlich der Dos, es wäre ein Anſpruch des Mannes gegen ſich ſelber gewe- ſen. Die Vormundſchaft in ihrer urſprünglichen Geſtalt von den Römern ausdrücklich als „Machtverhältniß“ definirt, 252) ge- hörte in der ältern Zeit zur Zahl der Pflichtverhältniſſe (offi- cia), 253) die zwar eine höchſt innige, durch Infamie geſchützte, ſittliche Verpflichtung, aber keine juriſtiſche Verbindlichkeit begründeten. Unterſchlagung erzeugte hier, wie überall, die Diebſtahlsklage aufs Doppelte (act. rationibus distrahendis), der Gedanke eines obligatoriſchen Anſpruches des Pupillen ge- gen den Vormund auf treue und ſorgfältige Führung ſeines Amtes, m. a. W.: das judicium tutelae war dem ältern Recht fremd. 254) Das Eigenthum ließ ſich durch Servituten beſchränken, 251) Ich freue mich dieſer Anficht, auf die ich von einer andern Seite gekommen war, jetzt bei Bechmann, Das röm. Dotalrecht. Erſte Abth. Erlangen 1863. S. 105 zu begegnen, der zuerſt der herrſchenden Auffaſſung, als ob die Dos zwiſchen Mann und Frau urſprünglich ein obligatoriſches Verhältniß begründet habe, entgegengetreten iſt. 252) „Jus ac potestas in capite libero“ Cic. de invent. II. 50, L. 26 pr. de tut. (25. 1). 253) Gell. V. 13. 254) S. die Geſchichte der Verhältniſſe der bona fides in der Theorie der
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C. Die abſtracte Analyſe. Einfachheit der Rechtskörper. §. 54.
das des Vormundes zu ſeinem Mündel, und daſſelbe kann man
bis zu einem gewiſſen Grade auch von der väterlichen Gewalt
ſagen, inſofern auch ſie dem Vater Pflichten (z. B. die Alimen-
tationspflicht) auferlegt. Ganz anders im ältern Recht. Denn
wie dieſe Verhältniſſe im Leben und durch die Sitte immerhin
auch thatſächlich geſtaltet ſein mochten, juriſtiſch waren ſie
ſämmtlich einſeitige Machtverhältniſſe, die einen Gegenanſpruch
des Untergebenen nicht zuließen. Für die Kinder bedarf dies
keiner Bemerkung, für die Ehefrau in der manus könnte man
höchſtens eine Ausnahme rückſichtlich der Dos ſtatuiren. Allein
nach der richtigen Anſicht 251) hatte die Frau, wie überhaupt kei-
nen Anſpruch gegen den Mann, ſo auch nicht rückſichtlich der
Dos, es wäre ein Anſpruch des Mannes gegen ſich ſelber gewe-
ſen. Die Vormundſchaft in ihrer urſprünglichen Geſtalt von
den Römern ausdrücklich als „Machtverhältniß“ definirt, 252) ge-
hörte in der ältern Zeit zur Zahl der Pflichtverhältniſſe (offi-
cia), 253) die zwar eine höchſt innige, durch Infamie geſchützte,
ſittliche Verpflichtung, aber keine juriſtiſche Verbindlichkeit
begründeten. Unterſchlagung erzeugte hier, wie überall, die
Diebſtahlsklage aufs Doppelte (act. rationibus distrahendis),
der Gedanke eines obligatoriſchen Anſpruches des Pupillen ge-
gen den Vormund auf treue und ſorgfältige Führung ſeines
Amtes, m. a. W.: das judicium tutelae war dem ältern Recht
fremd. 254)
Das Eigenthum ließ ſich durch Servituten beſchränken,
251) Ich freue mich dieſer Anficht, auf die ich von einer andern Seite
gekommen war, jetzt bei Bechmann, Das röm. Dotalrecht. Erſte Abth.
Erlangen 1863. S. 105 zu begegnen, der zuerſt der herrſchenden Auffaſſung,
als ob die Dos zwiſchen Mann und Frau urſprünglich ein obligatoriſches
Verhältniß begründet habe, entgegengetreten iſt.
252) „Jus ac potestas in capite libero“ Cic. de invent. II. 50, L. 26
pr. de tut. (25. 1).
253) Gell. V. 13.
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