Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie. war namentlich geboten im Proceß. Um hier einen Andern andie eigne Stelle zu setzen blieb in alter Zeit nichts übrig, als das Verhältniß, welches den Gegenstand des Streites bildete, auf ihn fiduciarisch zu übertragen, also bei Eigenthums- und Servitutenstreitigkeiten das Grundstück. Selbst bei einem Streit über eins der Gewaltverhältnisse war dieser Weg nicht ausgeschlossen, man mancipirte den Sklaven, das Kind, die Frau, ohne daß dieselben darum das Haus zu verlassen brauchten, und der jetzige Innehaber der Gewalt über sie führte in dieser Eigenschaft den Proceß, dessen Verhandlung und Entscheidung sich auch in dieser Gestalt lediglich um das Recht des Autors drehte. Ich kann mir denken, daß ein Mann, der auf längere Zeit sich von seinem Hause entfernen mußte, ebenfalls diesen Weg einschlug, um den Seinigen, denen der Zutritt zu Gericht versperrt war, für die Zeit seiner Abwesenheit einen Vertreter zu sichern. Nur bei der Erbschaft und der Forderung war aus bekannten Gründen eine solche Uebertragung ausgeschlossen. Wie bei der ersteren der Testator gleichwohl es erreichen konnte, dem eingesetzten Erben die Last, selber die Processe zu führen, zu ersparen und sie auf andere Schultern zu legen, ist oben mit- getheilt. Für die Forderungsverhältnisse blieb nichts anderes übrig, als sofort bei Begründung derselben den eventuellen Stellvertreter als Mitgläubiger (adstipulator) oder als Mit- schuldner (adpromissor) heranzuziehen,328) wenn nicht etwa der Gegner selber die Hand zur Novation der streitigen Forderung bot. Dagegen ließ sich die Acceptilation durch Mittelspersonen nöthig werden, so z. B. um des Falles der Verhinderung des Herrn am Er- scheinen in Rom zu geschweigen, in dem der L. 14 de man. (40. 1) .. dubi- tationis tollendae causa ab agnato (curatore furiosi) tradendum servum, ut ab eo, cui traditus esset, manumittatur, Octavenus ait. 328) Mit Recht erblickt man in diesem Stellvertretungszweck das ur-
sprüngliche historische Motiv der adpromissio und adstipulatio. Puchta Cursus der Institutionen II. §. 156 Note c, III. §. 277 Note z (Rudorff). Brinz kritische Blätter Nr. IV. S. 19--22. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. war namentlich geboten im Proceß. Um hier einen Andern andie eigne Stelle zu ſetzen blieb in alter Zeit nichts übrig, als das Verhältniß, welches den Gegenſtand des Streites bildete, auf ihn fiduciariſch zu übertragen, alſo bei Eigenthums- und Servitutenſtreitigkeiten das Grundſtück. Selbſt bei einem Streit über eins der Gewaltverhältniſſe war dieſer Weg nicht ausgeſchloſſen, man mancipirte den Sklaven, das Kind, die Frau, ohne daß dieſelben darum das Haus zu verlaſſen brauchten, und der jetzige Innehaber der Gewalt über ſie führte in dieſer Eigenſchaft den Proceß, deſſen Verhandlung und Entſcheidung ſich auch in dieſer Geſtalt lediglich um das Recht des Autors drehte. Ich kann mir denken, daß ein Mann, der auf längere Zeit ſich von ſeinem Hauſe entfernen mußte, ebenfalls dieſen Weg einſchlug, um den Seinigen, denen der Zutritt zu Gericht verſperrt war, für die Zeit ſeiner Abweſenheit einen Vertreter zu ſichern. Nur bei der Erbſchaft und der Forderung war aus bekannten Gründen eine ſolche Uebertragung ausgeſchloſſen. Wie bei der erſteren der Teſtator gleichwohl es erreichen konnte, dem eingeſetzten Erben die Laſt, ſelber die Proceſſe zu führen, zu erſparen und ſie auf andere Schultern zu legen, iſt oben mit- getheilt. Für die Forderungsverhältniſſe blieb nichts anderes übrig, als ſofort bei Begründung derſelben den eventuellen Stellvertreter als Mitgläubiger (adstipulator) oder als Mit- ſchuldner (adpromissor) heranzuziehen,328) wenn nicht etwa der Gegner ſelber die Hand zur Novation der ſtreitigen Forderung bot. Dagegen ließ ſich die Acceptilation durch Mittelsperſonen nöthig werden, ſo z. B. um des Falles der Verhinderung des Herrn am Er- ſcheinen in Rom zu geſchweigen, in dem der L. 14 de man. (40. 1) .. dubi- tationis tollendae causa ab agnato (curatore furiosi) tradendum servum, ut ab eo, cui traditus esset, manumittatur, Octavenus ait. 328) Mit Recht erblickt man in dieſem Stellvertretungszweck das ur-
ſprüngliche hiſtoriſche Motiv der adpromissio und adstipulatio. Puchta Curſus der Inſtitutionen II. §. 156 Note c, III. §. 277 Note z (Rudorff). Brinz kritiſche Blätter Nr. IV. S. 19—22. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0256" n="240"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III. B</hi>. Die juriſtiſche Oekonomie.</fw><lb/> war namentlich geboten im Proceß. Um hier einen Andern an<lb/> die eigne Stelle zu ſetzen blieb in alter Zeit nichts übrig, als<lb/> das Verhältniß, welches den Gegenſtand des Streites bildete,<lb/> auf ihn fiduciariſch zu übertragen, alſo bei Eigenthums- und<lb/> Servitutenſtreitigkeiten das Grundſtück. Selbſt bei einem<lb/> Streit über eins der Gewaltverhältniſſe war dieſer Weg nicht<lb/> ausgeſchloſſen, man mancipirte den Sklaven, das Kind, die<lb/> Frau, ohne daß dieſelben darum das Haus zu verlaſſen brauchten,<lb/> und der jetzige Innehaber der Gewalt über ſie führte in dieſer<lb/> Eigenſchaft den Proceß, deſſen Verhandlung und Entſcheidung<lb/> ſich auch in dieſer Geſtalt lediglich um das Recht des Autors<lb/> drehte. Ich kann mir denken, daß ein Mann, der auf längere<lb/> Zeit ſich von ſeinem Hauſe entfernen mußte, ebenfalls dieſen<lb/> Weg einſchlug, um den Seinigen, denen der Zutritt zu Gericht<lb/> verſperrt war, für die Zeit ſeiner Abweſenheit einen Vertreter<lb/> zu ſichern. Nur bei der Erbſchaft und der Forderung war aus<lb/> bekannten Gründen eine ſolche Uebertragung ausgeſchloſſen.<lb/> Wie bei der erſteren der Teſtator gleichwohl es erreichen konnte,<lb/> dem eingeſetzten Erben die Laſt, ſelber die Proceſſe zu führen,<lb/> zu erſparen und ſie auf andere Schultern zu legen, iſt oben mit-<lb/> getheilt. Für die Forderungsverhältniſſe blieb nichts anderes<lb/> übrig, als ſofort bei Begründung derſelben den eventuellen<lb/> Stellvertreter als Mitgläubiger (<hi rendition="#aq">adstipulator</hi>) oder als Mit-<lb/> ſchuldner (<hi rendition="#aq">adpromissor</hi>) heranzuziehen,<note place="foot" n="328)">Mit Recht erblickt man in dieſem Stellvertretungszweck das ur-<lb/> ſprüngliche hiſtoriſche Motiv der <hi rendition="#aq">adpromissio</hi> und <hi rendition="#aq">adstipulatio</hi>. <hi rendition="#g">Puchta</hi><lb/> Curſus der Inſtitutionen <hi rendition="#aq">II</hi>. §. 156 Note <hi rendition="#aq">c, III</hi>. §. 277 Note <hi rendition="#aq">z</hi> (<hi rendition="#g">Rudorff</hi>).<lb/><hi rendition="#g">Brinz</hi> kritiſche Blätter Nr. <hi rendition="#aq">IV</hi>. S. 19—22.</note> wenn nicht etwa der<lb/> Gegner ſelber die Hand zur Novation der ſtreitigen Forderung<lb/> bot. Dagegen ließ ſich die Acceptilation durch Mittelsperſonen<lb/><note xml:id="seg2pn_21_2" prev="#seg2pn_21_1" place="foot" n="327)">nöthig werden, ſo z. B. um des Falles der Verhinderung des Herrn am Er-<lb/> ſcheinen in Rom zu geſchweigen, in dem der <hi rendition="#aq">L. 14 de man. (40. 1) .. dubi-<lb/> tationis tollendae causa ab agnato (curatore furiosi) tradendum servum,<lb/> ut ab eo, cui traditus esset, manumittatur, Octavenus ait</hi>.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0256]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
war namentlich geboten im Proceß. Um hier einen Andern an
die eigne Stelle zu ſetzen blieb in alter Zeit nichts übrig, als
das Verhältniß, welches den Gegenſtand des Streites bildete,
auf ihn fiduciariſch zu übertragen, alſo bei Eigenthums- und
Servitutenſtreitigkeiten das Grundſtück. Selbſt bei einem
Streit über eins der Gewaltverhältniſſe war dieſer Weg nicht
ausgeſchloſſen, man mancipirte den Sklaven, das Kind, die
Frau, ohne daß dieſelben darum das Haus zu verlaſſen brauchten,
und der jetzige Innehaber der Gewalt über ſie führte in dieſer
Eigenſchaft den Proceß, deſſen Verhandlung und Entſcheidung
ſich auch in dieſer Geſtalt lediglich um das Recht des Autors
drehte. Ich kann mir denken, daß ein Mann, der auf längere
Zeit ſich von ſeinem Hauſe entfernen mußte, ebenfalls dieſen
Weg einſchlug, um den Seinigen, denen der Zutritt zu Gericht
verſperrt war, für die Zeit ſeiner Abweſenheit einen Vertreter
zu ſichern. Nur bei der Erbſchaft und der Forderung war aus
bekannten Gründen eine ſolche Uebertragung ausgeſchloſſen.
Wie bei der erſteren der Teſtator gleichwohl es erreichen konnte,
dem eingeſetzten Erben die Laſt, ſelber die Proceſſe zu führen,
zu erſparen und ſie auf andere Schultern zu legen, iſt oben mit-
getheilt. Für die Forderungsverhältniſſe blieb nichts anderes
übrig, als ſofort bei Begründung derſelben den eventuellen
Stellvertreter als Mitgläubiger (adstipulator) oder als Mit-
ſchuldner (adpromissor) heranzuziehen, 328) wenn nicht etwa der
Gegner ſelber die Hand zur Novation der ſtreitigen Forderung
bot. Dagegen ließ ſich die Acceptilation durch Mittelsperſonen
327)
328) Mit Recht erblickt man in dieſem Stellvertretungszweck das ur-
ſprüngliche hiſtoriſche Motiv der adpromissio und adstipulatio. Puchta
Curſus der Inſtitutionen II. §. 156 Note c, III. §. 277 Note z (Rudorff).
Brinz kritiſche Blätter Nr. IV. S. 19—22.
327) nöthig werden, ſo z. B. um des Falles der Verhinderung des Herrn am Er-
ſcheinen in Rom zu geſchweigen, in dem der L. 14 de man. (40. 1) .. dubi-
tationis tollendae causa ab agnato (curatore furiosi) tradendum servum,
ut ab eo, cui traditus esset, manumittatur, Octavenus ait.
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