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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Die künstlichen Mittel. §. 58.
Kindes zu vermitteln, das Kind durch das Mancipium hindurch-
führt. Von den Wirkungen des Mancipiums sollte aber bloß
die eine: die damit verknüpfte Möglichkeit der Freilassung ein-
treten; der Fiduciar, der das Kind zu Dienstleistungen hätte
zwingen wollen, würde ebensowenig rechtlichen Schutz gefunden
haben, als der Sieger bei der sponsio praejudicialis, wenn er
die versprochene Summe hätte einklagen wollen. In einer an-
dern Richtung war freilich diese Isolirungsidee bei der Emanci-
pation weniger verwerthet, als in den beiden obigen Fällen,
insbesondere bei der coemptio fiduciae causa. Während bei
letzterer die Frau, um die eine der drei Wirkungen zu erzielen,
nicht nöthig hatte, die beiden andern mit in den Kauf zu nehmen,
traten bei der Emancipation sämmtliche Wirkungen ein, selbst
wenn sie über die Absicht der Partheien weit hinausgingen, wie
dies regelmäßig mit dem Verlust des civilen Erbrechts der Fall
gewesen sein mag. Eine Emancipation lediglich für einen speciel-
len Zweck nach Art der coemptio fiduciae causa gab es nicht.
Was mag Ursache gewesen sein, daß erstere hinter letzterer so
weit zurückgeblieben ist? Ist es der Umstand, daß letztere aus
einer Zeit stammt, wo man die Scheingeschäfte bereits mit größerer
Freiheit behandelte? Mehr Wahrscheinlichkeit hat mir ein anderer
Grund. Wer durch die Emancipation dem Kinde bloß die selb-
ständige Stellung eines homo sui juris einräumen wollte, ohne
dasselbe seines Erbrechts zu berauben, hatte im Testament das
Mittel in Händen, diesen Zweck zu erreichen. In Ergänzung
des muthmaßlichen Willens des Vaters gab, wenn die Be-
nutzung dieses Mittels versäumt war, später der Prätor dem
emancipirten Kinde eine Bonorum Possessio, die also die Un-
beholfenheit der Emancipation, wenn ich so sagen darf, von
außen her verbesserte, letztere auf diejenige Wirkung beschränkte,
die in den bei weitem meisten Fällen die allein beabsichtigte war:
die Verleihung der Stellung des pater familias.

Die Spannung bei der Emancipation äußerte sich daher
nicht sowohl in ihren Wirkungen, als in der Art, wie die-

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Die künſtlichen Mittel. §. 58.
Kindes zu vermitteln, das Kind durch das Mancipium hindurch-
führt. Von den Wirkungen des Mancipiums ſollte aber bloß
die eine: die damit verknüpfte Möglichkeit der Freilaſſung ein-
treten; der Fiduciar, der das Kind zu Dienſtleiſtungen hätte
zwingen wollen, würde ebenſowenig rechtlichen Schutz gefunden
haben, als der Sieger bei der sponsio praejudicialis, wenn er
die verſprochene Summe hätte einklagen wollen. In einer an-
dern Richtung war freilich dieſe Iſolirungsidee bei der Emanci-
pation weniger verwerthet, als in den beiden obigen Fällen,
insbeſondere bei der coemptio fiduciae causa. Während bei
letzterer die Frau, um die eine der drei Wirkungen zu erzielen,
nicht nöthig hatte, die beiden andern mit in den Kauf zu nehmen,
traten bei der Emancipation ſämmtliche Wirkungen ein, ſelbſt
wenn ſie über die Abſicht der Partheien weit hinausgingen, wie
dies regelmäßig mit dem Verluſt des civilen Erbrechts der Fall
geweſen ſein mag. Eine Emancipation lediglich für einen ſpeciel-
len Zweck nach Art der coemptio fiduciae causa gab es nicht.
Was mag Urſache geweſen ſein, daß erſtere hinter letzterer ſo
weit zurückgeblieben iſt? Iſt es der Umſtand, daß letztere aus
einer Zeit ſtammt, wo man die Scheingeſchäfte bereits mit größerer
Freiheit behandelte? Mehr Wahrſcheinlichkeit hat mir ein anderer
Grund. Wer durch die Emancipation dem Kinde bloß die ſelb-
ſtändige Stellung eines homo sui juris einräumen wollte, ohne
daſſelbe ſeines Erbrechts zu berauben, hatte im Teſtament das
Mittel in Händen, dieſen Zweck zu erreichen. In Ergänzung
des muthmaßlichen Willens des Vaters gab, wenn die Be-
nutzung dieſes Mittels verſäumt war, ſpäter der Prätor dem
emancipirten Kinde eine Bonorum Possessio, die alſo die Un-
beholfenheit der Emancipation, wenn ich ſo ſagen darf, von
außen her verbeſſerte, letztere auf diejenige Wirkung beſchränkte,
die in den bei weitem meiſten Fällen die allein beabſichtigte war:
die Verleihung der Stellung des pater familias.

Die Spannung bei der Emancipation äußerte ſich daher
nicht ſowohl in ihren Wirkungen, als in der Art, wie die-

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[275/0291] Die künſtlichen Mittel. §. 58. Kindes zu vermitteln, das Kind durch das Mancipium hindurch- führt. Von den Wirkungen des Mancipiums ſollte aber bloß die eine: die damit verknüpfte Möglichkeit der Freilaſſung ein- treten; der Fiduciar, der das Kind zu Dienſtleiſtungen hätte zwingen wollen, würde ebenſowenig rechtlichen Schutz gefunden haben, als der Sieger bei der sponsio praejudicialis, wenn er die verſprochene Summe hätte einklagen wollen. In einer an- dern Richtung war freilich dieſe Iſolirungsidee bei der Emanci- pation weniger verwerthet, als in den beiden obigen Fällen, insbeſondere bei der coemptio fiduciae causa. Während bei letzterer die Frau, um die eine der drei Wirkungen zu erzielen, nicht nöthig hatte, die beiden andern mit in den Kauf zu nehmen, traten bei der Emancipation ſämmtliche Wirkungen ein, ſelbſt wenn ſie über die Abſicht der Partheien weit hinausgingen, wie dies regelmäßig mit dem Verluſt des civilen Erbrechts der Fall geweſen ſein mag. Eine Emancipation lediglich für einen ſpeciel- len Zweck nach Art der coemptio fiduciae causa gab es nicht. Was mag Urſache geweſen ſein, daß erſtere hinter letzterer ſo weit zurückgeblieben iſt? Iſt es der Umſtand, daß letztere aus einer Zeit ſtammt, wo man die Scheingeſchäfte bereits mit größerer Freiheit behandelte? Mehr Wahrſcheinlichkeit hat mir ein anderer Grund. Wer durch die Emancipation dem Kinde bloß die ſelb- ſtändige Stellung eines homo sui juris einräumen wollte, ohne daſſelbe ſeines Erbrechts zu berauben, hatte im Teſtament das Mittel in Händen, dieſen Zweck zu erreichen. In Ergänzung des muthmaßlichen Willens des Vaters gab, wenn die Be- nutzung dieſes Mittels verſäumt war, ſpäter der Prätor dem emancipirten Kinde eine Bonorum Possessio, die alſo die Un- beholfenheit der Emancipation, wenn ich ſo ſagen darf, von außen her verbeſſerte, letztere auf diejenige Wirkung beſchränkte, die in den bei weitem meiſten Fällen die allein beabſichtigte war: die Verleihung der Stellung des pater familias. Die Spannung bei der Emancipation äußerte ſich daher nicht ſowohl in ihren Wirkungen, als in der Art, wie die- 18*

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/291>, abgerufen am 21.11.2024.