Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie. zur Bekleidung des Tribunats zu erlangen, brauchte sich also zudem Zweck nur von einem Plebejer arrogiren oder, wenn er Haussohn war, adoptiren zu lassen, was wenn auch schwerlich in ältester, doch jedenfalls schon in der guten Zeit der Republik möglich war. Eine sich daran reihende im Voraus verabredete Emancipation verschaffte ihm, wenn er es wünschte, die Stellung eines pater familias. Der Preis, den er für den gewünschten Zweck einzusetzen hatte, war freilich kein geringer: Verlust des Patriciats, der sacra, des Namens und des Erbrechts; dies brachte die Consequenz jener Vorgänge mit sich. Aber gerade in der Höhe dieses Preises lag die Aufforderung, eine bequemere Form ausfindig zu machen. Dies war entweder in der Weise möglich, daß man eine ganz neue, eigens für diesen Zweck be- rechnete Form erfand, oder in der Weise, daß man an jenen durch das vorhandene Recht ermöglichten Umweg anknüpfend denselben nur zweckgemäßer gestaltete. Wer der bisherigen Aus- führung gefolgt ist, wird schwerlich darüber im Unklaren sein, welche von beiden Möglichkeiten der Weise der römischen Juristen mehr entsprach, und ebenso wenig wird sich, wenn sie sich den- noch für die erstere entschieden hätten, begreifen lassen, warum Jemand anstatt des ihm geöffneten directen Weges den in seiner früheren unvollkommenen Gestalt belassenen Umweg hätte ein- schlagen sollen. Bekanntlich wählte nun Clodius, als er des obigen Motivs Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. zur Bekleidung des Tribunats zu erlangen, brauchte ſich alſo zudem Zweck nur von einem Plebejer arrogiren oder, wenn er Hausſohn war, adoptiren zu laſſen, was wenn auch ſchwerlich in älteſter, doch jedenfalls ſchon in der guten Zeit der Republik möglich war. Eine ſich daran reihende im Voraus verabredete Emancipation verſchaffte ihm, wenn er es wünſchte, die Stellung eines pater familias. Der Preis, den er für den gewünſchten Zweck einzuſetzen hatte, war freilich kein geringer: Verluſt des Patriciats, der sacra, des Namens und des Erbrechts; dies brachte die Conſequenz jener Vorgänge mit ſich. Aber gerade in der Höhe dieſes Preiſes lag die Aufforderung, eine bequemere Form ausfindig zu machen. Dies war entweder in der Weiſe möglich, daß man eine ganz neue, eigens für dieſen Zweck be- rechnete Form erfand, oder in der Weiſe, daß man an jenen durch das vorhandene Recht ermöglichten Umweg anknüpfend denſelben nur zweckgemäßer geſtaltete. Wer der bisherigen Aus- führung gefolgt iſt, wird ſchwerlich darüber im Unklaren ſein, welche von beiden Möglichkeiten der Weiſe der römiſchen Juriſten mehr entſprach, und ebenſo wenig wird ſich, wenn ſie ſich den- noch für die erſtere entſchieden hätten, begreifen laſſen, warum Jemand anſtatt des ihm geöffneten directen Weges den in ſeiner früheren unvollkommenen Geſtalt belaſſenen Umweg hätte ein- ſchlagen ſollen. Bekanntlich wählte nun Clodius, als er des obigen Motivs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0296" n="280"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III. 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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
zur Bekleidung des Tribunats zu erlangen, brauchte ſich alſo zu
dem Zweck nur von einem Plebejer arrogiren oder, wenn er
Hausſohn war, adoptiren zu laſſen, was wenn auch ſchwerlich
in älteſter, doch jedenfalls ſchon in der guten Zeit der Republik
möglich war. Eine ſich daran reihende im Voraus verabredete
Emancipation verſchaffte ihm, wenn er es wünſchte, die Stellung
eines pater familias. Der Preis, den er für den gewünſchten
Zweck einzuſetzen hatte, war freilich kein geringer: Verluſt des
Patriciats, der sacra, des Namens und des Erbrechts; dies
brachte die Conſequenz jener Vorgänge mit ſich. Aber gerade in
der Höhe dieſes Preiſes lag die Aufforderung, eine bequemere
Form ausfindig zu machen. Dies war entweder in der Weiſe
möglich, daß man eine ganz neue, eigens für dieſen Zweck be-
rechnete Form erfand, oder in der Weiſe, daß man an jenen
durch das vorhandene Recht ermöglichten Umweg anknüpfend
denſelben nur zweckgemäßer geſtaltete. Wer der bisherigen Aus-
führung gefolgt iſt, wird ſchwerlich darüber im Unklaren ſein,
welche von beiden Möglichkeiten der Weiſe der römiſchen Juriſten
mehr entſprach, und ebenſo wenig wird ſich, wenn ſie ſich den-
noch für die erſtere entſchieden hätten, begreifen laſſen, warum
Jemand anſtatt des ihm geöffneten directen Weges den in ſeiner
früheren unvollkommenen Geſtalt belaſſenen Umweg hätte ein-
ſchlagen ſollen.
Bekanntlich wählte nun Clodius, als er des obigen Motivs
wegen zur Plebs überzutreten beſchloß, den letztern Weg; er ließ
ſich von einem Plebejer, dem Fontejus, arrogiren und ſodann
emancipiren. Ueber den Zweck dieſer Maßregel konnte Niemand
im Unklaren ſein, ganz Rom kannte ihn und ſo auch die Pon-
tifices, die dabei mitzuwirken hatten. Zum Ueberfluß, um die
Nichternſtlichkeit der Arrogation noch augenfälliger zu machen,
war als Figurant ein Mann gewählt, jünger an Jahren, als
der zu Arrogirende! Wenn nun gleichwohl die Pontifices ihre
Beihülfe nicht verſagten, ſo läßt das die doppelte Deutung zu:
entweder die einer mit der Ernſtlichkeit, mit der ſie ſonſt die
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