Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Die künstlichen Mittel. §. 58. Bedingungen der Arrogation prüften, wenig in Einklang stehen-den Connivenz bei einem, wie Mommsen selber ihn bezeich- net, "dem Wesen der Adoption widerstreitenden Willkühract" -- einer Connivenz, die ihnen durch die Wahl eines ältern Ar- rogators jedenfalls hätte erleichtert werden können --, oder aber die einer ihnen amtlich obliegenden Mitwirkung zu einem Schein- geschäft in unserm Sinn. Die Gründe, die für die letztere Deutung geltend gemacht worden sind, haben für mich ganz überzeugende Kraft. Clodius behielt seinen patricischen Namen bei und nahm nicht, wie es bei wirklichen Adoptionen üblich, den des Adoptivvaters an, ebenso verblieben ihm seine sacra und sein civiles Erbrecht402) -- alles ganz erklärlich bei der zwei- ten, unerklärlich bei der ersten Annahme. Wenn die Pontifices die Wirkung der den Uebertritt zur Plebs vermittelnden Schein- arrogation lediglich auf diesen ihren einzigen Zweck beschränkten und die übrigen Wirkungen, welche über ihn hinausgingen, fallen ließen, so verfuhren sie dabei nicht anders, als, wie oben gezeigt, bei den meisten andern Scheingeschäften, und die arrogatio fiduciae causa zum Zweck der transitio ad plebem findet ins- besondere an der coemptio fiduciae causa in ihrer oben be- schriebenen Gestalt ein Seitenstück, das nichts zu wünschen übrig läßt, und das allein schon ausreicht, die Einwendungen, die vom Standpunkt der "römisch-juristischen Logik" aus gegen jene Ansicht erhoben sind, zu entkräften. Bei den Scheingeschäften bestand die Logik des römischen Rechts meiner Auffassung nach gerade darin, daß es die unbequeme Logik ausschloß, die Logik des Zwecks über die der Mittel setzte. Von diesem Standpunkt aus erklärt es sich auch, warum in 402) Lange in der citirten Schrift S. 33--38, S. 42--48.
Die künſtlichen Mittel. §. 58. Bedingungen der Arrogation prüften, wenig in Einklang ſtehen-den Connivenz bei einem, wie Mommſen ſelber ihn bezeich- net, „dem Weſen der Adoption widerſtreitenden Willkühract“ — einer Connivenz, die ihnen durch die Wahl eines ältern Ar- rogators jedenfalls hätte erleichtert werden können —, oder aber die einer ihnen amtlich obliegenden Mitwirkung zu einem Schein- geſchäft in unſerm Sinn. Die Gründe, die für die letztere Deutung geltend gemacht worden ſind, haben für mich ganz überzeugende Kraft. Clodius behielt ſeinen patriciſchen Namen bei und nahm nicht, wie es bei wirklichen Adoptionen üblich, den des Adoptivvaters an, ebenſo verblieben ihm ſeine sacra und ſein civiles Erbrecht402) — alles ganz erklärlich bei der zwei- ten, unerklärlich bei der erſten Annahme. Wenn die Pontifices die Wirkung der den Uebertritt zur Plebs vermittelnden Schein- arrogation lediglich auf dieſen ihren einzigen Zweck beſchränkten und die übrigen Wirkungen, welche über ihn hinausgingen, fallen ließen, ſo verfuhren ſie dabei nicht anders, als, wie oben gezeigt, bei den meiſten andern Scheingeſchäften, und die arrogatio fiduciae causa zum Zweck der transitio ad plebem findet ins- beſondere an der coemptio fiduciae causa in ihrer oben be- ſchriebenen Geſtalt ein Seitenſtück, das nichts zu wünſchen übrig läßt, und das allein ſchon ausreicht, die Einwendungen, die vom Standpunkt der „römiſch-juriſtiſchen Logik“ aus gegen jene Anſicht erhoben ſind, zu entkräften. Bei den Scheingeſchäften beſtand die Logik des römiſchen Rechts meiner Auffaſſung nach gerade darin, daß es die unbequeme Logik ausſchloß, die Logik des Zwecks über die der Mittel ſetzte. Von dieſem Standpunkt aus erklärt es ſich auch, warum in 402) Lange in der citirten Schrift S. 33—38, S. 42—48.
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Die künſtlichen Mittel. §. 58.
Bedingungen der Arrogation prüften, wenig in Einklang ſtehen-
den Connivenz bei einem, wie Mommſen ſelber ihn bezeich-
net, „dem Weſen der Adoption widerſtreitenden Willkühract“
— einer Connivenz, die ihnen durch die Wahl eines ältern Ar-
rogators jedenfalls hätte erleichtert werden können —, oder aber
die einer ihnen amtlich obliegenden Mitwirkung zu einem Schein-
geſchäft in unſerm Sinn. Die Gründe, die für die letztere
Deutung geltend gemacht worden ſind, haben für mich ganz
überzeugende Kraft. Clodius behielt ſeinen patriciſchen Namen
bei und nahm nicht, wie es bei wirklichen Adoptionen üblich,
den des Adoptivvaters an, ebenſo verblieben ihm ſeine sacra
und ſein civiles Erbrecht 402) — alles ganz erklärlich bei der zwei-
ten, unerklärlich bei der erſten Annahme. Wenn die Pontifices
die Wirkung der den Uebertritt zur Plebs vermittelnden Schein-
arrogation lediglich auf dieſen ihren einzigen Zweck beſchränkten
und die übrigen Wirkungen, welche über ihn hinausgingen,
fallen ließen, ſo verfuhren ſie dabei nicht anders, als, wie oben
gezeigt, bei den meiſten andern Scheingeſchäften, und die arrogatio
fiduciae causa zum Zweck der transitio ad plebem findet ins-
beſondere an der coemptio fiduciae causa in ihrer oben be-
ſchriebenen Geſtalt ein Seitenſtück, das nichts zu wünſchen übrig
läßt, und das allein ſchon ausreicht, die Einwendungen, die
vom Standpunkt der „römiſch-juriſtiſchen Logik“ aus gegen jene
Anſicht erhoben ſind, zu entkräften. Bei den Scheingeſchäften
beſtand die Logik des römiſchen Rechts meiner Auffaſſung nach
gerade darin, daß es die unbequeme Logik ausſchloß, die Logik
des Zwecks über die der Mittel ſetzte.
Von dieſem Standpunkt aus erklärt es ſich auch, warum in
dem obigen Fall ein Mann, jünger an Jahren, als der zu Arro-
girende, die Rolle des Adoptivvaters übernahm — es ließ ſich
kein beſſerer Proteſt gegen die Ernſtlichkeit der Arrogation denken,
402) Lange in der citirten Schrift S. 33—38, S. 42—48.
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