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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie.
umgekommen wäre, daran gedacht haben würde, das Testament,
das er vorher errichtet hatte, für hinfällig zu erklären und sein
Vermögen als Pekulium dem Trajan zuzusprechen? Ich möchte
es bezweifeln! Im dritten Jahrhundert fiel endlich selbst die
formelle Anknüpfung an die Adoption hinweg. Die Ernennung
erfolgte durch Patent, welches den Titel eines Caesar verlieh,
und der Akt selber wird als Verleihung des caesarianum nomen
bezeichnet.412)

In dem so eben behandelten Fall besitzen wir, so viel mir
bekannt, das späteste Scheingeschäft, das die Geschichte des
römischen Rechts aufzuweisen hat. Die Technik der klassischen
Zeit konnte derartiger künstlicher Mittel, mit denen die Juris-
prudenz in ihrer Jugendzeit sich beholfen hatte, entrathen; die
vorhandenen Scheingeschäfte erhielten sich noch zum Theil, aber
von neuentstandenen thut die Geschichte uns keine Meldung
mehr. -- Die Periode der Scheingeschäfte war vorüber!


Die Fictionen haben sich in neuester Zeit einer regen Be-
arbeitung zu erfreuen gehabt,413) es will mir aber scheinen, als
ob man stellenweis ihre Bedeutung nicht wenig überschätzt
habe,414) und als ob bereits Savigny415) mit wenig Worten

412) So schon zur Zeit des Commodus. Capitol. Clod. Albinus c. 2:
literas dederat, quibus jusserat ut Caesar esset ... Alias ad te publice
de successore atque honore dedi etc.
Auf die Adoption wird hier
nicht die leiseste Anspielung gemacht. Id. c. 3: donantem me Caesariano
nomine.
413) Kuntze, Die Obligation und die Singularsuccession (1856)
S. 87--90 S. 377 fl. Köppen, Die Erbschaft (1856) S. 6--9. Ber-
ger,
Kritische Beiträge zur Theorie des österr. allgemeinen Privatrechts
(1856) S. 71--95. Demelius, Die Rechtsfiction (1858).
414) So z. B. Kuntze, der "in diesem wundersamen Reich der Fiktionen
ein dämonisches Walten" wahrnimmt. Auch Berger sucht meines Erachtens
zu viel hinter ihnen.
415) Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Aufl. 3
S. 32.

Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
umgekommen wäre, daran gedacht haben würde, das Teſtament,
das er vorher errichtet hatte, für hinfällig zu erklären und ſein
Vermögen als Pekulium dem Trajan zuzuſprechen? Ich möchte
es bezweifeln! Im dritten Jahrhundert fiel endlich ſelbſt die
formelle Anknüpfung an die Adoption hinweg. Die Ernennung
erfolgte durch Patent, welches den Titel eines Caesar verlieh,
und der Akt ſelber wird als Verleihung des caesarianum nomen
bezeichnet.412)

In dem ſo eben behandelten Fall beſitzen wir, ſo viel mir
bekannt, das ſpäteſte Scheingeſchäft, das die Geſchichte des
römiſchen Rechts aufzuweiſen hat. Die Technik der klaſſiſchen
Zeit konnte derartiger künſtlicher Mittel, mit denen die Juris-
prudenz in ihrer Jugendzeit ſich beholfen hatte, entrathen; die
vorhandenen Scheingeſchäfte erhielten ſich noch zum Theil, aber
von neuentſtandenen thut die Geſchichte uns keine Meldung
mehr. — Die Periode der Scheingeſchäfte war vorüber!


Die Fictionen haben ſich in neueſter Zeit einer regen Be-
arbeitung zu erfreuen gehabt,413) es will mir aber ſcheinen, als
ob man ſtellenweis ihre Bedeutung nicht wenig überſchätzt
habe,414) und als ob bereits Savigny415) mit wenig Worten

412) So ſchon zur Zeit des Commodus. Capitol. Clod. Albinus c. 2:
literas dederat, quibus jusserat ut Caesar esset … Alias ad te publice
de successore atque honore dedi etc.
Auf die Adoption wird hier
nicht die leiſeſte Anſpielung gemacht. Id. c. 3: donantem me Caesariano
nomine.
413) Kuntze, Die Obligation und die Singularſucceſſion (1856)
S. 87—90 S. 377 fl. Köppen, Die Erbſchaft (1856) S. 6—9. Ber-
ger,
Kritiſche Beiträge zur Theorie des öſterr. allgemeinen Privatrechts
(1856) S. 71—95. Demelius, Die Rechtsfiction (1858).
414) So z. B. Kuntze, der „in dieſem wunderſamen Reich der Fiktionen
ein dämoniſches Walten“ wahrnimmt. Auch Berger ſucht meines Erachtens
zu viel hinter ihnen.
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S. 32.
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[284/0300] Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. umgekommen wäre, daran gedacht haben würde, das Teſtament, das er vorher errichtet hatte, für hinfällig zu erklären und ſein Vermögen als Pekulium dem Trajan zuzuſprechen? Ich möchte es bezweifeln! Im dritten Jahrhundert fiel endlich ſelbſt die formelle Anknüpfung an die Adoption hinweg. Die Ernennung erfolgte durch Patent, welches den Titel eines Caesar verlieh, und der Akt ſelber wird als Verleihung des caesarianum nomen bezeichnet. 412) In dem ſo eben behandelten Fall beſitzen wir, ſo viel mir bekannt, das ſpäteſte Scheingeſchäft, das die Geſchichte des römiſchen Rechts aufzuweiſen hat. Die Technik der klaſſiſchen Zeit konnte derartiger künſtlicher Mittel, mit denen die Juris- prudenz in ihrer Jugendzeit ſich beholfen hatte, entrathen; die vorhandenen Scheingeſchäfte erhielten ſich noch zum Theil, aber von neuentſtandenen thut die Geſchichte uns keine Meldung mehr. — Die Periode der Scheingeſchäfte war vorüber! Die Fictionen haben ſich in neueſter Zeit einer regen Be- arbeitung zu erfreuen gehabt, 413) es will mir aber ſcheinen, als ob man ſtellenweis ihre Bedeutung nicht wenig überſchätzt habe, 414) und als ob bereits Savigny 415) mit wenig Worten 412) So ſchon zur Zeit des Commodus. Capitol. Clod. Albinus c. 2: literas dederat, quibus jusserat ut Caesar esset … Alias ad te publice de successore atque honore dedi etc. Auf die Adoption wird hier nicht die leiſeſte Anſpielung gemacht. Id. c. 3: donantem me Caesariano nomine. 413) Kuntze, Die Obligation und die Singularſucceſſion (1856) S. 87—90 S. 377 fl. Köppen, Die Erbſchaft (1856) S. 6—9. Ber- ger, Kritiſche Beiträge zur Theorie des öſterr. allgemeinen Privatrechts (1856) S. 71—95. Demelius, Die Rechtsfiction (1858). 414) So z. B. Kuntze, der „in dieſem wunderſamen Reich der Fiktionen ein dämoniſches Walten“ wahrnimmt. Auch Berger ſucht meines Erachtens zu viel hinter ihnen. 415) Beruf unſerer Zeit für Geſetzgebung und Rechtswiſſenſchaft. Aufl. 3 S. 32.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/300>, abgerufen am 21.11.2024.