Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. B. Die juristische Oekonomie. selten bilden sie den Inhalt eines besondern Privilegiums,422)-- eine technische Bedeutung können sie nicht in Anspruch nehmen. Für das zweite Verhältniß ist der Ausdruck: Fictionen all- Kehren wir zu letzterer zurück. Die Fiction in diesem auch von einer Fiction sprechen, wenn ein Miether die Wohnung "zu den- selben Bedingungen, wie sein Vorgänger" miethet -- es ist eine Erleichterung für den Abschreiber, nichts weiter. 422) So in Rom z. B. das jus liberorum, welches die kinderlose Frau
in Bezug auf die Capacitätsbestimmungen der Frau mit Kindern gleichstellte, die restitutio natalium, welche dem Freigelassenen die Stellung des Frei- gebornen einräumte. Ob dabei die Wendung gebraucht wird, "ebenso, als ob sie Kinder hätte, als ob er freigeboren wäre" (L. 5 §. 1 de nat. rest. 40. 11), verschlägt Nichts. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie. ſelten bilden ſie den Inhalt eines beſondern Privilegiums,422)— eine techniſche Bedeutung können ſie nicht in Anſpruch nehmen. Für das zweite Verhältniß iſt der Ausdruck: Fictionen all- Kehren wir zu letzterer zurück. Die Fiction in dieſem auch von einer Fiction ſprechen, wenn ein Miether die Wohnung „zu den- ſelben Bedingungen, wie ſein Vorgänger“ miethet — es iſt eine Erleichterung für den Abſchreiber, nichts weiter. 422) So in Rom z. B. das jus liberorum, welches die kinderloſe Frau
in Bezug auf die Capacitätsbeſtimmungen der Frau mit Kindern gleichſtellte, die restitutio natalium, welche dem Freigelaſſenen die Stellung des Frei- gebornen einräumte. Ob dabei die Wendung gebraucht wird, „ebenſo, als ob ſie Kinder hätte, als ob er freigeboren wäre“ (L. 5 §. 1 de nat. rest. 40. 11), verſchlägt Nichts. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0306" n="290"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III. B.</hi> Die juriſtiſche Oekonomie.</fw><lb/> ſelten bilden ſie den Inhalt eines beſondern Privilegiums,<note place="foot" n="422)">So in Rom z. B. das <hi rendition="#aq">jus liberorum,</hi> welches die kinderloſe Frau<lb/> in Bezug auf die Capacitätsbeſtimmungen der Frau mit Kindern gleichſtellte,<lb/> die <hi rendition="#aq">restitutio natalium,</hi> welche dem Freigelaſſenen die Stellung des Frei-<lb/> gebornen einräumte. Ob dabei die Wendung gebraucht wird, „<hi rendition="#g">ebenſo,<lb/> als ob</hi> ſie Kinder hätte, als ob er freigeboren wäre“ (<hi rendition="#aq">L. 5 §. 1 de nat.<lb/> rest.</hi> 40. 11), verſchlägt Nichts.</note><lb/> — eine techniſche Bedeutung können ſie nicht in Anſpruch<lb/> nehmen.</p><lb/> <p>Für das zweite Verhältniß iſt der Ausdruck: Fictionen all-<lb/> gemein eingebürgert, und ich will dem Sprachgebrauch nicht<lb/> entgegentreten, es genügt mir, die Verſchiedenheit deſſelben von<lb/> der oben geſchilderten Function der Fiction zu conſtatiren. Die<lb/> Exiſtenz der juriſtiſchen Perſon, ſo lehrt man, beruht nicht auf<lb/> natürlichem Daſein, ſondern auf Fiction. Und in der That<lb/> richtet dieſe Fiction an unſere Vorſtellung ganz dieſelbe Auf-<lb/> forderung, wie die obigen: ſich nämlich das thatſächliche Ver-<lb/> hältniß anders zu denken, als es wirklich iſt, ſtatt der einzelnen<lb/> Mitglieder der Zunft ſich ein gedachtes Weſen: die Zunft, als<lb/> Subject vorzuſtellen. Aber der Zweck der Fiction iſt hier nicht<lb/> Erleichterung der Anknüpfung eines neuen Rechtsſatzes an das<lb/> bisherige Recht, ſondern Erleichterung der juriſtiſchen Vor-<lb/> ſtellung. Die Betrachtung dieſer <hi rendition="#g">dogmatiſchen</hi> Function der<lb/> Fiction liegt außerhalb der Gränzen unſerer gegenwärtigen Auf-<lb/> gabe, ſie hatte lediglich das negative Intereſſe für uns, den<lb/> ſtörenden Einfluß, den ſie auf die richtige Erfaſſung der obigen<lb/><hi rendition="#g">hiſtoriſchen</hi> Function derſelben ausüben konnte, fern zu<lb/> halten.</p><lb/> <p>Kehren wir zu letzterer zurück. Die Fiction in <hi rendition="#g">dieſem</hi><lb/> Sinn iſt ein Seitenſtück zum Scheingeſchäft, nicht ſelten ſogar,<lb/> um einen frühern (B. 2 S. 408) Ausdruck zu wiederholen, das<lb/><note xml:id="seg2pn_24_2" prev="#seg2pn_24_1" place="foot" n="421)">auch von einer Fiction ſprechen, wenn ein Miether die Wohnung „zu den-<lb/> ſelben Bedingungen, wie ſein Vorgänger“ miethet — es iſt eine Erleichterung<lb/> für den Abſchreiber, nichts weiter.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0306]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. B. Die juriſtiſche Oekonomie.
ſelten bilden ſie den Inhalt eines beſondern Privilegiums, 422)
— eine techniſche Bedeutung können ſie nicht in Anſpruch
nehmen.
Für das zweite Verhältniß iſt der Ausdruck: Fictionen all-
gemein eingebürgert, und ich will dem Sprachgebrauch nicht
entgegentreten, es genügt mir, die Verſchiedenheit deſſelben von
der oben geſchilderten Function der Fiction zu conſtatiren. Die
Exiſtenz der juriſtiſchen Perſon, ſo lehrt man, beruht nicht auf
natürlichem Daſein, ſondern auf Fiction. Und in der That
richtet dieſe Fiction an unſere Vorſtellung ganz dieſelbe Auf-
forderung, wie die obigen: ſich nämlich das thatſächliche Ver-
hältniß anders zu denken, als es wirklich iſt, ſtatt der einzelnen
Mitglieder der Zunft ſich ein gedachtes Weſen: die Zunft, als
Subject vorzuſtellen. Aber der Zweck der Fiction iſt hier nicht
Erleichterung der Anknüpfung eines neuen Rechtsſatzes an das
bisherige Recht, ſondern Erleichterung der juriſtiſchen Vor-
ſtellung. Die Betrachtung dieſer dogmatiſchen Function der
Fiction liegt außerhalb der Gränzen unſerer gegenwärtigen Auf-
gabe, ſie hatte lediglich das negative Intereſſe für uns, den
ſtörenden Einfluß, den ſie auf die richtige Erfaſſung der obigen
hiſtoriſchen Function derſelben ausüben konnte, fern zu
halten.
Kehren wir zu letzterer zurück. Die Fiction in dieſem
Sinn iſt ein Seitenſtück zum Scheingeſchäft, nicht ſelten ſogar,
um einen frühern (B. 2 S. 408) Ausdruck zu wiederholen, das
421)
422) So in Rom z. B. das jus liberorum, welches die kinderloſe Frau
in Bezug auf die Capacitätsbeſtimmungen der Frau mit Kindern gleichſtellte,
die restitutio natalium, welche dem Freigelaſſenen die Stellung des Frei-
gebornen einräumte. Ob dabei die Wendung gebraucht wird, „ebenſo,
als ob ſie Kinder hätte, als ob er freigeboren wäre“ (L. 5 §. 1 de nat.
rest. 40. 11), verſchlägt Nichts.
421) auch von einer Fiction ſprechen, wenn ein Miether die Wohnung „zu den-
ſelben Bedingungen, wie ſein Vorgänger“ miethet — es iſt eine Erleichterung
für den Abſchreiber, nichts weiter.
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