Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. der schlechthin verbindlichen Kraft promissorischer Eide einenverschärften Ausdruck fand, war dem römischen Recht zu allen Zeiten völlig fremd. In sorgsamster Weise war dasselbe be- dacht, dieser Selbstvernichtung der Freiheit vorzubeugen (§. 33), und den Grund dazu legte es in der Gestaltung des Rechtsbe- griffs. Die Rechte sind nicht dazu da, um die Idee des ab- stracten "Rechtswillens" zu verwirklichen, sondern um den In- teressen, Bedürfnissen, Zwecken des Verkehrs zu dienen. In diesem Zweck finden sie, findet der Wille sein Maß und Ziel. Verträge, die mit diesem Maßstab gemessen des Interesses ent- behren, sind nichtig, aus ihnen entsteht weder eine Servitut, 443) noch eine Obligation 444); die Rechte gewähren nichts Unnützes, der Nutzen, nicht der Wille ist die Substanz des Rechts. Doch dies führt uns bereits auf den positiven Theil unserer Zwei Momente sind es, die den Begriff des Rechts consti- 443) Der Grundsatz und Beispiele in L. 15 de servit. (8. 1). 444) Beispiele in L. 61 de pact. (2. 14). Nur eine Ausnahme lassen
die römischen Juristen zu, die aber gerade von einem ungemein feinen Takt zeugt. Der Eigenthümer kann als solcher in der Verwendung der Sache sich durch rein individuelle Launen leiten lassen, und dasselbe verstattete man ihm bei Veräußerung der Sache rücksichtlich der Auflagen, die er dem Käufer zu machen für gut findet, gleich als ob es sich hier um Zurückbehaltung von unnützen Eigenthumsbestandtheilen handle. Für Servituten spricht diesen Grundsatz aus L. 19 de serv. (8. 1), .. quem quis vendat, für Verträge die L. 11 de relig. (11. 7) .. venierit und L. ult. Cod. de pact. int. emt. (4. 54) .. in venditionis vel alienationis contractu, wo- mit der scheinbare Widerspruch mit L. 61 cit. verschwindet. Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. der ſchlechthin verbindlichen Kraft promiſſoriſcher Eide einenverſchärften Ausdruck fand, war dem römiſchen Recht zu allen Zeiten völlig fremd. In ſorgſamſter Weiſe war daſſelbe be- dacht, dieſer Selbſtvernichtung der Freiheit vorzubeugen (§. 33), und den Grund dazu legte es in der Geſtaltung des Rechtsbe- griffs. Die Rechte ſind nicht dazu da, um die Idee des ab- ſtracten „Rechtswillens“ zu verwirklichen, ſondern um den In- tereſſen, Bedürfniſſen, Zwecken des Verkehrs zu dienen. In dieſem Zweck finden ſie, findet der Wille ſein Maß und Ziel. Verträge, die mit dieſem Maßſtab gemeſſen des Intereſſes ent- behren, ſind nichtig, aus ihnen entſteht weder eine Servitut, 443) noch eine Obligation 444); die Rechte gewähren nichts Unnützes, der Nutzen, nicht der Wille iſt die Subſtanz des Rechts. Doch dies führt uns bereits auf den poſitiven Theil unſerer Zwei Momente ſind es, die den Begriff des Rechts conſti- 443) Der Grundſatz und Beiſpiele in L. 15 de servit. (8. 1). 444) Beiſpiele in L. 61 de pact. (2. 14). Nur eine Ausnahme laſſen
die römiſchen Juriſten zu, die aber gerade von einem ungemein feinen Takt zeugt. Der Eigenthümer kann als ſolcher in der Verwendung der Sache ſich durch rein individuelle Launen leiten laſſen, und daſſelbe verſtattete man ihm bei Veräußerung der Sache rückſichtlich der Auflagen, die er dem Käufer zu machen für gut findet, gleich als ob es ſich hier um Zurückbehaltung von unnützen Eigenthumsbeſtandtheilen handle. Für Servituten ſpricht dieſen Grundſatz aus L. 19 de serv. (8. 1), .. quem quis vendat, für Verträge die L. 11 de relig. (11. 7) .. venierit und L. ult. Cod. de pact. int. emt. (4. 54) .. in venditionis vel alienationis contractu, wo- mit der ſcheinbare Widerſpruch mit L. 61 cit. verſchwindet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0332" n="316"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.</fw><lb/> der ſchlechthin verbindlichen Kraft promiſſoriſcher Eide einen<lb/> verſchärften Ausdruck fand, war dem römiſchen Recht zu allen<lb/> Zeiten völlig fremd. In ſorgſamſter Weiſe war daſſelbe be-<lb/> dacht, dieſer Selbſtvernichtung der Freiheit vorzubeugen (§. 33),<lb/> und den Grund dazu legte es in der Geſtaltung des Rechtsbe-<lb/> griffs. Die Rechte ſind nicht dazu da, um die Idee des ab-<lb/> ſtracten „Rechtswillens“ zu verwirklichen, ſondern um den In-<lb/> tereſſen, Bedürfniſſen, Zwecken des Verkehrs zu dienen. In<lb/> dieſem Zweck finden ſie, findet der Wille ſein Maß und Ziel.<lb/> Verträge, die mit dieſem Maßſtab gemeſſen des Intereſſes ent-<lb/> behren, ſind nichtig, aus ihnen entſteht weder eine Servitut, <note place="foot" n="443)">Der Grundſatz und Beiſpiele in <hi rendition="#aq">L. 15 de servit.</hi> (8. 1).</note><lb/> noch eine Obligation <note place="foot" n="444)">Beiſpiele in <hi rendition="#aq">L. 61 de pact.</hi> (2. 14). Nur <hi rendition="#g">eine</hi> Ausnahme laſſen<lb/> die römiſchen Juriſten zu, die aber gerade von einem ungemein feinen Takt<lb/> zeugt. Der Eigenthümer kann als ſolcher in der Verwendung der Sache ſich<lb/> durch rein individuelle Launen leiten laſſen, und daſſelbe verſtattete man ihm<lb/> bei Veräußerung der Sache rückſichtlich der Auflagen, die er dem Käufer zu<lb/> machen für gut findet, gleich als ob es ſich hier um Zurückbehaltung von<lb/> unnützen Eigenthumsbeſtandtheilen handle. Für Servituten ſpricht dieſen<lb/> Grundſatz aus <hi rendition="#aq">L. 19 de serv.</hi> (8. 1), .. <hi rendition="#aq">quem quis <hi rendition="#g">vendat</hi>,</hi> für Verträge<lb/> die <hi rendition="#aq">L. 11 de relig. (11. 7) .. <hi rendition="#g">venierit</hi></hi> und <hi rendition="#aq">L. ult. Cod. de pact. int.<lb/> emt. (4. 54) .. in <hi rendition="#g">venditionis</hi> vel <hi rendition="#g">alienationis</hi> contractu,</hi> wo-<lb/> mit der ſcheinbare Widerſpruch mit <hi rendition="#aq">L. 61 cit.</hi> verſchwindet.</note>; die Rechte gewähren nichts Unnützes,<lb/> der <hi rendition="#g">Nutzen</hi>, nicht der <hi rendition="#g">Wille</hi> iſt die Subſtanz des Rechts.</p><lb/> <p>Doch dies führt uns bereits auf den poſitiven Theil unſerer<lb/> Aufgabe. Es wird verſtattet ſein, den negativen in den Satz<lb/> zuſammenzufaſſen:<lb/><hi rendition="#et">der Wille iſt nicht der Zweck und die bewegende Kraft<lb/> der Rechte; der Willens- und Machtbegriff iſt nicht<lb/> im Stande, das praktiſche Verſtändniß der Rechte zu<lb/> erſchließen.</hi></p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Zwei Momente ſind es, die den Begriff des Rechts conſti-<lb/> tuiren, ein <hi rendition="#g">ſubſtantielles</hi>, in dem der praktiſche Zweck deſ-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [316/0332]
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
der ſchlechthin verbindlichen Kraft promiſſoriſcher Eide einen
verſchärften Ausdruck fand, war dem römiſchen Recht zu allen
Zeiten völlig fremd. In ſorgſamſter Weiſe war daſſelbe be-
dacht, dieſer Selbſtvernichtung der Freiheit vorzubeugen (§. 33),
und den Grund dazu legte es in der Geſtaltung des Rechtsbe-
griffs. Die Rechte ſind nicht dazu da, um die Idee des ab-
ſtracten „Rechtswillens“ zu verwirklichen, ſondern um den In-
tereſſen, Bedürfniſſen, Zwecken des Verkehrs zu dienen. In
dieſem Zweck finden ſie, findet der Wille ſein Maß und Ziel.
Verträge, die mit dieſem Maßſtab gemeſſen des Intereſſes ent-
behren, ſind nichtig, aus ihnen entſteht weder eine Servitut, 443)
noch eine Obligation 444); die Rechte gewähren nichts Unnützes,
der Nutzen, nicht der Wille iſt die Subſtanz des Rechts.
Doch dies führt uns bereits auf den poſitiven Theil unſerer
Aufgabe. Es wird verſtattet ſein, den negativen in den Satz
zuſammenzufaſſen:
der Wille iſt nicht der Zweck und die bewegende Kraft
der Rechte; der Willens- und Machtbegriff iſt nicht
im Stande, das praktiſche Verſtändniß der Rechte zu
erſchließen.
Zwei Momente ſind es, die den Begriff des Rechts conſti-
tuiren, ein ſubſtantielles, in dem der praktiſche Zweck deſ-
443) Der Grundſatz und Beiſpiele in L. 15 de servit. (8. 1).
444) Beiſpiele in L. 61 de pact. (2. 14). Nur eine Ausnahme laſſen
die römiſchen Juriſten zu, die aber gerade von einem ungemein feinen Takt
zeugt. Der Eigenthümer kann als ſolcher in der Verwendung der Sache ſich
durch rein individuelle Launen leiten laſſen, und daſſelbe verſtattete man ihm
bei Veräußerung der Sache rückſichtlich der Auflagen, die er dem Käufer zu
machen für gut findet, gleich als ob es ſich hier um Zurückbehaltung von
unnützen Eigenthumsbeſtandtheilen handle. Für Servituten ſpricht dieſen
Grundſatz aus L. 19 de serv. (8. 1), .. quem quis vendat, für Verträge
die L. 11 de relig. (11. 7) .. venierit und L. ult. Cod. de pact. int.
emt. (4. 54) .. in venditionis vel alienationis contractu, wo-
mit der ſcheinbare Widerſpruch mit L. 61 cit. verſchwindet.
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