Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.I. Substant. Moment des Rechts. -- Gut, Werth u. s. w. §. 60. selben liegt, nämlich der Nutzen, Vortheil, Gewinn, der durchdas Recht gewährleistet werden soll, und ein formales, wel- ches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage. Ersteres ist der Kern, letzteres die schützende Schale des Rechts. Jenes für sich allein begründet lediglich einen thatsächlichen Zustand des Nutzens oder Genusses (faktisches Interesse), der jeder Zeit ohne weitere Folgen von Jedem, der dazu thatsächlich in der Lage ist, aufgehoben werden kann. 445) Den Charakter der Zufälligkeit, Hinfällig- keit verliert dieser Zustand erst dadurch, daß das Gesetz ihn un- ter seinen Schutz nimmt, der Genuß oder die Aussicht auf den- selben wird dadurch ein gesicherter: ein Recht. Der Begriff des Rechts beruht also auf der rechtlichen Sicherheit des Ge- nusses, Rechte sind rechtlich geschützte Interessen. Das erste Moment, dem wir zunächst unsere Aufmerksamkeit Jedes Recht des Privatrechts ist dazu da, daß es dem Men- 445) L. 26 de damno inf. (39. 2) non videri damnum facere (d. i. einen Schaden im Sinn des Rechts zu erleiden) qui eo veluti lucro, quo adhuc utebatur, prohibetur. 446) L. 28 §. 1 de usur. (22. 1) .. omnes fructus natura hominum
causa comparavit. §. 12 I. de J. N. (1. 2). I. Subſtant. Moment des Rechts. — Gut, Werth u. ſ. w. §. 60. ſelben liegt, nämlich der Nutzen, Vortheil, Gewinn, der durchdas Recht gewährleiſtet werden ſoll, und ein formales, wel- ches ſich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsſchutz, die Klage. Erſteres iſt der Kern, letzteres die ſchützende Schale des Rechts. Jenes für ſich allein begründet lediglich einen thatſächlichen Zuſtand des Nutzens oder Genuſſes (faktiſches Intereſſe), der jeder Zeit ohne weitere Folgen von Jedem, der dazu thatſächlich in der Lage iſt, aufgehoben werden kann. 445) Den Charakter der Zufälligkeit, Hinfällig- keit verliert dieſer Zuſtand erſt dadurch, daß das Geſetz ihn un- ter ſeinen Schutz nimmt, der Genuß oder die Ausſicht auf den- ſelben wird dadurch ein geſicherter: ein Recht. Der Begriff des Rechts beruht alſo auf der rechtlichen Sicherheit des Ge- nuſſes, Rechte ſind rechtlich geſchützte Intereſſen. Das erſte Moment, dem wir zunächſt unſere Aufmerkſamkeit Jedes Recht des Privatrechts iſt dazu da, daß es dem Men- 445) L. 26 de damno inf. (39. 2) non videri damnum facere (d. i. einen Schaden im Sinn des Rechts zu erleiden) qui eo veluti lucro, quo adhuc utebatur, prohibetur. 446) L. 28 §. 1 de usur. (22. 1) .. omnes fructus natura hominum
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I. Subſtant. Moment des Rechts. — Gut, Werth u. ſ. w. §. 60.
ſelben liegt, nämlich der Nutzen, Vortheil, Gewinn, der durch
das Recht gewährleiſtet werden ſoll, und ein formales, wel-
ches ſich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der
Rechtsſchutz, die Klage. Erſteres iſt der Kern, letzteres die
ſchützende Schale des Rechts. Jenes für ſich allein begründet
lediglich einen thatſächlichen Zuſtand des Nutzens oder Genuſſes
(faktiſches Intereſſe), der jeder Zeit ohne weitere Folgen
von Jedem, der dazu thatſächlich in der Lage iſt, aufgehoben
werden kann. 445) Den Charakter der Zufälligkeit, Hinfällig-
keit verliert dieſer Zuſtand erſt dadurch, daß das Geſetz ihn un-
ter ſeinen Schutz nimmt, der Genuß oder die Ausſicht auf den-
ſelben wird dadurch ein geſicherter: ein Recht. Der Begriff
des Rechts beruht alſo auf der rechtlichen Sicherheit des Ge-
nuſſes, Rechte ſind rechtlich geſchützte Intereſſen.
Das erſte Moment, dem wir zunächſt unſere Aufmerkſamkeit
zuwenden, ſtellt ſich dar in folgender Vorſtellungsreihe: Nu-
tzen, Gut, Werth, Genuß, Intereſſe. Der Maßſtab,
nach dem das Recht dieſe Begriffe bemißt, iſt keineswegs aus-
ſchließlich der ökonomiſche: Geld und Geldeswerth; das Ver-
mögen iſt nicht das Einzige, das dem Menſchen geſichert wer-
den muß, über demſelben ſtehen noch höhere Güter ethiſcher
Art: die Perſönlichkeit, Freiheit, Ehre, die Familienverbindung,
ohne welche die äußerlichen, ſichtbaren Güter gar keinen Werth
haben würden.
Jedes Recht des Privatrechts iſt dazu da, daß es dem Men-
ſchen irgend einen Vortheil gewähre, ſeine Bedürfniſſe befrie-
dige, ſeine Intereſſen, Zwecke fördere. Von jedem Recht iſt
alſo der Menſch der Deſtinatär, 446) ob auch das Sub-
445) L. 26 de damno inf. (39. 2) non videri damnum facere (d. i.
einen Schaden im Sinn des Rechts zu erleiden) qui eo veluti lucro,
quo adhuc utebatur, prohibetur.
446) L. 28 §. 1 de usur. (22. 1) .. omnes fructus natura hominum
causa comparavit. §. 12 I. de J. N. (1. 2).
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