Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.II. Formales Moment des Rechts. -- Jurist. Personen. §. 61. dern alles und jedes Recht abzusprechen. 466) Die juristischePerson als solche ist völlig genußunfähig, sie hat keine Interes- sen und Zwecke, kann also auch keine Rechte haben, denn Rechte sind nur da möglich, wo sie ihre Bestimmung erreichen d. h. dem berechtigten Subject dienen können -- ein Recht, das in der Person des Berechtigten nie diesen seinen Zweck zu erfüllen ver- mag, ist ein Unding, ein Widerspruch gegen die Grundidee des Rechtsbegriffs. Wo der Schein einer solchen Abnormität vor- liegt, ist dies eben bloßer Schein, hinter dem Aftersubject steckt das wahre. Entfernt man sich einmal von dieser Grundidee des Rechts, die in dem Satz, daß lediglich der Mensch der Destina- tär, das Bestimmungssubject der Rechte ist (Note 446), ihren Ausdruck findet, so findet der Unfug mit dem Personificiren gar keine Gränze mehr, und nachdem man einmal bei den Prädialservituten Grundstücke zum Rang von Personen (warum nicht auch Brauhäuser, Apotheken u. s. w. mit Realprivile- gien?) erhoben hatte, konnte es kaum noch Wunder nehmen, daß selbst die Papiere auf den Innehaber derselben Ehre theilhaftig wurden. Nein! nicht die juristische Person als solche, sondern die 466) Die äußerste und wahrhaft haarsträubende Consequenz, zu der es
diese Auffassung gebracht hat, ist die, daß bei sämmtlichen juristischen Personen, also auch bei denen, welche reine Privatzwecke verfolgen, das Ver- mögen, insofern nicht vorher ein gültiger Beschluß über die Verwendung des- selben gefaßt sei, mit Aufhebung derselben an den Fiscus falle. Man könnte ebenso gut behaupten, daß eine Sache durch Auseinanderfallen, durch Auf- lösung in ihre einzelnen Stücke res nullius werde. II. Formales Moment des Rechts. — Juriſt. Perſonen. §. 61. dern alles und jedes Recht abzuſprechen. 466) Die juriſtiſchePerſon als ſolche iſt völlig genußunfähig, ſie hat keine Intereſ- ſen und Zwecke, kann alſo auch keine Rechte haben, denn Rechte ſind nur da möglich, wo ſie ihre Beſtimmung erreichen d. h. dem berechtigten Subject dienen können — ein Recht, das in der Perſon des Berechtigten nie dieſen ſeinen Zweck zu erfüllen ver- mag, iſt ein Unding, ein Widerſpruch gegen die Grundidee des Rechtsbegriffs. Wo der Schein einer ſolchen Abnormität vor- liegt, iſt dies eben bloßer Schein, hinter dem Afterſubject ſteckt das wahre. Entfernt man ſich einmal von dieſer Grundidee des Rechts, die in dem Satz, daß lediglich der Menſch der Deſtina- tär, das Beſtimmungsſubject der Rechte iſt (Note 446), ihren Ausdruck findet, ſo findet der Unfug mit dem Perſonificiren gar keine Gränze mehr, und nachdem man einmal bei den Prädialſervituten Grundſtücke zum Rang von Perſonen (warum nicht auch Brauhäuſer, Apotheken u. ſ. w. mit Realprivile- gien?) erhoben hatte, konnte es kaum noch Wunder nehmen, daß ſelbſt die Papiere auf den Innehaber derſelben Ehre theilhaftig wurden. Nein! nicht die juriſtiſche Perſon als ſolche, ſondern die 466) Die äußerſte und wahrhaft haarſträubende Conſequenz, zu der es
dieſe Auffaſſung gebracht hat, iſt die, daß bei ſämmtlichen juriſtiſchen Perſonen, alſo auch bei denen, welche reine Privatzwecke verfolgen, das Ver- mögen, inſofern nicht vorher ein gültiger Beſchluß über die Verwendung deſ- ſelben gefaßt ſei, mit Aufhebung derſelben an den Fiscus falle. Man könnte ebenſo gut behaupten, daß eine Sache durch Auseinanderfallen, durch Auf- löſung in ihre einzelnen Stücke res nullius werde. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0347" n="331"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Formales Moment des Rechts. — Juriſt. Perſonen. §. 61.</fw><lb/> dern alles und jedes Recht abzuſprechen. <note place="foot" n="466)">Die äußerſte und wahrhaft haarſträubende Conſequenz, zu der es<lb/> dieſe Auffaſſung gebracht hat, iſt die, daß bei <hi rendition="#g">ſämmtlichen</hi> juriſtiſchen<lb/> Perſonen, alſo auch bei denen, welche reine Privatzwecke verfolgen, das Ver-<lb/> mögen, inſofern nicht vorher ein gültiger Beſchluß über die Verwendung deſ-<lb/> ſelben gefaßt ſei, mit Aufhebung derſelben an den Fiscus falle. Man könnte<lb/> ebenſo gut behaupten, daß eine Sache durch Auseinanderfallen, durch Auf-<lb/> löſung in ihre einzelnen Stücke <hi rendition="#aq">res nullius</hi> werde.</note> Die juriſtiſche<lb/> Perſon als ſolche iſt völlig genußunfähig, ſie hat keine Intereſ-<lb/> ſen und Zwecke, kann alſo auch keine Rechte haben, denn Rechte<lb/> ſind nur da möglich, wo ſie ihre Beſtimmung erreichen d. h.<lb/> dem berechtigten Subject dienen können — ein Recht, das in der<lb/> Perſon des Berechtigten nie dieſen ſeinen Zweck zu erfüllen ver-<lb/> mag, iſt ein Unding, ein Widerſpruch gegen die Grundidee des<lb/> Rechtsbegriffs. Wo der Schein einer ſolchen Abnormität vor-<lb/> liegt, iſt dies eben bloßer Schein, hinter dem Afterſubject ſteckt<lb/> das wahre. Entfernt man ſich einmal von dieſer Grundidee des<lb/> Rechts, die in dem Satz, daß lediglich der Menſch der Deſtina-<lb/> tär, das Beſtimmungsſubject der Rechte iſt (Note 446), ihren<lb/> Ausdruck findet, ſo findet der Unfug mit dem Perſonificiren<lb/> gar keine Gränze mehr, und nachdem man einmal bei den<lb/> Prädialſervituten Grundſtücke zum Rang von Perſonen (warum<lb/> nicht auch Brauhäuſer, Apotheken u. ſ. w. mit Realprivile-<lb/> gien?) erhoben hatte, konnte es kaum noch Wunder nehmen, daß<lb/> ſelbſt die Papiere auf den Innehaber derſelben Ehre theilhaftig<lb/> wurden.</p><lb/> <p>Nein! nicht die juriſtiſche Perſon als ſolche, ſondern die<lb/> einzelnen Mitglieder ſind die wahren Rechtsſubjecte, jene iſt<lb/> nichts als die nach außen gekehrte eigenthümliche Erſcheinungs-<lb/> und Vermittlungsform ihrer rechtlichen Beziehungen zur Außen-<lb/> welt, für den Verkehr im Innern hat dieſe Form nicht die ge-<lb/> ringſte Bedeutung, hier gelangt der Geſichtspunkt des Rechts<lb/> der Einzelnen auch formal zur vollen Geltung; die Rechte, die<lb/> verfaſſungsmäßig (ſtatutenmäßig) jedem Einzelnen zuſtehen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [331/0347]
II. Formales Moment des Rechts. — Juriſt. Perſonen. §. 61.
dern alles und jedes Recht abzuſprechen. 466) Die juriſtiſche
Perſon als ſolche iſt völlig genußunfähig, ſie hat keine Intereſ-
ſen und Zwecke, kann alſo auch keine Rechte haben, denn Rechte
ſind nur da möglich, wo ſie ihre Beſtimmung erreichen d. h.
dem berechtigten Subject dienen können — ein Recht, das in der
Perſon des Berechtigten nie dieſen ſeinen Zweck zu erfüllen ver-
mag, iſt ein Unding, ein Widerſpruch gegen die Grundidee des
Rechtsbegriffs. Wo der Schein einer ſolchen Abnormität vor-
liegt, iſt dies eben bloßer Schein, hinter dem Afterſubject ſteckt
das wahre. Entfernt man ſich einmal von dieſer Grundidee des
Rechts, die in dem Satz, daß lediglich der Menſch der Deſtina-
tär, das Beſtimmungsſubject der Rechte iſt (Note 446), ihren
Ausdruck findet, ſo findet der Unfug mit dem Perſonificiren
gar keine Gränze mehr, und nachdem man einmal bei den
Prädialſervituten Grundſtücke zum Rang von Perſonen (warum
nicht auch Brauhäuſer, Apotheken u. ſ. w. mit Realprivile-
gien?) erhoben hatte, konnte es kaum noch Wunder nehmen, daß
ſelbſt die Papiere auf den Innehaber derſelben Ehre theilhaftig
wurden.
Nein! nicht die juriſtiſche Perſon als ſolche, ſondern die
einzelnen Mitglieder ſind die wahren Rechtsſubjecte, jene iſt
nichts als die nach außen gekehrte eigenthümliche Erſcheinungs-
und Vermittlungsform ihrer rechtlichen Beziehungen zur Außen-
welt, für den Verkehr im Innern hat dieſe Form nicht die ge-
ringſte Bedeutung, hier gelangt der Geſichtspunkt des Rechts
der Einzelnen auch formal zur vollen Geltung; die Rechte, die
verfaſſungsmäßig (ſtatutenmäßig) jedem Einzelnen zuſtehen,
466) Die äußerſte und wahrhaft haarſträubende Conſequenz, zu der es
dieſe Auffaſſung gebracht hat, iſt die, daß bei ſämmtlichen juriſtiſchen
Perſonen, alſo auch bei denen, welche reine Privatzwecke verfolgen, das Ver-
mögen, inſofern nicht vorher ein gültiger Beſchluß über die Verwendung deſ-
ſelben gefaßt ſei, mit Aufhebung derſelben an den Fiscus falle. Man könnte
ebenſo gut behaupten, daß eine Sache durch Auseinanderfallen, durch Auf-
löſung in ihre einzelnen Stücke res nullius werde.
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