Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.II. Formales Moment des Rechts. -- Jurist. Personen. §. 61. können, wo der Gemeinsinn, das Gefühl, daß Jeder in demAllgemeinen zugleich das Seinige besitzt (B. 1 S. 186--188), ebenso darnieder liegt, wie die Herrschaft der juristischen Formel blüht (S. 302, 314) -- nur ein ungesunder Boden konnte die bekämpfte Theorie zur Reife bringen. Eine noch complicirtere Gestalt nimmt das obige Verhält- Individuen als solche (demonstrationis causa) gemeint sein. In diesem Fall ward das Legat an die sämmtlichen im Augenblick des Todes vorhande- nen Mitglieder vertheilt, im entgegengesetzten Fall fiel es an die Gemeinde, wurde "pecunia communis municipum" im obigen Sinn. S. über diesen bisher kaum beachteten Gegensatz L. 20 de reb. dub. (34. 5) und L. 2 ibid. L. 23 de ann. (33. 1). So erklärt sich Ulp. XX §. 5: nec municipia, nec municipes, worin Savigny, System B. 2 S. 249 eine bloße Aus- drucksverschiedenheit erblicken will. 469) In der spätern römischen Zeit wurden bei einer zu ihren Gunsten
beabsichtigten Stiftung nicht selten sie selber zu Erben eingesetzt, z. B. die pauperes, captivi, L. 24, 28, 49 Cod. de episc. (1. 3) L. 19 Cod. de sacr. eccl. (1. 2). II. Formales Moment des Rechts. — Juriſt. Perſonen. §. 61. können, wo der Gemeinſinn, das Gefühl, daß Jeder in demAllgemeinen zugleich das Seinige beſitzt (B. 1 S. 186—188), ebenſo darnieder liegt, wie die Herrſchaft der juriſtiſchen Formel blüht (S. 302, 314) — nur ein ungeſunder Boden konnte die bekämpfte Theorie zur Reife bringen. Eine noch complicirtere Geſtalt nimmt das obige Verhält- Individuen als ſolche (demonstrationis causa) gemeint ſein. In dieſem Fall ward das Legat an die ſämmtlichen im Augenblick des Todes vorhande- nen Mitglieder vertheilt, im entgegengeſetzten Fall fiel es an die Gemeinde, wurde „pecunia communis municipum“ im obigen Sinn. S. über dieſen bisher kaum beachteten Gegenſatz L. 20 de reb. dub. (34. 5) und L. 2 ibid. L. 23 de ann. (33. 1). So erklärt ſich Ulp. XX §. 5: nec municipia, nec municipes, worin Savigny, Syſtem B. 2 S. 249 eine bloße Aus- drucksverſchiedenheit erblicken will. 469) In der ſpätern römiſchen Zeit wurden bei einer zu ihren Gunſten
beabſichtigten Stiftung nicht ſelten ſie ſelber zu Erben eingeſetzt, z. B. die pauperes, captivi, L. 24, 28, 49 Cod. de episc. (1. 3) L. 19 Cod. de sacr. eccl. (1. 2). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0349" n="333"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Formales Moment des Rechts. — Juriſt. Perſonen. §. 61.</fw><lb/> können, wo der Gemeinſinn, das Gefühl, daß Jeder in dem<lb/> Allgemeinen zugleich das Seinige beſitzt (B. 1 S. 186—188),<lb/> ebenſo darnieder liegt, wie die Herrſchaft der juriſtiſchen Formel<lb/> blüht (S. 302, 314) — nur ein ungeſunder Boden konnte die<lb/> bekämpfte Theorie zur Reife bringen.</p><lb/> <p>Eine noch complicirtere Geſtalt nimmt das obige Verhält-<lb/> niß bei den Stiftungen an. Daß auch bei ihnen der Zweck und<lb/> Schwerpunkt dieſer ganzen Rechtsmaſchinerie nicht in letzterer<lb/> ſelbſt, ſondern in den natürlichen Perſonen liegt, denen die<lb/> Stiftung zu gute kommen ſoll, daß die Perſonification derſelben<lb/> alſo nichts als eine <hi rendition="#g">Form</hi> der Zuwendung und Beſtimmung<lb/> eines <hi rendition="#g">Vermögens</hi> für die Zwecke und Intereſſen unbeſtimmter<lb/> Perſonen iſt, wird auch hier keiner Ausführung bedürfen. Die<lb/> Armen, Kranken, Wittwen, Waiſen, Kunſtfreunde ſind die De-<lb/> ſtinatäre der entſprechenden Stiftungen. <note place="foot" n="469)">In der ſpätern römiſchen Zeit wurden bei einer zu ihren Gunſten<lb/> beabſichtigten Stiftung nicht ſelten ſie ſelber zu Erben eingeſetzt, z. B. die<lb/><hi rendition="#aq">pauperes, captivi, L. 24, 28, 49 Cod. de episc. (1. 3) L. 19 Cod. de sacr.<lb/> eccl. (1. 2).</hi></note> Aber ſind ſie auch<lb/><hi rendition="#g">Subjecte</hi> derſelben, d. h. nimmt dieſe ihre Berufung zu den<lb/> Nutzungen derſelben den Charakter eines <hi rendition="#g">Rechts</hi> an? Dies<lb/> entſcheidet ſich darnach, ob ſie eine <hi rendition="#g">Klage</hi> haben. Iſt die Be-<lb/> rufung in der Stiftung in einer Weiſe geſchehen, daß die Per-<lb/> ſon des zum Eintritt oder Genuß Berechtigten im einzelnen Fall<lb/> völlig beſtimmt iſt, ſo liegt ein ſtiftungsmäßiger Anſpruch vor,<lb/> deſſen klagweiſe Verfolgung gar keinem Anſtand ausgeſetzt ſein<lb/> kann. Wie aber, wenn dies nicht der Fall, wenn alſo die Auf-<lb/><note xml:id="seg2pn_31_2" prev="#seg2pn_31_1" place="foot" n="468)">Individuen als ſolche (<hi rendition="#aq">demonstrationis causa</hi>) gemeint ſein. In dieſem<lb/> Fall ward das Legat an die ſämmtlichen im Augenblick des Todes vorhande-<lb/> nen Mitglieder vertheilt, im entgegengeſetzten Fall fiel es an die Gemeinde,<lb/> wurde <hi rendition="#aq">„pecunia communis municipum“</hi> im obigen Sinn. S. über dieſen<lb/> bisher kaum beachteten Gegenſatz <hi rendition="#aq">L. 20 de reb. dub.</hi> (34. 5) und <hi rendition="#aq">L. 2 ibid.<lb/> L. 23 de ann.</hi> (33. 1). So erklärt ſich <hi rendition="#aq">Ulp. XX §. 5: nec municipia,<lb/> nec municipes,</hi> worin <hi rendition="#g">Savigny</hi>, Syſtem B. 2 S. 249 eine bloße Aus-<lb/> drucksverſchiedenheit erblicken will.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333/0349]
II. Formales Moment des Rechts. — Juriſt. Perſonen. §. 61.
können, wo der Gemeinſinn, das Gefühl, daß Jeder in dem
Allgemeinen zugleich das Seinige beſitzt (B. 1 S. 186—188),
ebenſo darnieder liegt, wie die Herrſchaft der juriſtiſchen Formel
blüht (S. 302, 314) — nur ein ungeſunder Boden konnte die
bekämpfte Theorie zur Reife bringen.
Eine noch complicirtere Geſtalt nimmt das obige Verhält-
niß bei den Stiftungen an. Daß auch bei ihnen der Zweck und
Schwerpunkt dieſer ganzen Rechtsmaſchinerie nicht in letzterer
ſelbſt, ſondern in den natürlichen Perſonen liegt, denen die
Stiftung zu gute kommen ſoll, daß die Perſonification derſelben
alſo nichts als eine Form der Zuwendung und Beſtimmung
eines Vermögens für die Zwecke und Intereſſen unbeſtimmter
Perſonen iſt, wird auch hier keiner Ausführung bedürfen. Die
Armen, Kranken, Wittwen, Waiſen, Kunſtfreunde ſind die De-
ſtinatäre der entſprechenden Stiftungen. 469) Aber ſind ſie auch
Subjecte derſelben, d. h. nimmt dieſe ihre Berufung zu den
Nutzungen derſelben den Charakter eines Rechts an? Dies
entſcheidet ſich darnach, ob ſie eine Klage haben. Iſt die Be-
rufung in der Stiftung in einer Weiſe geſchehen, daß die Per-
ſon des zum Eintritt oder Genuß Berechtigten im einzelnen Fall
völlig beſtimmt iſt, ſo liegt ein ſtiftungsmäßiger Anſpruch vor,
deſſen klagweiſe Verfolgung gar keinem Anſtand ausgeſetzt ſein
kann. Wie aber, wenn dies nicht der Fall, wenn alſo die Auf-
468)
469) In der ſpätern römiſchen Zeit wurden bei einer zu ihren Gunſten
beabſichtigten Stiftung nicht ſelten ſie ſelber zu Erben eingeſetzt, z. B. die
pauperes, captivi, L. 24, 28, 49 Cod. de episc. (1. 3) L. 19 Cod. de sacr.
eccl. (1. 2).
468) Individuen als ſolche (demonstrationis causa) gemeint ſein. In dieſem
Fall ward das Legat an die ſämmtlichen im Augenblick des Todes vorhande-
nen Mitglieder vertheilt, im entgegengeſetzten Fall fiel es an die Gemeinde,
wurde „pecunia communis municipum“ im obigen Sinn. S. über dieſen
bisher kaum beachteten Gegenſatz L. 20 de reb. dub. (34. 5) und L. 2 ibid.
L. 23 de ann. (33. 1). So erklärt ſich Ulp. XX §. 5: nec municipia,
nec municipes, worin Savigny, Syſtem B. 2 S. 249 eine bloße Aus-
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