Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Zweiter Abschnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. nahme der einzelnen Beneficiaten rein dem Ermessen der ver-waltenden Behörde überlassen ist? Hier kann von einer Klage nicht die Rede sein -- es handelt sich hier um einen Akt der Administration, nicht der Justiz. Aber wenn es nun der Admi- nistration gefiele, die ganze Stiftung ihrem Zweck zu entfrem- den, die Kunstanstalt z. B. zu schließen oder bloß Künstlern den Zutritt zu verstatten -- ist denn dagegen das Publikum macht- los? Ich meine damit nicht den Weg der Beschwerde bei der obersten Staatsbehörde, sondern den Weg des Rechts. In der That hat das spätere römische Recht denselben geöffnet, 470) es verstattet Jedem eine actio popularis auf Realisirung einer in einer letztwilligen Urkunde errichteten Stiftung. Unserer Defi- nition des Rechtsbegriffes nach würde demnach auch hier ein Recht anzunehmen sein, denn die beiden Momente: das In- teresse und der Selbstschutz desselben liegen hier vor. Daß der Kläger nicht ausschließlich sein persönliches Interesse, sondern in und mit demselben zugleich das allgemeine verfolgt, steht der Annahme eines Rechts nicht entgegen. Ganz dieselbe Erschei- nung wiederholt sich bei dem Rechtsverhältniß an res sacrae, religiosae und res publicae. Nur scheinbar wird an diesen Sachen die Möglichkeit eines 470) Justinian in der nicht glossirten const. 46 Cod. de episc. (1. 3)
.. et cuicunque civium idem etiam facere licentia erit. Cum enim sit communis pietatis ratio, (gemeinnütziges Interesse) communes et populares decet etiam affectiones constitui harum rerum executionis, habituro unoquoque licentiam ex nostra hac lege movere ex lege con- dictitiam et postulare relicta impleri. Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie. nahme der einzelnen Beneficiaten rein dem Ermeſſen der ver-waltenden Behörde überlaſſen iſt? Hier kann von einer Klage nicht die Rede ſein — es handelt ſich hier um einen Akt der Adminiſtration, nicht der Juſtiz. Aber wenn es nun der Admi- niſtration gefiele, die ganze Stiftung ihrem Zweck zu entfrem- den, die Kunſtanſtalt z. B. zu ſchließen oder bloß Künſtlern den Zutritt zu verſtatten — iſt denn dagegen das Publikum macht- los? Ich meine damit nicht den Weg der Beſchwerde bei der oberſten Staatsbehörde, ſondern den Weg des Rechts. In der That hat das ſpätere römiſche Recht denſelben geöffnet, 470) es verſtattet Jedem eine actio popularis auf Realiſirung einer in einer letztwilligen Urkunde errichteten Stiftung. Unſerer Defi- nition des Rechtsbegriffes nach würde demnach auch hier ein Recht anzunehmen ſein, denn die beiden Momente: das In- tereſſe und der Selbſtſchutz deſſelben liegen hier vor. Daß der Kläger nicht ausſchließlich ſein perſönliches Intereſſe, ſondern in und mit demſelben zugleich das allgemeine verfolgt, ſteht der Annahme eines Rechts nicht entgegen. Ganz dieſelbe Erſchei- nung wiederholt ſich bei dem Rechtsverhältniß an res sacrae, religiosae und res publicae. Nur ſcheinbar wird an dieſen Sachen die Möglichkeit eines 470) Juſtinian in der nicht gloſſirten const. 46 Cod. de episc. (1. 3)
.. et cuicunque civium idem etiam facere licentia erit. Cum enim sit communis pietatis ratio, (gemeinnütziges Intereſſe) communes et populares decet etiam affectiones constitui harum rerum executionis, habituro unoquoque licentiam ex nostra hac lege movere ex lege con- dictitiam et postulare relicta impleri. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0350" n="334"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.</fw><lb/> nahme der einzelnen Beneficiaten rein dem Ermeſſen der ver-<lb/> waltenden Behörde überlaſſen iſt? Hier kann von einer Klage<lb/> nicht die Rede ſein — es handelt ſich hier um einen Akt der<lb/> Adminiſtration, nicht der Juſtiz. Aber wenn es nun der Admi-<lb/> niſtration gefiele, die ganze Stiftung ihrem Zweck zu entfrem-<lb/> den, die Kunſtanſtalt z. B. zu ſchließen oder bloß Künſtlern den<lb/> Zutritt zu verſtatten — iſt denn dagegen das Publikum macht-<lb/> los? Ich meine damit nicht den Weg der Beſchwerde bei der<lb/> oberſten Staatsbehörde, ſondern den Weg des Rechts. In der<lb/> That hat das ſpätere römiſche Recht denſelben geöffnet, <note place="foot" n="470)">Juſtinian in der nicht gloſſirten <hi rendition="#aq">const. 46 Cod. de episc. (1. 3)<lb/> .. et cuicunque civium idem etiam facere licentia erit. Cum enim<lb/> sit <hi rendition="#g">communis</hi> pietatis ratio,</hi> (gemeinnütziges Intereſſe) <hi rendition="#aq">communes et<lb/> populares decet etiam affectiones constitui harum rerum executionis,<lb/> habituro unoquoque licentiam ex nostra hac lege movere ex lege con-<lb/> dictitiam et postulare relicta impleri.</hi></note> es<lb/> verſtattet Jedem eine <hi rendition="#aq">actio popularis</hi> auf Realiſirung einer in<lb/> einer letztwilligen Urkunde errichteten Stiftung. Unſerer Defi-<lb/> nition des Rechtsbegriffes nach würde demnach auch hier ein<lb/><hi rendition="#g">Recht</hi> anzunehmen ſein, denn die beiden Momente: das In-<lb/> tereſſe und der Selbſtſchutz deſſelben liegen hier vor. Daß der<lb/> Kläger nicht ausſchließlich ſein perſönliches Intereſſe, ſondern<lb/> in und mit demſelben zugleich das allgemeine verfolgt, ſteht der<lb/> Annahme eines Rechts nicht entgegen. Ganz dieſelbe Erſchei-<lb/> nung wiederholt ſich bei dem Rechtsverhältniß an <hi rendition="#aq">res sacrae,<lb/> religiosae</hi> und <hi rendition="#aq">res publicae.</hi></p><lb/> <p>Nur ſcheinbar wird an dieſen Sachen die Möglichkeit eines<lb/> Rechtsverhältniſſes geläugnet, indem ſie von den römiſchen Juri-<lb/> ſten zu den <hi rendition="#aq">res extra commercium</hi> gezählt worden. Denn <hi rendition="#aq">com-<lb/> mercium</hi> iſt keineswegs gleichbedeutend mit Möglichkeit eines<lb/> Rechtsverhältniſſes, die Bedeutung dieſes Ausdrucks iſt vielmehr<lb/> eine ungleich engere, nämlich: rechtliche Möglichkeit <hi rendition="#g">Handels-<lb/> object</hi> (<hi rendition="#aq">merx, mercari, commercium</hi>) zu ſein, <hi rendition="#g">verkauft</hi> werden<lb/> zu können. Der Mangel dieſer Eigenſchaft entrückt die Sache im<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [334/0350]
Zweites Buch. Zweiter Abſchnitt. Die Rechte. Allgem. Theorie.
nahme der einzelnen Beneficiaten rein dem Ermeſſen der ver-
waltenden Behörde überlaſſen iſt? Hier kann von einer Klage
nicht die Rede ſein — es handelt ſich hier um einen Akt der
Adminiſtration, nicht der Juſtiz. Aber wenn es nun der Admi-
niſtration gefiele, die ganze Stiftung ihrem Zweck zu entfrem-
den, die Kunſtanſtalt z. B. zu ſchließen oder bloß Künſtlern den
Zutritt zu verſtatten — iſt denn dagegen das Publikum macht-
los? Ich meine damit nicht den Weg der Beſchwerde bei der
oberſten Staatsbehörde, ſondern den Weg des Rechts. In der
That hat das ſpätere römiſche Recht denſelben geöffnet, 470) es
verſtattet Jedem eine actio popularis auf Realiſirung einer in
einer letztwilligen Urkunde errichteten Stiftung. Unſerer Defi-
nition des Rechtsbegriffes nach würde demnach auch hier ein
Recht anzunehmen ſein, denn die beiden Momente: das In-
tereſſe und der Selbſtſchutz deſſelben liegen hier vor. Daß der
Kläger nicht ausſchließlich ſein perſönliches Intereſſe, ſondern
in und mit demſelben zugleich das allgemeine verfolgt, ſteht der
Annahme eines Rechts nicht entgegen. Ganz dieſelbe Erſchei-
nung wiederholt ſich bei dem Rechtsverhältniß an res sacrae,
religiosae und res publicae.
Nur ſcheinbar wird an dieſen Sachen die Möglichkeit eines
Rechtsverhältniſſes geläugnet, indem ſie von den römiſchen Juri-
ſten zu den res extra commercium gezählt worden. Denn com-
mercium iſt keineswegs gleichbedeutend mit Möglichkeit eines
Rechtsverhältniſſes, die Bedeutung dieſes Ausdrucks iſt vielmehr
eine ungleich engere, nämlich: rechtliche Möglichkeit Handels-
object (merx, mercari, commercium) zu ſein, verkauft werden
zu können. Der Mangel dieſer Eigenſchaft entrückt die Sache im
470) Juſtinian in der nicht gloſſirten const. 46 Cod. de episc. (1. 3)
.. et cuicunque civium idem etiam facere licentia erit. Cum enim
sit communis pietatis ratio, (gemeinnütziges Intereſſe) communes et
populares decet etiam affectiones constitui harum rerum executionis,
habituro unoquoque licentiam ex nostra hac lege movere ex lege con-
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