Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Das Gemeinsame der Fälle, welche wir bisher betrachtet Der Weg, den die Juristen hier eingeschlagen haben, der 79) L. 2 §. 4 de R. Cr. (12. 1) In mutui datione oportet dominum
esse dantem. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. Das Gemeinſame der Fälle, welche wir bisher betrachtet Der Weg, den die Juriſten hier eingeſchlagen haben, der 79) L. 2 §. 4 de R. Cr. (12. 1) In mutui datione oportet dominum
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Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
Das Gemeinſame der Fälle, welche wir bisher betrachtet
haben, beſteht darin, daß der Beklagte dem Kläger einen ſelb-
ſtändigen Anſpruch gegenüber ſtellt, ohne daß derſelbe proceſſua-
liſch im Mindeſten ſichtbar wird und ohne daß es zu dem Zweck
erſt eines beſondern Zuſchnitts der Klagformel bedürfte. Die
Rückſicht auf das dem Beklagten zuſtehende Recht kann zwar in
einigen dieſer Fälle dem Kläger Veranlaſſung geben, die Form
der proceſſualiſchen Verfolgung des eigenen Rechts etwas zu
modificiren, allein er thut dies wohl gemerkt nur im eigenen
Intereſſe; für den Beklagten, um nämlich ihm die Möglichkeit
jenes Einwandes zu verſchaffen, iſt es nicht nöthig. Denn dieſer
Einwand hält ſich ganz innerhalb der Gränzen der Negation, in-
dem durch einen von der Jurisprudenz aufgeſtellten Rechtsſatz dem
Recht des Beklagten die Wirkung beigelegt iſt, das des Klä-
gers ganz oder zum Theil ipso jure auszuſchließen, — und ſo
wenig es ſonſt für Gründe, welche dieſelbe Wirkung äußern,
z. B. den Einwand der Zahlung eines beſondern Vermerks in der
Klagformel bedarf, ebenſo wenig für jenen Einwand.
Der Weg, den die Juriſten hier eingeſchlagen haben, der
einer Appretur des materiellen Rechts zu Gunſten proceſſualiſcher
Zwecke oder, wenn ich ſo ſagen darf, einer in einen Rechtsſatz
verſteckten Einrede wiederholt ſich noch in manchen andern Fällen,
die nicht unter unſern Geſichtspunkt der Geltendmachung eines
Gegenanſpruchs fallen. Wer dafür ein Auge hat, wird in man-
chen Sätzen des materiellen Rechts dieſen, ich möchte ſagen,
proceſſualiſchen Zug nicht verkennen können. Wenn man
hört: das Darlehn erfordere Eigenthumsübergang, 79) wer ſollte
im erſten Moment nicht glauben, daß der Kläger, wie jedes an-
dere Erforderniß, ſo auch dieſes, wenn es ihm beſtritten wurde,
beweiſen müſſe? Bei einigem Nachdenken wird man nicht um-
hin können, dies für widerſinnig zu erklären. Aber welchen Sinn
79) L. 2 §. 4 de R. Cr. (12. 1) In mutui datione oportet dominum
esse dantem.
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