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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.

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A. Der Proceß. Vertheidigung. Gegenansprüche in Negationsform. §. 52.
zum Gesammtwerth des Pekuliums verhielt, bekam er Miteigen-
thum an jeder einzelnen Sache; das Recht des Klägers war also
auch hier "ipso jure vermindert", auch hier trat das Recht des
Beklagten ihm entgegen in Form der (partiellen) Negation. 76)
Damit ergab sich aber für den Kläger wiederum derselbe Noth-
stand, wie oben für die Frau bei der Dos: er soll, wenn er sich
nicht der Gefahr der plus-petitio aussetzen will, seine Klage nur
auf das richten, was übrig bleibt, nachdem der Theil des Be-
klagten abgezogen ist, und doch kann er ihn nicht abziehen, weil
er ihn nicht kennt. Wie hier helfen? Hier wäre ein Präjudicial-
verfahren ganz am Platz gewesen, und ob das frühere Recht
sich dessen nicht wirklich bedient hat, bleibe dahin gestellt. Die
römischen Juristen nennen uns zwei andere Mittel, die act. com-
muni dividundo
und die vindicatio incertae partis; 77) ob schon
der ältere Proceß beide Klagen in Richtung auf einen unbestimm-
ten Theil zugelassen habe, möchte ich bezweifeln. 78)

76) Es wird jetzt klar sein, was es heißt, wenn die römischen Juristen
sagen: "singula corpora pro rata deminui debebunt" (L. 6 pr. de
pec. leg. 33. 8)
oder "si crediderit, id ipso jure detrahi et corpora
singula
per hoc aes alienum deminui" (L. 8 pr. ibid.)
. Derselbe Ge-
sichtspunkt kehrt aus demselben Grunde bei der Quarta Falcidia wieder, L. 1
§. 5 quod leg. (43. 3) .. ipso jure remanet, et si corporaliter res in so-
lidum translatae sunt
und arg. L. 76 §. 1 de R. V. (6. 1), L. 8 §. 1
Comm. div. (10. 3)
. Hätte die Frau die Dos statt mit einer persönlichen
Klage mit einer Vindication zurückfordern müssen, so würde Ulpians Ausfüh-
rung in L. 5 pr. de imp. (25. 1) gerade entgegengesetzt gelautet haben.
77) L. 8 §. 1 Comm. div. (10. 3); es wird hier auch der Fall des Ab-
zugs der Quarta Falcidia genannt, und er kehrt wieder in der L. 76 §. 1 de
R. V. (6. 1)
.
78) Für die reiv. bedarf dieser Zweifel keiner Rechtfertigung, für die act.
comm. div.
stütze ich ihn darauf, daß nach dem Separationssystem der Kla-
gen im alten Proceß (§. 51) diese Klage nicht zugleich eine Function haben
konnte, für die es eine eigne Klage: die reivindicatio gab, nämlich das
Eigenthum der Partheien festzustellen, s. darüber die Analogie der act. fam.
ercisc. L. 1 §. 2 si pars her. (5. 4) .. aut si controversiam sibi non fa-
ciunt hereditatis, familiae erciscundae
.

A. Der Proceß. Vertheidigung. Gegenanſprüche in Negationsform. §. 52.
zum Geſammtwerth des Pekuliums verhielt, bekam er Miteigen-
thum an jeder einzelnen Sache; das Recht des Klägers war alſo
auch hier „ipso jure vermindert“, auch hier trat das Recht des
Beklagten ihm entgegen in Form der (partiellen) Negation. 76)
Damit ergab ſich aber für den Kläger wiederum derſelbe Noth-
ſtand, wie oben für die Frau bei der Dos: er ſoll, wenn er ſich
nicht der Gefahr der plus-petitio ausſetzen will, ſeine Klage nur
auf das richten, was übrig bleibt, nachdem der Theil des Be-
klagten abgezogen iſt, und doch kann er ihn nicht abziehen, weil
er ihn nicht kennt. Wie hier helfen? Hier wäre ein Präjudicial-
verfahren ganz am Platz geweſen, und ob das frühere Recht
ſich deſſen nicht wirklich bedient hat, bleibe dahin geſtellt. Die
römiſchen Juriſten nennen uns zwei andere Mittel, die act. com-
muni dividundo
und die vindicatio incertae partis; 77) ob ſchon
der ältere Proceß beide Klagen in Richtung auf einen unbeſtimm-
ten Theil zugelaſſen habe, möchte ich bezweifeln. 78)

76) Es wird jetzt klar ſein, was es heißt, wenn die römiſchen Juriſten
ſagen: singula corpora pro rata deminui debebunt“ (L. 6 pr. de
pec. leg. 33. 8)
oder „si crediderit, id ipso jure detrahi et corpora
singula
per hoc aes alienum deminui“ (L. 8 pr. ibid.)
. Derſelbe Ge-
ſichtspunkt kehrt aus demſelben Grunde bei der Quarta Falcidia wieder, L. 1
§. 5 quod leg. (43. 3) .. ipso jure remanet, et si corporaliter res in so-
lidum translatae sunt
und arg. L. 76 §. 1 de R. V. (6. 1), L. 8 §. 1
Comm. div. (10. 3)
. Hätte die Frau die Dos ſtatt mit einer perſönlichen
Klage mit einer Vindication zurückfordern müſſen, ſo würde Ulpians Ausfüh-
rung in L. 5 pr. de imp. (25. 1) gerade entgegengeſetzt gelautet haben.
77) L. 8 §. 1 Comm. div. (10. 3); es wird hier auch der Fall des Ab-
zugs der Quarta Falcidia genannt, und er kehrt wieder in der L. 76 §. 1 de
R. V. (6. 1)
.
78) Für die reiv. bedarf dieſer Zweifel keiner Rechtfertigung, für die act.
comm. div.
ſtütze ich ihn darauf, daß nach dem Separationsſyſtem der Kla-
gen im alten Proceß (§. 51) dieſe Klage nicht zugleich eine Function haben
konnte, für die es eine eigne Klage: die reivindicatio gab, nämlich das
Eigenthum der Partheien feſtzuſtellen, ſ. darüber die Analogie der act. fam.
ercisc. L. 1 §. 2 si pars her. (5. 4) .. aut si controversiam sibi non fa-
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.
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[75/0091] A. Der Proceß. Vertheidigung. Gegenanſprüche in Negationsform. §. 52. zum Geſammtwerth des Pekuliums verhielt, bekam er Miteigen- thum an jeder einzelnen Sache; das Recht des Klägers war alſo auch hier „ipso jure vermindert“, auch hier trat das Recht des Beklagten ihm entgegen in Form der (partiellen) Negation. 76) Damit ergab ſich aber für den Kläger wiederum derſelbe Noth- ſtand, wie oben für die Frau bei der Dos: er ſoll, wenn er ſich nicht der Gefahr der plus-petitio ausſetzen will, ſeine Klage nur auf das richten, was übrig bleibt, nachdem der Theil des Be- klagten abgezogen iſt, und doch kann er ihn nicht abziehen, weil er ihn nicht kennt. Wie hier helfen? Hier wäre ein Präjudicial- verfahren ganz am Platz geweſen, und ob das frühere Recht ſich deſſen nicht wirklich bedient hat, bleibe dahin geſtellt. Die römiſchen Juriſten nennen uns zwei andere Mittel, die act. com- muni dividundo und die vindicatio incertae partis; 77) ob ſchon der ältere Proceß beide Klagen in Richtung auf einen unbeſtimm- ten Theil zugelaſſen habe, möchte ich bezweifeln. 78) 76) Es wird jetzt klar ſein, was es heißt, wenn die römiſchen Juriſten ſagen: „singula corpora pro rata deminui debebunt“ (L. 6 pr. de pec. leg. 33. 8) oder „si crediderit, id ipso jure detrahi et corpora singula per hoc aes alienum deminui“ (L. 8 pr. ibid.). Derſelbe Ge- ſichtspunkt kehrt aus demſelben Grunde bei der Quarta Falcidia wieder, L. 1 §. 5 quod leg. (43. 3) .. ipso jure remanet, et si corporaliter res in so- lidum translatae sunt und arg. L. 76 §. 1 de R. V. (6. 1), L. 8 §. 1 Comm. div. (10. 3). Hätte die Frau die Dos ſtatt mit einer perſönlichen Klage mit einer Vindication zurückfordern müſſen, ſo würde Ulpians Ausfüh- rung in L. 5 pr. de imp. (25. 1) gerade entgegengeſetzt gelautet haben. 77) L. 8 §. 1 Comm. div. (10. 3); es wird hier auch der Fall des Ab- zugs der Quarta Falcidia genannt, und er kehrt wieder in der L. 76 §. 1 de R. V. (6. 1). 78) Für die reiv. bedarf dieſer Zweifel keiner Rechtfertigung, für die act. comm. div. ſtütze ich ihn darauf, daß nach dem Separationsſyſtem der Kla- gen im alten Proceß (§. 51) dieſe Klage nicht zugleich eine Function haben konnte, für die es eine eigne Klage: die reivindicatio gab, nämlich das Eigenthum der Partheien feſtzuſtellen, ſ. darüber die Analogie der act. fam. ercisc. L. 1 §. 2 si pars her. (5. 4) .. aut si controversiam sibi non fa- ciunt hereditatis, familiae erciscundae.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht03_1865/91>, abgerufen am 24.11.2024.