Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 3, Bd. 1. Leipzig, 1865.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die Technik. A. Die Analytik. gestellte Klage eine persönliche, so war die Sache ziemlich einfach.Der Kläger gab lediglich den Betrag seiner Forderung an, ohne daß ihm ein gleiches rücksichtlich der Höhe des Pekuliums obgelegen hätte; 72) er stellte vielmehr seinen Antrag nur unbe- stimmt auf Zahlung "bis zum Betrag des Pekuliums", es be- durfte mithin nicht, wie bei der Dos, erst eines Präjudicialver- fahrens über diesen Betrag, sondern dieser Punkt erledigte sich von selbst bei Gelegenheit der Condemnation. Ungleich schwieri- ger aber stand die Sache, wenn die angestellte Klage eine dingliche war, also z. B. wenn der verstorbene Herr des Sklaven das Pekulium ihm selber oder irgend einem Andern in Vindications- form legirt hatte. Der Legatar konnte hier seine Klage nicht auf den Betrag oder den Werth des Pekuliums im Ganzen rich- ten, sondern er mußte die einzelnen Sachen vindiciren, 73) und von Sachen lassen sich Schulden nicht abziehen, denn Eigenthum und Obligation sind irrationale Größen. 74) Der Behauptung des Klägers "die Sachen sind mein" konnte der Beklagte nicht entgegensetzen "ich habe eine Forderung", son- dern sein Forderungsrecht mußte, wenn sonst das Abzugsrecht nicht verloren gehen sollte, in diesem Fall in eine Eigenthums- quote umschlagen, das Recht auf einen Werth sich zum Recht an der Substanz verdichten. 75) Damit waren Minuend und Subtrahend in gleichartige Größen verwandelt, und in demselben Verhältniß, wie sich der Betrag der Forderung des Beklagten erescit, decrescit, moritur zu beziehen. Das Gegenstück s. oben Note 32. Die Herbeiziehung des Begriffs der universitas juris (Dernburg Compen- sation S. 119--129) ist zur Erklärung unserer Regel meiner Ansicht nach weder nöthig, noch ausreichend. 72) L. 30 pr. de pec. (15. 1) .. intenditur enim recte, etiamsi nihil sit in peculio. 73) L. 56 de R. V. (6. 1) .. singulas res .. petet. 74) L. 5 pr. de imp. (25. 1) .. etenim absurdum est, deminutionem corporis fieri propter pecuniam. 75) Dieser Gegensatz ist in der in den vorigen Noten citirten Stelle von
Ulpian sehr klar erfaßt. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik. geſtellte Klage eine perſönliche, ſo war die Sache ziemlich einfach.Der Kläger gab lediglich den Betrag ſeiner Forderung an, ohne daß ihm ein gleiches rückſichtlich der Höhe des Pekuliums obgelegen hätte; 72) er ſtellte vielmehr ſeinen Antrag nur unbe- ſtimmt auf Zahlung „bis zum Betrag des Pekuliums“, es be- durfte mithin nicht, wie bei der Dos, erſt eines Präjudicialver- fahrens über dieſen Betrag, ſondern dieſer Punkt erledigte ſich von ſelbſt bei Gelegenheit der Condemnation. Ungleich ſchwieri- ger aber ſtand die Sache, wenn die angeſtellte Klage eine dingliche war, alſo z. B. wenn der verſtorbene Herr des Sklaven das Pekulium ihm ſelber oder irgend einem Andern in Vindications- form legirt hatte. Der Legatar konnte hier ſeine Klage nicht auf den Betrag oder den Werth des Pekuliums im Ganzen rich- ten, ſondern er mußte die einzelnen Sachen vindiciren, 73) und von Sachen laſſen ſich Schulden nicht abziehen, denn Eigenthum und Obligation ſind irrationale Größen. 74) Der Behauptung des Klägers „die Sachen ſind mein“ konnte der Beklagte nicht entgegenſetzen „ich habe eine Forderung“, ſon- dern ſein Forderungsrecht mußte, wenn ſonſt das Abzugsrecht nicht verloren gehen ſollte, in dieſem Fall in eine Eigenthums- quote umſchlagen, das Recht auf einen Werth ſich zum Recht an der Subſtanz verdichten. 75) Damit waren Minuend und Subtrahend in gleichartige Größen verwandelt, und in demſelben Verhältniß, wie ſich der Betrag der Forderung des Beklagten erescit, decrescit, moritur zu beziehen. Das Gegenſtück ſ. oben Note 32. Die Herbeiziehung des Begriffs der universitas juris (Dernburg Compen- ſation S. 119—129) iſt zur Erklärung unſerer Regel meiner Anſicht nach weder nöthig, noch ausreichend. 72) L. 30 pr. de pec. (15. 1) .. intenditur enim recte, etiamsi nihil sit in peculio. 73) L. 56 de R. V. (6. 1) .. singulas res .. petet. 74) L. 5 pr. de imp. (25. 1) .. etenim absurdum est, deminutionem corporis fieri propter pecuniam. 75) Dieſer Gegenſatz iſt in der in den vorigen Noten citirten Stelle von
Ulpian ſehr klar erfaßt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <div n="10"> <div n="11"> <p><pb facs="#f0090" n="74"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die Technik. <hi rendition="#aq">A.</hi> Die Analytik.</fw><lb/> geſtellte Klage eine perſönliche, ſo war die Sache ziemlich einfach.<lb/> Der Kläger gab lediglich den Betrag <hi rendition="#g">ſeiner</hi> Forderung an,<lb/> ohne daß ihm ein gleiches rückſichtlich der Höhe des Pekuliums<lb/> obgelegen hätte; <note place="foot" n="72)"><hi rendition="#aq">L. 30 pr. de pec. (15. 1) .. intenditur enim recte, etiamsi nihil<lb/> sit in peculio.</hi></note> er ſtellte vielmehr ſeinen Antrag nur unbe-<lb/> ſtimmt auf Zahlung „bis zum Betrag des Pekuliums“, es be-<lb/> durfte mithin nicht, wie bei der Dos, erſt eines Präjudicialver-<lb/> fahrens über dieſen Betrag, ſondern dieſer Punkt erledigte ſich<lb/> von ſelbſt bei Gelegenheit der Condemnation. Ungleich ſchwieri-<lb/> ger aber ſtand die Sache, wenn die angeſtellte Klage eine dingliche<lb/> war, alſo z. B. wenn der verſtorbene Herr des Sklaven das<lb/> Pekulium ihm ſelber oder irgend einem Andern in Vindications-<lb/> form legirt hatte. Der Legatar konnte hier ſeine Klage nicht auf<lb/> den <hi rendition="#g">Betrag</hi> oder den <hi rendition="#g">Werth</hi> des Pekuliums im Ganzen rich-<lb/> ten, ſondern er mußte die <hi rendition="#g">einzelnen</hi> Sachen vindiciren, <note place="foot" n="73)"><hi rendition="#aq">L. 56 de R. V. (6. 1) .. singulas res .. petet.</hi></note><lb/> und von <hi rendition="#g">Sachen</hi> laſſen ſich <hi rendition="#g">Schulden</hi> nicht abziehen, denn<lb/> Eigenthum und Obligation ſind irrationale Größen. <note place="foot" n="74)"><hi rendition="#aq">L. 5 pr. de imp. (25. 1) .. etenim absurdum est, deminutionem<lb/> corporis fieri propter pecuniam.</hi></note> Der<lb/> Behauptung des Klägers „die Sachen ſind <hi rendition="#g">mein</hi>“ konnte der<lb/> Beklagte nicht entgegenſetzen „ich habe eine <hi rendition="#g">Forderung</hi>“, ſon-<lb/> dern ſein Forderungsrecht mußte, wenn ſonſt das Abzugsrecht<lb/> nicht verloren gehen ſollte, in dieſem Fall in eine <hi rendition="#g">Eigenthums-<lb/> quote</hi> umſchlagen, das Recht auf einen <hi rendition="#g">Werth</hi> ſich zum Recht<lb/> an der <hi rendition="#g">Subſtanz</hi> verdichten. <note place="foot" n="75)">Dieſer Gegenſatz iſt in der in den vorigen Noten citirten Stelle von<lb/> Ulpian ſehr klar erfaßt.</note> Damit waren Minuend und<lb/> Subtrahend in gleichartige Größen verwandelt, und in demſelben<lb/> Verhältniß, wie ſich der Betrag der <hi rendition="#g">Forderung</hi> des Beklagten<lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="71)"><hi rendition="#aq">erescit, decrescit, moritur</hi> zu beziehen. Das Gegenſtück ſ. oben Note 32.<lb/> Die Herbeiziehung des Begriffs der <hi rendition="#aq">universitas juris</hi> (<hi rendition="#g">Dernburg</hi> Compen-<lb/> ſation S. 119—129) iſt zur Erklärung unſerer Regel meiner Anſicht nach<lb/> weder nöthig, noch ausreichend.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0090]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die Technik. A. Die Analytik.
geſtellte Klage eine perſönliche, ſo war die Sache ziemlich einfach.
Der Kläger gab lediglich den Betrag ſeiner Forderung an,
ohne daß ihm ein gleiches rückſichtlich der Höhe des Pekuliums
obgelegen hätte; 72) er ſtellte vielmehr ſeinen Antrag nur unbe-
ſtimmt auf Zahlung „bis zum Betrag des Pekuliums“, es be-
durfte mithin nicht, wie bei der Dos, erſt eines Präjudicialver-
fahrens über dieſen Betrag, ſondern dieſer Punkt erledigte ſich
von ſelbſt bei Gelegenheit der Condemnation. Ungleich ſchwieri-
ger aber ſtand die Sache, wenn die angeſtellte Klage eine dingliche
war, alſo z. B. wenn der verſtorbene Herr des Sklaven das
Pekulium ihm ſelber oder irgend einem Andern in Vindications-
form legirt hatte. Der Legatar konnte hier ſeine Klage nicht auf
den Betrag oder den Werth des Pekuliums im Ganzen rich-
ten, ſondern er mußte die einzelnen Sachen vindiciren, 73)
und von Sachen laſſen ſich Schulden nicht abziehen, denn
Eigenthum und Obligation ſind irrationale Größen. 74) Der
Behauptung des Klägers „die Sachen ſind mein“ konnte der
Beklagte nicht entgegenſetzen „ich habe eine Forderung“, ſon-
dern ſein Forderungsrecht mußte, wenn ſonſt das Abzugsrecht
nicht verloren gehen ſollte, in dieſem Fall in eine Eigenthums-
quote umſchlagen, das Recht auf einen Werth ſich zum Recht
an der Subſtanz verdichten. 75) Damit waren Minuend und
Subtrahend in gleichartige Größen verwandelt, und in demſelben
Verhältniß, wie ſich der Betrag der Forderung des Beklagten
71)
72) L. 30 pr. de pec. (15. 1) .. intenditur enim recte, etiamsi nihil
sit in peculio.
73) L. 56 de R. V. (6. 1) .. singulas res .. petet.
74) L. 5 pr. de imp. (25. 1) .. etenim absurdum est, deminutionem
corporis fieri propter pecuniam.
75) Dieſer Gegenſatz iſt in der in den vorigen Noten citirten Stelle von
Ulpian ſehr klar erfaßt.
71) erescit, decrescit, moritur zu beziehen. Das Gegenſtück ſ. oben Note 32.
Die Herbeiziehung des Begriffs der universitas juris (Dernburg Compen-
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