und mit Heftigkeit sagte: und ich will haben, er soll Schul haben, sobald sich Gelegenheit dazu äußert! Simon versetzte: ich hätt' ihn zu Zellberg gelassen, der Pastor wird doch auch zu bezwingen seyn. Das hätte wohl geschehen können, antwortete Wilhelm, aber man hat ihn hernach doch immer auf dem Hals und wird seines Lebens nicht froh. Leiden ist besser als Streiten. Meinetwegen, fuhr Simon fort, ich scheer mich nichts um ihn, er sollte mir nur einmal zu nahe kommen! Wilhelm schwieg und dachte: das läßt sich in der Stube hinterm Ofen gut sagen.
Die mühselige Zeit des Handwerks dauerte für jetzo nicht lange; denn vierzehn Tage vor Weihnachten kam ein Brief von Dorlingen aus der Westphälischen Grafschaft Mark in Stilling's Hause an. Es wohnte daselbst ein reicher Mann, Namens Steifmann, welcher den jungen Stilling zum Haus-Informator verlangte. Die Bedinge waren: daß Herr Steifmann vom Neujahr an bis nächste Ostern Unterwei- sung für seine Kinder verlangte; dafür gab er Stilling Kost und Trank, Feuer und Licht; fünf Reichsthaler Lohn bekam er auch, allein dafür mußte er von den benachbarten Bauern so viel Kinder in die Lehre nehmen, als sie ihm schicken wür- den, das Schulgeld davon zog Steifmann ein; auf diese Weise hatte er die Schule fast umsonst.
Die alte Margarethe, Wilhelm, Elisabeth, Ma- riechen und Heinrich berathschlagten sich hierauf über die- sen Brief. Margarethe fing nach einiger Ueberlegung an: Wilhelm, behalte den Jungen bei dir! denk einmal! ein Kind so weit in die Fremde zu schicken, ist kein Spaß, es gibt wohl hier in der Nähe Gelegenheit für ihn. Das ist auch wahr! sagte Mariechen, mein Bruder Johann sagt oft: daß die Bauern da herum so grobe Leute wären, wer weiß, was sie mit dem guten Jungen anfangen werden, be- halt'ihn hier, Wilhelm! Elisabeth gab auch ihre Stimme; sie hielt aber dafür, daß es besser sey, wenn sich Heinrich etwas in der Welt versuchte; wenn sie zu befehlen hätte, so müßte er ziehen. Wilhelm schloß endlich, ohne zu sagen warum: wenn Heinrich Lust zu gehen hätte, so wär' er es
und mit Heftigkeit ſagte: und ich will haben, er ſoll Schul haben, ſobald ſich Gelegenheit dazu aͤußert! Simon verſetzte: ich haͤtt’ ihn zu Zellberg gelaſſen, der Paſtor wird doch auch zu bezwingen ſeyn. Das haͤtte wohl geſchehen koͤnnen, antwortete Wilhelm, aber man hat ihn hernach doch immer auf dem Hals und wird ſeines Lebens nicht froh. Leiden iſt beſſer als Streiten. Meinetwegen, fuhr Simon fort, ich ſcheer mich nichts um ihn, er ſollte mir nur einmal zu nahe kommen! Wilhelm ſchwieg und dachte: das laͤßt ſich in der Stube hinterm Ofen gut ſagen.
Die muͤhſelige Zeit des Handwerks dauerte fuͤr jetzo nicht lange; denn vierzehn Tage vor Weihnachten kam ein Brief von Dorlingen aus der Weſtphaͤliſchen Grafſchaft Mark in Stilling’s Hauſe an. Es wohnte daſelbſt ein reicher Mann, Namens Steifmann, welcher den jungen Stilling zum Haus-Informator verlangte. Die Bedinge waren: daß Herr Steifmann vom Neujahr an bis naͤchſte Oſtern Unterwei- ſung fuͤr ſeine Kinder verlangte; dafuͤr gab er Stilling Koſt und Trank, Feuer und Licht; fuͤnf Reichsthaler Lohn bekam er auch, allein dafuͤr mußte er von den benachbarten Bauern ſo viel Kinder in die Lehre nehmen, als ſie ihm ſchicken wuͤr- den, das Schulgeld davon zog Steifmann ein; auf dieſe Weiſe hatte er die Schule faſt umſonſt.
Die alte Margarethe, Wilhelm, Eliſabeth, Ma- riechen und Heinrich berathſchlagten ſich hierauf uͤber die- ſen Brief. Margarethe fing nach einiger Ueberlegung an: Wilhelm, behalte den Jungen bei dir! denk einmal! ein Kind ſo weit in die Fremde zu ſchicken, iſt kein Spaß, es gibt wohl hier in der Naͤhe Gelegenheit fuͤr ihn. Das iſt auch wahr! ſagte Mariechen, mein Bruder Johann ſagt oft: daß die Bauern da herum ſo grobe Leute waͤren, wer weiß, was ſie mit dem guten Jungen anfangen werden, be- halt’ihn hier, Wilhelm! Eliſabeth gab auch ihre Stimme; ſie hielt aber dafuͤr, daß es beſſer ſey, wenn ſich Heinrich etwas in der Welt verſuchte; wenn ſie zu befehlen haͤtte, ſo muͤßte er ziehen. Wilhelm ſchloß endlich, ohne zu ſagen warum: wenn Heinrich Luſt zu gehen haͤtte, ſo waͤr’ er es
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ich haͤtt’ ihn zu Zellberg gelaſſen, der Paſtor wird doch
auch zu bezwingen ſeyn. Das haͤtte wohl geſchehen koͤnnen,
antwortete Wilhelm, aber man hat ihn hernach doch immer
auf dem Hals und wird ſeines Lebens nicht froh. Leiden iſt
beſſer als Streiten. Meinetwegen, fuhr Simon fort, ich
ſcheer mich nichts um ihn, er ſollte mir nur einmal zu nahe
kommen! Wilhelm ſchwieg und dachte: das laͤßt ſich in der
Stube hinterm Ofen gut ſagen.
Die muͤhſelige Zeit des Handwerks dauerte fuͤr jetzo nicht
lange; denn vierzehn Tage vor Weihnachten kam ein Brief
von Dorlingen aus der Weſtphaͤliſchen Grafſchaft Mark in
Stilling’s Hauſe an. Es wohnte daſelbſt ein reicher Mann,
Namens Steifmann, welcher den jungen Stilling zum
Haus-Informator verlangte. Die Bedinge waren: daß Herr
Steifmann vom Neujahr an bis naͤchſte Oſtern Unterwei-
ſung fuͤr ſeine Kinder verlangte; dafuͤr gab er Stilling Koſt
und Trank, Feuer und Licht; fuͤnf Reichsthaler Lohn bekam
er auch, allein dafuͤr mußte er von den benachbarten Bauern
ſo viel Kinder in die Lehre nehmen, als ſie ihm ſchicken wuͤr-
den, das Schulgeld davon zog Steifmann ein; auf dieſe
Weiſe hatte er die Schule faſt umſonſt.
Die alte Margarethe, Wilhelm, Eliſabeth, Ma-
riechen und Heinrich berathſchlagten ſich hierauf uͤber die-
ſen Brief. Margarethe fing nach einiger Ueberlegung an:
Wilhelm, behalte den Jungen bei dir! denk einmal! ein
Kind ſo weit in die Fremde zu ſchicken, iſt kein Spaß, es
gibt wohl hier in der Naͤhe Gelegenheit fuͤr ihn. Das iſt
auch wahr! ſagte Mariechen, mein Bruder Johann ſagt
oft: daß die Bauern da herum ſo grobe Leute waͤren, wer
weiß, was ſie mit dem guten Jungen anfangen werden, be-
halt’ihn hier, Wilhelm! Eliſabeth gab auch ihre Stimme;
ſie hielt aber dafuͤr, daß es beſſer ſey, wenn ſich Heinrich
etwas in der Welt verſuchte; wenn ſie zu befehlen haͤtte, ſo
muͤßte er ziehen. Wilhelm ſchloß endlich, ohne zu ſagen
warum: wenn Heinrich Luſt zu gehen haͤtte, ſo waͤr’ er es
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/129>, abgerufen am 23.11.2024.
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