brachte ihn am Abend in einen Flecken, welcher an der Gränze des Salen'schen Landes liegt.
Hier kehrte er in einem Wirthshause ein und schrieb einen Brief an seinen Vater nach Leindorf, in welchem er zärt- lich Abschied von ihm nahm, und ihm versprach, sobald er sich irgendwo niederlassen würde, alles umständlich zu schreiben. Unter den Bürgergästen, welche des Abends in diesem Hause tranken, waren verschiedene Fuhrleute, eine Art Menschen, bei denen man sich am allerbesten nach den Wegen erkundi- gen kann. Stilling fragte sie, wohin diese Landstraße führe. Sie sagten: nach Schönenthal. Nun hatte er in seinem Leben viel von dieser weitberühmten Handelsstadt gehört; er beschloß also, dahin zu reisen, ließ sich deßwegen die Oerter an dieser Landstraße und ihre Entfernung von einander sagen, dieses alles zeichnete er in seine Schreibtafel auf und legte sich ruhig schlafen.
Des andern Morgens, nachdem er Kaffee getrunken und ein Frühstück genommen hatte, empfahl er sich Gott und setzte seinen Stab weiter; es war aber so nebelig, daß er kaum einige Schritte vor sich hin sehen konnte; da er nun auf eine große Haide kam, wo viele Wege neben einander hergingen, so folgte er immer demjenigen, welcher ihm am gebahntesten schien. Als sich nun zwischen zehn und eilf Uhr der Nebel vertheilte und die Sonne durchbrach, so fand er, daß sein Weg gegen Morgen ging. Er erschrack herzlich, wanderte noch ein wenig fort, bis auf eine Anhöhe, da sah er nun den Flecken wieder nahe vor sich, in welchem er über Nacht geschlafen hatte. Er kehrte wieder um, und da nun der Himmel heiter war, so fand er die große Heerstraße, die ihn binnen einer Stunde auf eine große Höhe führte.
Hier setzte er sich an einen grünen Rasen und schaute gegen Südosten. Da sah er nun in der Ferne das alte Geisen- berger Schloß, den Giller, den höchsten Hügel und andere gewohnte Gegenden mehr. Ein tiefer Seufzer stieg ihm in der Brust auf, Thränen floßen ihm die Wangen herun- ter, er zog seine Tafel heraus und schrieb:
brachte ihn am Abend in einen Flecken, welcher an der Graͤnze des Salen’ſchen Landes liegt.
Hier kehrte er in einem Wirthshauſe ein und ſchrieb einen Brief an ſeinen Vater nach Leindorf, in welchem er zaͤrt- lich Abſchied von ihm nahm, und ihm verſprach, ſobald er ſich irgendwo niederlaſſen wuͤrde, alles umſtaͤndlich zu ſchreiben. Unter den Buͤrgergaͤſten, welche des Abends in dieſem Hauſe tranken, waren verſchiedene Fuhrleute, eine Art Menſchen, bei denen man ſich am allerbeſten nach den Wegen erkundi- gen kann. Stilling fragte ſie, wohin dieſe Landſtraße fuͤhre. Sie ſagten: nach Schoͤnenthal. Nun hatte er in ſeinem Leben viel von dieſer weitberuͤhmten Handelsſtadt gehoͤrt; er beſchloß alſo, dahin zu reiſen, ließ ſich deßwegen die Oerter an dieſer Landſtraße und ihre Entfernung von einander ſagen, dieſes alles zeichnete er in ſeine Schreibtafel auf und legte ſich ruhig ſchlafen.
Des andern Morgens, nachdem er Kaffee getrunken und ein Fruͤhſtuͤck genommen hatte, empfahl er ſich Gott und ſetzte ſeinen Stab weiter; es war aber ſo nebelig, daß er kaum einige Schritte vor ſich hin ſehen konnte; da er nun auf eine große Haide kam, wo viele Wege neben einander hergingen, ſo folgte er immer demjenigen, welcher ihm am gebahnteſten ſchien. Als ſich nun zwiſchen zehn und eilf Uhr der Nebel vertheilte und die Sonne durchbrach, ſo fand er, daß ſein Weg gegen Morgen ging. Er erſchrack herzlich, wanderte noch ein wenig fort, bis auf eine Anhoͤhe, da ſah er nun den Flecken wieder nahe vor ſich, in welchem er uͤber Nacht geſchlafen hatte. Er kehrte wieder um, und da nun der Himmel heiter war, ſo fand er die große Heerſtraße, die ihn binnen einer Stunde auf eine große Hoͤhe fuͤhrte.
Hier ſetzte er ſich an einen gruͤnen Raſen und ſchaute gegen Suͤdoſten. Da ſah er nun in der Ferne das alte Geiſen- berger Schloß, den Giller, den hoͤchſten Huͤgel und andere gewohnte Gegenden mehr. Ein tiefer Seufzer ſtieg ihm in der Bruſt auf, Thraͤnen floßen ihm die Wangen herun- ter, er zog ſeine Tafel heraus und ſchrieb:
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brachte ihn am Abend in einen Flecken, welcher an der Graͤnze
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Hier kehrte er in einem Wirthshauſe ein und ſchrieb einen
Brief an ſeinen Vater nach Leindorf, in welchem er zaͤrt-
lich Abſchied von ihm nahm, und ihm verſprach, ſobald er ſich
irgendwo niederlaſſen wuͤrde, alles umſtaͤndlich zu ſchreiben.
Unter den Buͤrgergaͤſten, welche des Abends in dieſem Hauſe
tranken, waren verſchiedene Fuhrleute, eine Art Menſchen,
bei denen man ſich am allerbeſten nach den Wegen erkundi-
gen kann. Stilling fragte ſie, wohin dieſe Landſtraße fuͤhre.
Sie ſagten: nach Schoͤnenthal. Nun hatte er in ſeinem
Leben viel von dieſer weitberuͤhmten Handelsſtadt gehoͤrt; er
beſchloß alſo, dahin zu reiſen, ließ ſich deßwegen die Oerter
an dieſer Landſtraße und ihre Entfernung von einander ſagen,
dieſes alles zeichnete er in ſeine Schreibtafel auf und legte ſich
ruhig ſchlafen.
Des andern Morgens, nachdem er Kaffee getrunken und
ein Fruͤhſtuͤck genommen hatte, empfahl er ſich Gott und ſetzte
ſeinen Stab weiter; es war aber ſo nebelig, daß er kaum
einige Schritte vor ſich hin ſehen konnte; da er nun auf eine
große Haide kam, wo viele Wege neben einander hergingen,
ſo folgte er immer demjenigen, welcher ihm am gebahnteſten
ſchien. Als ſich nun zwiſchen zehn und eilf Uhr der Nebel
vertheilte und die Sonne durchbrach, ſo fand er, daß ſein Weg
gegen Morgen ging. Er erſchrack herzlich, wanderte noch ein
wenig fort, bis auf eine Anhoͤhe, da ſah er nun den Flecken
wieder nahe vor ſich, in welchem er uͤber Nacht geſchlafen
hatte. Er kehrte wieder um, und da nun der Himmel heiter
war, ſo fand er die große Heerſtraße, die ihn binnen einer
Stunde auf eine große Hoͤhe fuͤhrte.
Hier ſetzte er ſich an einen gruͤnen Raſen und ſchaute gegen
Suͤdoſten. Da ſah er nun in der Ferne das alte Geiſen-
berger Schloß, den Giller, den hoͤchſten Huͤgel und
andere gewohnte Gegenden mehr. Ein tiefer Seufzer ſtieg
ihm in der Bruſt auf, Thraͤnen floßen ihm die Wangen herun-
ter, er zog ſeine Tafel heraus und ſchrieb:
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/204>, abgerufen am 09.11.2024.
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