hatte ihm seinen Namen gesagt) Stilling antwortete: ich hab' lange diese Sprache nicht mehr gehört; und da ich nun sehe, daß Sie Leute sind, die Gott lieben, so weiß ich mich vor Freude nicht zu fassen. Meister Isaac fuhr fort: Seyd Ihr dann auch ein Freund vom Christenthum und von wahrer Gottseligkeit?
O ja! versetzte Stilling: von Herzen!
Der Schöffe lachte vor Freuden, und sagte: da haben wir also einen Bruder mehr. Meister Isaac und Schöffe Schauer- hof reichten und schüttelten ihm die Hand, und waren sehr froh. Des Abends nach dem Essen ging der Geselle und der Lehrjunge nach Haus, der Schöffe aber, Isaac und Stil- ling blieben noch lange beisammen, rauchten Tabak, tranken Bier dazu, und redeten auf eine erbauliche Weise vom Christen- thum. Heinrich Stilling lebte nun wieder vergnügt zu Waldstätt; auf so viele Leiden und Gefangenschaft schmeckte nun der Friede und die Freiheit so viel süßer. Er hatte von all seiner Drangsal seinem Vater nicht Ein Wort geschrieben, um ihn nicht zu betrüben; jetzt aber, da er von Hochberg ab und wieder bei dem Handwerk war, so schrieb er ihm Vieles, aber nicht alles. Die Antwort, welche er darauf erhielt, war wie- derum eine Bekräftigung, daß er zur Unterweisung der Jugend nicht geschaffen sey.
Als Stilling nun einige Tage bei Meister Isaac gewe- sen war, so fing Letzterer einsmals über der Arbeit mit ihm an, von seinen Kleidern zu sprechen; der andere Geselle und der Lehrbursche waren nicht gegenwärtig; er erkundigte sich genau nach allem, was er hatte. Als Isaac das alles hörte, stand er alsofort auf, und holte ihm schönes violettes Tuch zum Rock, einen schönen neuen Hut, schwarzes Tuch zur Weste, Zeug zum Unterwämmschen und zu Hosen, ein paar gute feine Strümpfe, deßgleichen mußte ihm der Schuhmacher Schuhe anmessen, und seine Frau machte ihm sechs neue Hemden; alles dieses war in vierzehn Tagen fertig. Nun gab ihm sein Meister auch einen von seinen Rohrstäben in die Hand; und damit war Stilling schöner gekleidet, als er in seinem Leben gewesen war; dazu war auch alles nach der Mode, und nun durfte er sich sehen lassen.
hatte ihm ſeinen Namen geſagt) Stilling antwortete: ich hab’ lange dieſe Sprache nicht mehr gehoͤrt; und da ich nun ſehe, daß Sie Leute ſind, die Gott lieben, ſo weiß ich mich vor Freude nicht zu faſſen. Meiſter Iſaac fuhr fort: Seyd Ihr dann auch ein Freund vom Chriſtenthum und von wahrer Gottſeligkeit?
O ja! verſetzte Stilling: von Herzen!
Der Schoͤffe lachte vor Freuden, und ſagte: da haben wir alſo einen Bruder mehr. Meiſter Iſaac und Schoͤffe Schauer- hof reichten und ſchuͤttelten ihm die Hand, und waren ſehr froh. Des Abends nach dem Eſſen ging der Geſelle und der Lehrjunge nach Haus, der Schoͤffe aber, Iſaac und Stil- ling blieben noch lange beiſammen, rauchten Tabak, tranken Bier dazu, und redeten auf eine erbauliche Weiſe vom Chriſten- thum. Heinrich Stilling lebte nun wieder vergnuͤgt zu Waldſtaͤtt; auf ſo viele Leiden und Gefangenſchaft ſchmeckte nun der Friede und die Freiheit ſo viel ſuͤßer. Er hatte von all ſeiner Drangſal ſeinem Vater nicht Ein Wort geſchrieben, um ihn nicht zu betruͤben; jetzt aber, da er von Hochberg ab und wieder bei dem Handwerk war, ſo ſchrieb er ihm Vieles, aber nicht alles. Die Antwort, welche er darauf erhielt, war wie- derum eine Bekraͤftigung, daß er zur Unterweiſung der Jugend nicht geſchaffen ſey.
Als Stilling nun einige Tage bei Meiſter Iſaac gewe- ſen war, ſo fing Letzterer einsmals uͤber der Arbeit mit ihm an, von ſeinen Kleidern zu ſprechen; der andere Geſelle und der Lehrburſche waren nicht gegenwaͤrtig; er erkundigte ſich genau nach allem, was er hatte. Als Iſaac das alles hoͤrte, ſtand er alſofort auf, und holte ihm ſchoͤnes violettes Tuch zum Rock, einen ſchoͤnen neuen Hut, ſchwarzes Tuch zur Weſte, Zeug zum Unterwaͤmmschen und zu Hoſen, ein paar gute feine Struͤmpfe, deßgleichen mußte ihm der Schuhmacher Schuhe anmeſſen, und ſeine Frau machte ihm ſechs neue Hemden; alles dieſes war in vierzehn Tagen fertig. Nun gab ihm ſein Meiſter auch einen von ſeinen Rohrſtaͤben in die Hand; und damit war Stilling ſchoͤner gekleidet, als er in ſeinem Leben geweſen war; dazu war auch alles nach der Mode, und nun durfte er ſich ſehen laſſen.
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hatte ihm ſeinen Namen geſagt) Stilling antwortete: ich
hab’ lange dieſe Sprache nicht mehr gehoͤrt; und da ich nun
ſehe, daß Sie Leute ſind, die Gott lieben, ſo weiß ich mich vor
Freude nicht zu faſſen. Meiſter Iſaac fuhr fort: Seyd Ihr dann
auch ein Freund vom Chriſtenthum und von wahrer Gottſeligkeit?
O ja! verſetzte Stilling: von Herzen!
Der Schoͤffe lachte vor Freuden, und ſagte: da haben wir
alſo einen Bruder mehr. Meiſter Iſaac und Schoͤffe Schauer-
hof reichten und ſchuͤttelten ihm die Hand, und waren ſehr
froh. Des Abends nach dem Eſſen ging der Geſelle und der
Lehrjunge nach Haus, der Schoͤffe aber, Iſaac und Stil-
ling blieben noch lange beiſammen, rauchten Tabak, tranken
Bier dazu, und redeten auf eine erbauliche Weiſe vom Chriſten-
thum. Heinrich Stilling lebte nun wieder vergnuͤgt zu
Waldſtaͤtt; auf ſo viele Leiden und Gefangenſchaft ſchmeckte
nun der Friede und die Freiheit ſo viel ſuͤßer. Er hatte von all
ſeiner Drangſal ſeinem Vater nicht Ein Wort geſchrieben, um
ihn nicht zu betruͤben; jetzt aber, da er von Hochberg ab und
wieder bei dem Handwerk war, ſo ſchrieb er ihm Vieles, aber
nicht alles. Die Antwort, welche er darauf erhielt, war wie-
derum eine Bekraͤftigung, daß er zur Unterweiſung der Jugend
nicht geſchaffen ſey.
Als Stilling nun einige Tage bei Meiſter Iſaac gewe-
ſen war, ſo fing Letzterer einsmals uͤber der Arbeit mit ihm an,
von ſeinen Kleidern zu ſprechen; der andere Geſelle und der
Lehrburſche waren nicht gegenwaͤrtig; er erkundigte ſich genau
nach allem, was er hatte. Als Iſaac das alles hoͤrte, ſtand
er alſofort auf, und holte ihm ſchoͤnes violettes Tuch zum Rock,
einen ſchoͤnen neuen Hut, ſchwarzes Tuch zur Weſte, Zeug zum
Unterwaͤmmschen und zu Hoſen, ein paar gute feine Struͤmpfe,
deßgleichen mußte ihm der Schuhmacher Schuhe anmeſſen, und
ſeine Frau machte ihm ſechs neue Hemden; alles dieſes war
in vierzehn Tagen fertig. Nun gab ihm ſein Meiſter auch einen
von ſeinen Rohrſtaͤben in die Hand; und damit war Stilling
ſchoͤner gekleidet, als er in ſeinem Leben geweſen war; dazu
war auch alles nach der Mode, und nun durfte er ſich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/232>, abgerufen am 26.11.2024.
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