allein am Tisch, und trank den Caffee aus einem kleinen Känn- chen, das für ihn allein gemacht war. Langsam drehte er sich um, sah Stillingen ins Gesicht, und sagte:
"Guten Morgen, Herr Präceptor!"
Stilling war bluthroth, er wußte nicht, was er sagen sollte, doch erholte er sich geschwind, und sagte: Ihr Diener, Herr Spanier. Doch dieser schwieg nun wieder still, und trank seinen Caffee fort. Stilling aber begab sich auch an seine Arbeit.
Nach einigen Stunden spazierte Spanier auf und ab in der Stube, und sagte kein Wort; endlich stand er vor Stil- lingen hin, sah ihm eine Weile zu, und sagte:
"Das geht Euch so gut von statten, Stilling! als wenn Ihr zum Schneider geboren wäret, aber das seyd Ihr doch nicht?"
Wie so? fragte Stilling.
"Eben darum, versetzte Spanier: weil ich Euch zum In- formator bei meinen Kindern haben will."
Meister Isaac sah Stillingen an und lächelte.
Nein, Herr Spanier! erwiederte Stilling, daraus wird nichts; ich bin unwiderruflich entschlossen, nicht wieder zu in- formiren. Ich bin jetzt ruhig und wohl bei meinem Hand- werk, und davon werde ich nicht wieder abgehen.
Herr Spanier schüttelte den Kopf, lachte, und fuhr fort: "Das will ich Euch doch wohl anders lehren, ich habe so manchen Berg in der Welt eben und gleich gemacht, und sollte Euch nicht auf andere Sinne bringen, dessen würde ich mich vor mir selber schämen.
Nun schwieg er den Tag davon still. Stilling aber bat seinen Meister, daß er ihn des Abends möchte nach Haus gehen lassen, um Herrn Spaniers Nachstellungen zu ent- gehen; allein Meister Isaac wollte das nicht geschehen lassen, deßwegen waffnete sich Stilling aufs beste, um Herrn Spa- nier mit den wichtigsten Gründen widerstehen zu können.
Des andern Tages traf sichs wieder, daß Herr Spanier in der Stube auf und abging; er fing gegen Stilling an:
"Hört Stilling! wenn ich mir ein schönes Kleid machen
allein am Tiſch, und trank den Caffee aus einem kleinen Kaͤnn- chen, das fuͤr ihn allein gemacht war. Langſam drehte er ſich um, ſah Stillingen ins Geſicht, und ſagte:
„Guten Morgen, Herr Praͤceptor!“
Stilling war bluthroth, er wußte nicht, was er ſagen ſollte, doch erholte er ſich geſchwind, und ſagte: Ihr Diener, Herr Spanier. Doch dieſer ſchwieg nun wieder ſtill, und trank ſeinen Caffee fort. Stilling aber begab ſich auch an ſeine Arbeit.
Nach einigen Stunden ſpazierte Spanier auf und ab in der Stube, und ſagte kein Wort; endlich ſtand er vor Stil- lingen hin, ſah ihm eine Weile zu, und ſagte:
„Das geht Euch ſo gut von ſtatten, Stilling! als wenn Ihr zum Schneider geboren waͤret, aber das ſeyd Ihr doch nicht?“
Wie ſo? fragte Stilling.
„Eben darum, verſetzte Spanier: weil ich Euch zum In- formator bei meinen Kindern haben will.“
Meiſter Iſaac ſah Stillingen an und laͤchelte.
Nein, Herr Spanier! erwiederte Stilling, daraus wird nichts; ich bin unwiderruflich entſchloſſen, nicht wieder zu in- formiren. Ich bin jetzt ruhig und wohl bei meinem Hand- werk, und davon werde ich nicht wieder abgehen.
Herr Spanier ſchuͤttelte den Kopf, lachte, und fuhr fort: „Das will ich Euch doch wohl anders lehren, ich habe ſo manchen Berg in der Welt eben und gleich gemacht, und ſollte Euch nicht auf andere Sinne bringen, deſſen wuͤrde ich mich vor mir ſelber ſchaͤmen.
Nun ſchwieg er den Tag davon ſtill. Stilling aber bat ſeinen Meiſter, daß er ihn des Abends moͤchte nach Haus gehen laſſen, um Herrn Spaniers Nachſtellungen zu ent- gehen; allein Meiſter Iſaac wollte das nicht geſchehen laſſen, deßwegen waffnete ſich Stilling aufs beſte, um Herrn Spa- nier mit den wichtigſten Gruͤnden widerſtehen zu koͤnnen.
Des andern Tages traf ſichs wieder, daß Herr Spanier in der Stube auf und abging; er fing gegen Stilling an:
„Hoͤrt Stilling! wenn ich mir ein ſchoͤnes Kleid machen
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„Guten Morgen, Herr Praͤceptor!“
Stilling war bluthroth, er wußte nicht, was er ſagen
ſollte, doch erholte er ſich geſchwind, und ſagte: Ihr Diener,
Herr Spanier. Doch dieſer ſchwieg nun wieder ſtill, und
trank ſeinen Caffee fort. Stilling aber begab ſich auch an
ſeine Arbeit.
Nach einigen Stunden ſpazierte Spanier auf und ab in
der Stube, und ſagte kein Wort; endlich ſtand er vor Stil-
lingen hin, ſah ihm eine Weile zu, und ſagte:
„Das geht Euch ſo gut von ſtatten, Stilling! als wenn
Ihr zum Schneider geboren waͤret, aber das ſeyd Ihr doch
nicht?“
Wie ſo? fragte Stilling.
„Eben darum, verſetzte Spanier: weil ich Euch zum In-
formator bei meinen Kindern haben will.“
Meiſter Iſaac ſah Stillingen an und laͤchelte.
Nein, Herr Spanier! erwiederte Stilling, daraus wird
nichts; ich bin unwiderruflich entſchloſſen, nicht wieder zu in-
formiren. Ich bin jetzt ruhig und wohl bei meinem Hand-
werk, und davon werde ich nicht wieder abgehen.
Herr Spanier ſchuͤttelte den Kopf, lachte, und fuhr fort:
„Das will ich Euch doch wohl anders lehren, ich habe ſo
manchen Berg in der Welt eben und gleich gemacht, und ſollte
Euch nicht auf andere Sinne bringen, deſſen wuͤrde ich mich
vor mir ſelber ſchaͤmen.
Nun ſchwieg er den Tag davon ſtill. Stilling aber bat
ſeinen Meiſter, daß er ihn des Abends moͤchte nach Haus
gehen laſſen, um Herrn Spaniers Nachſtellungen zu ent-
gehen; allein Meiſter Iſaac wollte das nicht geſchehen laſſen,
deßwegen waffnete ſich Stilling aufs beſte, um Herrn Spa-
nier mit den wichtigſten Gruͤnden widerſtehen zu koͤnnen.
Des andern Tages traf ſichs wieder, daß Herr Spanier
in der Stube auf und abging; er fing gegen Stilling an:
„Hoͤrt Stilling! wenn ich mir ein ſchoͤnes Kleid machen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/239>, abgerufen am 09.11.2024.
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