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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Des kühlen Bachs entferntes Rauschen
Schwimmt wie auf sanften Flügeln her.
Und wie des Frühlings Sänger lauschen,
So horcht mein Ohr; von ohngefähr
Ertönt der Vögel süßes Zirbeln
Und mischt sich in der Bäche Wirbeln.
Jetzt heb' ich froh die Augenlider
Zu allen hohen Bergen auf,
Und schlag sie wieder freudig nieder,
Vollführe munter meinen Lauf.
Nun kann ich mit vergnügten Blicken
Den Geist der Qual zur Höllen schicken.
Noch einmal schau ich kühn zurücke
Ins Schattenthal der Schwermuth hin,
Und sehe mit gewohntem Blicke
Den Ort, wo ich gewesen bin,
Ich hör' ein wildes Chaos brausen,
Und Unglücks-Winde stürmend sausen.
Gleichwie ein blaß Gespenste wanket,
In öden Zimmern hin und her,
Wie's da im blöden Nachtschein schwanket,
Streicht längs die Wand und ächzet schwer,
Bemüht sich lang ein Wort zu sagen,
Und Jemand seine Noth zu klagen.
So wankt' ich auch im Höllen-Schlunde,
Im schwärz'sten Kummer auf und ab,
Man grub mir jede Marterstunde
Ein neues grausenvolles Grab.
Tief unten hört ich Drachen grollen,
Hoch droben schwarze Donner rollen.
Ich ging und schaute hin und wieder,
Fand Todes-Engel um mich gehen,
Und Blitze zuckten auf mich nieder,
Ich sah ein Pförtchen offen stehen,
Ich eilte durch, und fand mit Freuden
Das Ende meiner schweren Leiden.
Ich schlüpfte hin im stillen Schatten,
Es war noch dämmernd um mich her.
Ich fühlte meinen Fuß ermatten,
Mir wurde jeder Tritt so schwer:
Des kühlen Bachs entferntes Rauſchen
Schwimmt wie auf ſanften Flügeln her.
Und wie des Frühlings Sänger lauſchen,
So horcht mein Ohr; von ohngefähr
Ertönt der Vögel ſüßes Zirbeln
Und miſcht ſich in der Bäche Wirbeln.
Jetzt heb’ ich froh die Augenlider
Zu allen hohen Bergen auf,
Und ſchlag ſie wieder freudig nieder,
Vollführe munter meinen Lauf.
Nun kann ich mit vergnügten Blicken
Den Geiſt der Qual zur Höllen ſchicken.
Noch einmal ſchau ich kühn zurücke
Ins Schattenthal der Schwermuth hin,
Und ſehe mit gewohntem Blicke
Den Ort, wo ich geweſen bin,
Ich hör’ ein wildes Chaos brauſen,
Und Ungluͤcks-Winde ſtürmend ſauſen.
Gleichwie ein blaß Geſpenſte wanket,
In öden Zimmern hin und her,
Wie’s da im blöden Nachtſchein ſchwanket,
Streicht längs die Wand und ächzet ſchwer,
Bemüht ſich lang ein Wort zu ſagen,
Und Jemand ſeine Noth zu klagen.
So wankt’ ich auch im Höllen-Schlunde,
Im ſchwärz’ſten Kummer auf und ab,
Man grub mir jede Marterſtunde
Ein neues grauſenvolles Grab.
Tief unten hört ich Drachen grollen,
Hoch droben ſchwarze Donner rollen.
Ich ging und ſchaute hin und wieder,
Fand Todes-Engel um mich gehen,
Und Blitze zuckten auf mich nieder,
Ich ſah ein Pförtchen offen ſtehen,
Ich eilte durch, und fand mit Freuden
Das Ende meiner ſchweren Leiden.
Ich ſchlüpfte hin im ſtillen Schatten,
Es war noch dämmernd um mich her.
Ich fühlte meinen Fuß ermatten,
Mir wurde jeder Tritt ſo ſchwer:
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[235/0243] Des kühlen Bachs entferntes Rauſchen Schwimmt wie auf ſanften Flügeln her. Und wie des Frühlings Sänger lauſchen, So horcht mein Ohr; von ohngefähr Ertönt der Vögel ſüßes Zirbeln Und miſcht ſich in der Bäche Wirbeln. Jetzt heb’ ich froh die Augenlider Zu allen hohen Bergen auf, Und ſchlag ſie wieder freudig nieder, Vollführe munter meinen Lauf. Nun kann ich mit vergnügten Blicken Den Geiſt der Qual zur Höllen ſchicken. Noch einmal ſchau ich kühn zurücke Ins Schattenthal der Schwermuth hin, Und ſehe mit gewohntem Blicke Den Ort, wo ich geweſen bin, Ich hör’ ein wildes Chaos brauſen, Und Ungluͤcks-Winde ſtürmend ſauſen. Gleichwie ein blaß Geſpenſte wanket, In öden Zimmern hin und her, Wie’s da im blöden Nachtſchein ſchwanket, Streicht längs die Wand und ächzet ſchwer, Bemüht ſich lang ein Wort zu ſagen, Und Jemand ſeine Noth zu klagen. So wankt’ ich auch im Höllen-Schlunde, Im ſchwärz’ſten Kummer auf und ab, Man grub mir jede Marterſtunde Ein neues grauſenvolles Grab. Tief unten hört ich Drachen grollen, Hoch droben ſchwarze Donner rollen. Ich ging und ſchaute hin und wieder, Fand Todes-Engel um mich gehen, Und Blitze zuckten auf mich nieder, Ich ſah ein Pförtchen offen ſtehen, Ich eilte durch, und fand mit Freuden Das Ende meiner ſchweren Leiden. Ich ſchlüpfte hin im ſtillen Schatten, Es war noch dämmernd um mich her. Ich fühlte meinen Fuß ermatten, Mir wurde jeder Tritt ſo ſchwer:

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/243>, abgerufen am 25.11.2024.