das Geringste von seinen Grundsätzen zu widerrufen; dann suchte er seinem Gegner, dem niederländischen Kaufmann, rich- tige Begriffe von seiner Denkungsart beizubringen, und ver- mied dabei alle Bitterkeit, so viel als ihm möglich war. Aus- ser noch einigen kleinen Neckereien, die weiter keine Folgen hat- ten, ging nun die ganze Sache damit zu Ende.
Um diese Zeit entstanden zu Schönenthal zwei Anstalten, an welchen Stilling vielen Antheil hatte: verschiedene edle und aufgeklärte Männer errichteten eine geschlossene Gesellschaft, die sich Mittwochs Abends zu dem Ende versammelte, um sich durch Lesen nützlicher Schriften und Unterredung über man- cherlei Materie wechselseitig zu vervollkommnen. Wer Lust und Kraft hatte, konnte auch Abhandlungen vorlesen. Vermittelst festgesetzter Beiträge wurde allmählich eine Bibliothek von auserlesenen Büchern gesammelt und die ganze Anstalt gemein- nützig gemacht; sie blüht und besteht noch, und ist seit der Zeit noch weit blühender und zahlreicher geworden.
Hier hatte nun Stilling, der, nebst seinen beständigen Freunden Troost und Dinkler, eins der ersten Mitglieder war, Gelegenheit, sein Talent zu zeigen, und sich den Auser- lesensten seiner Mitbürger besser bekannt zu machen: er legte Eulers Briefe an eine deutsche Prinzessin zum Grunde, und las in der Versammlung der geschlossenen Gesellschaft ein Collegium über die Physik: dadurch empfahl er sich un- gemein; alle Mitglieder gewannen ihn lieb und unterstützten ihn auf allerlei Weise; freilich wurden seine Schulden dadurch nicht vermindert, im Gegentheil: der Mangel an Praxis ver- größerte sie von einem Tag zum andern, allein sie wären doch noch größer geworden, wenn sich Stilling alles hätte anschaffen sollen, was ihm von diesen braven Männern ge- schenkt wurde.
Die zweite Anstalt betraf einen mineralischen Brunnen, welcher in der Nähe von Schönenthal entdeckt wurde. Dink- ler, Troost und Stilling betrieben die Sache, und Letz- terer wurde von der Obrigkeit zum Brunnenarzt verordnet, er bekam zwar keinen Gehalt, allein seine Praxis wurde doch um Etwas vermehrt, obgleich nicht in dem Maße, daß er
23 *
das Geringſte von ſeinen Grundſaͤtzen zu widerrufen; dann ſuchte er ſeinem Gegner, dem niederlaͤndiſchen Kaufmann, rich- tige Begriffe von ſeiner Denkungsart beizubringen, und ver- mied dabei alle Bitterkeit, ſo viel als ihm moͤglich war. Auſ- ſer noch einigen kleinen Neckereien, die weiter keine Folgen hat- ten, ging nun die ganze Sache damit zu Ende.
Um dieſe Zeit entſtanden zu Schoͤnenthal zwei Anſtalten, an welchen Stilling vielen Antheil hatte: verſchiedene edle und aufgeklaͤrte Maͤnner errichteten eine geſchloſſene Geſellſchaft, die ſich Mittwochs Abends zu dem Ende verſammelte, um ſich durch Leſen nuͤtzlicher Schriften und Unterredung uͤber man- cherlei Materie wechſelſeitig zu vervollkommnen. Wer Luſt und Kraft hatte, konnte auch Abhandlungen vorleſen. Vermittelſt feſtgeſetzter Beitraͤge wurde allmaͤhlich eine Bibliothek von auserleſenen Buͤchern geſammelt und die ganze Anſtalt gemein- nuͤtzig gemacht; ſie bluͤht und beſteht noch, und iſt ſeit der Zeit noch weit bluͤhender und zahlreicher geworden.
Hier hatte nun Stilling, der, nebſt ſeinen beſtaͤndigen Freunden Trooſt und Dinkler, eins der erſten Mitglieder war, Gelegenheit, ſein Talent zu zeigen, und ſich den Auser- leſenſten ſeiner Mitbuͤrger beſſer bekannt zu machen: er legte Eulers Briefe an eine deutſche Prinzeſſin zum Grunde, und las in der Verſammlung der geſchloſſenen Geſellſchaft ein Collegium uͤber die Phyſik: dadurch empfahl er ſich un- gemein; alle Mitglieder gewannen ihn lieb und unterſtuͤtzten ihn auf allerlei Weiſe; freilich wurden ſeine Schulden dadurch nicht vermindert, im Gegentheil: der Mangel an Praxis ver- groͤßerte ſie von einem Tag zum andern, allein ſie waͤren doch noch groͤßer geworden, wenn ſich Stilling alles haͤtte anſchaffen ſollen, was ihm von dieſen braven Maͤnnern ge- ſchenkt wurde.
Die zweite Anſtalt betraf einen mineraliſchen Brunnen, welcher in der Naͤhe von Schoͤnenthal entdeckt wurde. Dink- ler, Trooſt und Stilling betrieben die Sache, und Letz- terer wurde von der Obrigkeit zum Brunnenarzt verordnet, er bekam zwar keinen Gehalt, allein ſeine Praxis wurde doch um Etwas vermehrt, obgleich nicht in dem Maße, daß er
23 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0351"n="343"/>
das Geringſte von ſeinen Grundſaͤtzen zu widerrufen; dann<lb/>ſuchte er ſeinem Gegner, dem niederlaͤndiſchen Kaufmann, rich-<lb/>
tige Begriffe von ſeiner Denkungsart beizubringen, und ver-<lb/>
mied dabei alle Bitterkeit, ſo viel als ihm moͤglich war. Auſ-<lb/>ſer noch einigen kleinen Neckereien, die weiter keine Folgen hat-<lb/>
ten, ging nun die ganze Sache damit zu Ende.</p><lb/><p>Um dieſe Zeit entſtanden zu <hirendition="#g">Schoͤnenthal</hi> zwei Anſtalten,<lb/>
an welchen <hirendition="#g">Stilling</hi> vielen Antheil hatte: verſchiedene edle<lb/>
und aufgeklaͤrte Maͤnner errichteten eine geſchloſſene Geſellſchaft,<lb/>
die ſich Mittwochs Abends zu dem Ende verſammelte, um ſich<lb/>
durch Leſen nuͤtzlicher Schriften und Unterredung uͤber man-<lb/>
cherlei Materie wechſelſeitig zu vervollkommnen. Wer Luſt und<lb/>
Kraft hatte, konnte auch Abhandlungen vorleſen. Vermittelſt<lb/>
feſtgeſetzter Beitraͤge wurde allmaͤhlich eine Bibliothek von<lb/>
auserleſenen Buͤchern geſammelt und die ganze Anſtalt gemein-<lb/>
nuͤtzig gemacht; ſie bluͤht und beſteht noch, und iſt ſeit der<lb/>
Zeit noch weit bluͤhender und zahlreicher geworden.</p><lb/><p>Hier hatte nun <hirendition="#g">Stilling</hi>, der, nebſt ſeinen beſtaͤndigen<lb/>
Freunden <hirendition="#g">Trooſt</hi> und <hirendition="#g">Dinkler</hi>, eins der erſten Mitglieder<lb/>
war, Gelegenheit, ſein Talent zu zeigen, und ſich den Auser-<lb/>
leſenſten ſeiner Mitbuͤrger beſſer bekannt zu machen: er legte<lb/><hirendition="#g">Eulers</hi> Briefe an eine deutſche Prinzeſſin zum Grunde,<lb/>
und las in der Verſammlung der geſchloſſenen Geſellſchaft<lb/>
ein Collegium uͤber die Phyſik: dadurch empfahl er ſich un-<lb/>
gemein; alle Mitglieder gewannen ihn lieb und unterſtuͤtzten<lb/>
ihn auf allerlei Weiſe; freilich wurden ſeine Schulden dadurch<lb/>
nicht vermindert, im Gegentheil: der Mangel an Praxis ver-<lb/>
groͤßerte ſie von einem Tag zum andern, allein ſie waͤren<lb/>
doch noch groͤßer geworden, wenn ſich <hirendition="#g">Stilling</hi> alles haͤtte<lb/>
anſchaffen ſollen, was ihm von dieſen braven Maͤnnern ge-<lb/>ſchenkt wurde.</p><lb/><p>Die zweite Anſtalt betraf einen mineraliſchen Brunnen,<lb/>
welcher in der Naͤhe von Schoͤnenthal entdeckt wurde. <hirendition="#g">Dink-<lb/>
ler, Trooſt</hi> und <hirendition="#g">Stilling</hi> betrieben die Sache, und Letz-<lb/>
terer wurde von der Obrigkeit zum Brunnenarzt verordnet,<lb/>
er bekam zwar keinen Gehalt, allein ſeine Praxis wurde doch<lb/>
um Etwas vermehrt, obgleich nicht in dem Maße, daß er<lb/><fwplace="bottom"type="sig">23 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[343/0351]
das Geringſte von ſeinen Grundſaͤtzen zu widerrufen; dann
ſuchte er ſeinem Gegner, dem niederlaͤndiſchen Kaufmann, rich-
tige Begriffe von ſeiner Denkungsart beizubringen, und ver-
mied dabei alle Bitterkeit, ſo viel als ihm moͤglich war. Auſ-
ſer noch einigen kleinen Neckereien, die weiter keine Folgen hat-
ten, ging nun die ganze Sache damit zu Ende.
Um dieſe Zeit entſtanden zu Schoͤnenthal zwei Anſtalten,
an welchen Stilling vielen Antheil hatte: verſchiedene edle
und aufgeklaͤrte Maͤnner errichteten eine geſchloſſene Geſellſchaft,
die ſich Mittwochs Abends zu dem Ende verſammelte, um ſich
durch Leſen nuͤtzlicher Schriften und Unterredung uͤber man-
cherlei Materie wechſelſeitig zu vervollkommnen. Wer Luſt und
Kraft hatte, konnte auch Abhandlungen vorleſen. Vermittelſt
feſtgeſetzter Beitraͤge wurde allmaͤhlich eine Bibliothek von
auserleſenen Buͤchern geſammelt und die ganze Anſtalt gemein-
nuͤtzig gemacht; ſie bluͤht und beſteht noch, und iſt ſeit der
Zeit noch weit bluͤhender und zahlreicher geworden.
Hier hatte nun Stilling, der, nebſt ſeinen beſtaͤndigen
Freunden Trooſt und Dinkler, eins der erſten Mitglieder
war, Gelegenheit, ſein Talent zu zeigen, und ſich den Auser-
leſenſten ſeiner Mitbuͤrger beſſer bekannt zu machen: er legte
Eulers Briefe an eine deutſche Prinzeſſin zum Grunde,
und las in der Verſammlung der geſchloſſenen Geſellſchaft
ein Collegium uͤber die Phyſik: dadurch empfahl er ſich un-
gemein; alle Mitglieder gewannen ihn lieb und unterſtuͤtzten
ihn auf allerlei Weiſe; freilich wurden ſeine Schulden dadurch
nicht vermindert, im Gegentheil: der Mangel an Praxis ver-
groͤßerte ſie von einem Tag zum andern, allein ſie waͤren
doch noch groͤßer geworden, wenn ſich Stilling alles haͤtte
anſchaffen ſollen, was ihm von dieſen braven Maͤnnern ge-
ſchenkt wurde.
Die zweite Anſtalt betraf einen mineraliſchen Brunnen,
welcher in der Naͤhe von Schoͤnenthal entdeckt wurde. Dink-
ler, Trooſt und Stilling betrieben die Sache, und Letz-
terer wurde von der Obrigkeit zum Brunnenarzt verordnet,
er bekam zwar keinen Gehalt, allein ſeine Praxis wurde doch
um Etwas vermehrt, obgleich nicht in dem Maße, daß er
23 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/351>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.