Himmel hat nicht geirrt! Das wollte ihm aber am übelsten einleuchten, daß Stilling wieder zu heirathen entschlossen war.
Da nun der erste Versuch, eine Gattin zu finden, mißlun- gen war, so fing Stillings Hausfreund Kühlenbach an, vorzuschlagen: er wüßte nämlich in S ... eine vortreffliche Jungfer, welche ein ziemliches Vermögen hätte, und diese, hoffte er, würde für Stilling seyn. Das muß ich noch bemerken, daß jetzt Jedermann zu einer reichen Frau rieth, denn man urtheilte, dadurch würde ihm am ersten geholfen werden, und er selbst glaubte, das sey das beste Mittel, frei- lich schauderte er oft für sich und seine Kinder, wenn er an eine reiche Gattin dachte, die vielleicht weiter keine gute Ei- genschaften hätte; indessen verließ er sich auf Gott: Küh- lenbach zog also die Ostern fort, und auf Pfingsten reiste Stilling nach S ..., um den zweiten Versuch zu machen, aber auch dieser nebst dem dritten schlug fehl, denn beide Per- sonen waren versprochen.
Jetzt machte Stilling ein großes Punktum hinter diese Bemühungen; es war ganz und gar seine Sache nicht, Körbe zu holen, er trat also mit gebeugtem Herzen vor Gott, und mit dem innigsten kindlichen Vertrauen zu seinem himmlischen Vater sagte er: "Ich übergebe dir, mein Vater! mein Schick- sal ganz, ich habe nun gethan, was ich konnte, jetzt erwarte ich deinen Wink; ist es dein Wille, daß ich wieder heira- rathen soll, so führe du mir eine treue Gattin zu; soll ich aber einsam bleiben, so beruhige mein Herz!"
Zu der Zeit wohnte die vortreffliche Frau geheime Staats- räthin, Sophie von la Roche, mit ihrem Gemahl und noch unverheiratheten Kindern in S.... Stilling hatte sie besucht, da er aber ihre vertraute Freundschaft noch nicht ge- noß, so hatte er ihr von seinem Vorhaben nichts gesagt.
Den ersten Posttag nach obigem Gebet und kindlicher Ue- berlassung an die Vorsehung, bekam er ganz unerwartet einen Brief von jener vortrefflichen Dame; er öffnete ihn begierig, und fand unter andern mit Erstaunen folgendes:
"Ihre hiesigen Freunde sind nicht so vorsichtig gewesen, als "Sie bei mir waren, denn hier ist es eine allgemein bekannte
Himmel hat nicht geirrt! Das wollte ihm aber am uͤbelſten einleuchten, daß Stilling wieder zu heirathen entſchloſſen war.
Da nun der erſte Verſuch, eine Gattin zu finden, mißlun- gen war, ſo fing Stillings Hausfreund Kuͤhlenbach an, vorzuſchlagen: er wuͤßte naͤmlich in S … eine vortreffliche Jungfer, welche ein ziemliches Vermoͤgen haͤtte, und dieſe, hoffte er, wuͤrde fuͤr Stilling ſeyn. Das muß ich noch bemerken, daß jetzt Jedermann zu einer reichen Frau rieth, denn man urtheilte, dadurch wuͤrde ihm am erſten geholfen werden, und er ſelbſt glaubte, das ſey das beſte Mittel, frei- lich ſchauderte er oft fuͤr ſich und ſeine Kinder, wenn er an eine reiche Gattin dachte, die vielleicht weiter keine gute Ei- genſchaften haͤtte; indeſſen verließ er ſich auf Gott: Kuͤh- lenbach zog alſo die Oſtern fort, und auf Pfingſten reiste Stilling nach S …, um den zweiten Verſuch zu machen, aber auch dieſer nebſt dem dritten ſchlug fehl, denn beide Per- ſonen waren verſprochen.
Jetzt machte Stilling ein großes Punktum hinter dieſe Bemuͤhungen; es war ganz und gar ſeine Sache nicht, Koͤrbe zu holen, er trat alſo mit gebeugtem Herzen vor Gott, und mit dem innigſten kindlichen Vertrauen zu ſeinem himmliſchen Vater ſagte er: „Ich uͤbergebe dir, mein Vater! mein Schick- ſal ganz, ich habe nun gethan, was ich konnte, jetzt erwarte ich deinen Wink; iſt es dein Wille, daß ich wieder heira- rathen ſoll, ſo fuͤhre du mir eine treue Gattin zu; ſoll ich aber einſam bleiben, ſo beruhige mein Herz!“
Zu der Zeit wohnte die vortreffliche Frau geheime Staats- raͤthin, Sophie von la Roche, mit ihrem Gemahl und noch unverheiratheten Kindern in S.... Stilling hatte ſie beſucht, da er aber ihre vertraute Freundſchaft noch nicht ge- noß, ſo hatte er ihr von ſeinem Vorhaben nichts geſagt.
Den erſten Poſttag nach obigem Gebet und kindlicher Ue- berlaſſung an die Vorſehung, bekam er ganz unerwartet einen Brief von jener vortrefflichen Dame; er oͤffnete ihn begierig, und fand unter andern mit Erſtaunen folgendes:
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Himmel hat nicht geirrt! Das wollte ihm aber am uͤbelſten
einleuchten, daß Stilling wieder zu heirathen entſchloſſen war.
Da nun der erſte Verſuch, eine Gattin zu finden, mißlun-
gen war, ſo fing Stillings Hausfreund Kuͤhlenbach an,
vorzuſchlagen: er wuͤßte naͤmlich in S … eine vortreffliche
Jungfer, welche ein ziemliches Vermoͤgen haͤtte, und dieſe,
hoffte er, wuͤrde fuͤr Stilling ſeyn. Das muß ich noch
bemerken, daß jetzt Jedermann zu einer reichen Frau rieth,
denn man urtheilte, dadurch wuͤrde ihm am erſten geholfen
werden, und er ſelbſt glaubte, das ſey das beſte Mittel, frei-
lich ſchauderte er oft fuͤr ſich und ſeine Kinder, wenn er an
eine reiche Gattin dachte, die vielleicht weiter keine gute Ei-
genſchaften haͤtte; indeſſen verließ er ſich auf Gott: Kuͤh-
lenbach zog alſo die Oſtern fort, und auf Pfingſten reiste
Stilling nach S …, um den zweiten Verſuch zu machen,
aber auch dieſer nebſt dem dritten ſchlug fehl, denn beide Per-
ſonen waren verſprochen.
Jetzt machte Stilling ein großes Punktum hinter dieſe
Bemuͤhungen; es war ganz und gar ſeine Sache nicht, Koͤrbe
zu holen, er trat alſo mit gebeugtem Herzen vor Gott, und
mit dem innigſten kindlichen Vertrauen zu ſeinem himmliſchen
Vater ſagte er: „Ich uͤbergebe dir, mein Vater! mein Schick-
ſal ganz, ich habe nun gethan, was ich konnte, jetzt erwarte
ich deinen Wink; iſt es dein Wille, daß ich wieder heira-
rathen ſoll, ſo fuͤhre du mir eine treue Gattin zu; ſoll ich
aber einſam bleiben, ſo beruhige mein Herz!“
Zu der Zeit wohnte die vortreffliche Frau geheime Staats-
raͤthin, Sophie von la Roche, mit ihrem Gemahl und
noch unverheiratheten Kindern in S.... Stilling hatte ſie
beſucht, da er aber ihre vertraute Freundſchaft noch nicht ge-
noß, ſo hatte er ihr von ſeinem Vorhaben nichts geſagt.
Den erſten Poſttag nach obigem Gebet und kindlicher Ue-
berlaſſung an die Vorſehung, bekam er ganz unerwartet einen
Brief von jener vortrefflichen Dame; er oͤffnete ihn begierig,
und fand unter andern mit Erſtaunen folgendes:
„Ihre hieſigen Freunde ſind nicht ſo vorſichtig geweſen, als
„Sie bei mir waren, denn hier iſt es eine allgemein bekannte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/403>, abgerufen am 22.11.2024.
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