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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Nun ging P.... und seine Gattin und von Florintin
schleunig fort ins Gartenhaus, und ließen Stilling und
Selma allein.

Jetzt trat er zu ihr, präsentirte ihr seinen Arm, und führte
sie langsam vorwärts; eben so gerade und ohne Umschweife
sagte er zu ihr: "Mademoiselle! Sie wissen, wer ich bin,
"(denn sie hatte seine Geschichte gelesen) Sie wissen auch
"den Zweck meiner Reise, ich habe kein Vermögen, aber hin-
"längliches Einkommen und zwei Kinder, mein Charakter ist
"so, wie ich ihn in meiner Lebensgeschichte beschrieben habe;
"können Sie sich entschließen, meine Gattin zu werden, so
"halten Sie mich nicht lange auf, ich bin gewohnt, ohne
"Umschweife zum Ziel zu eilen, ich glaube, Ihre Wahl wird
"Sie nie gereuen, ich fürchte Gott, und werde suchen, Sie
"glücklich zu machen."

Selma erholte sich aus ihrer Bestürzung; mit einer un-
aussprechlich holden Miene schlug sie ihre geistvollen Augen
empor, reckte die rechte Hand mit dem Fächer in die Höhe,
und sagte: Was die Vorsehung will -- das will ich
auch
!

Indem kamen sie auch im Gartenhause an; hier wurde
er nun besehen, ausgeforscht, geprüft und auf allen Seiten
beleuchtet. Nur Selma schlug die Augen nieder, und sagte
kein Wort. Stilling stellte sich ungeschminkt dar, wie er
war, und heuchelte nicht. Jetzt wurde nun die Abrede ge-
nommen, daß Selma mit ihrem Bruder, Nachmittags nach
Tische, zur Frau von la Roche kommen, und daß alsdann
weiter von der Sache geredet werden sollte. Damit ging Je-
der wieder nach Hause.

Sophie fragte gleich beim Eintritt ins Zimmer: wie hat
Ihnen meine Selma gefallen?

"Vortrefflich! sie ist ein Engel!"

Nicht wahr? ich hoffe, Gott wird sie Ihnen zuführen.

Nach Tische wurde nun Selma sehnlich erwartet, aber
sie kam nicht. Sophie und Stilling geriethen in Angst,
Beiden drangen die Thränen in die Augen; endlich that die
vortreffliche Frau einen Vorschlag: wenn allenfalls Selma

Nun ging P.... und ſeine Gattin und von Florintin
ſchleunig fort ins Gartenhaus, und ließen Stilling und
Selma allein.

Jetzt trat er zu ihr, praͤſentirte ihr ſeinen Arm, und fuͤhrte
ſie langſam vorwaͤrts; eben ſo gerade und ohne Umſchweife
ſagte er zu ihr: „Mademoiſelle! Sie wiſſen, wer ich bin,
„(denn ſie hatte ſeine Geſchichte geleſen) Sie wiſſen auch
„den Zweck meiner Reiſe, ich habe kein Vermoͤgen, aber hin-
„laͤngliches Einkommen und zwei Kinder, mein Charakter iſt
„ſo, wie ich ihn in meiner Lebensgeſchichte beſchrieben habe;
„koͤnnen Sie ſich entſchließen, meine Gattin zu werden, ſo
„halten Sie mich nicht lange auf, ich bin gewohnt, ohne
„Umſchweife zum Ziel zu eilen, ich glaube, Ihre Wahl wird
„Sie nie gereuen, ich fuͤrchte Gott, und werde ſuchen, Sie
„gluͤcklich zu machen.“

Selma erholte ſich aus ihrer Beſtuͤrzung; mit einer un-
ausſprechlich holden Miene ſchlug ſie ihre geiſtvollen Augen
empor, reckte die rechte Hand mit dem Faͤcher in die Hoͤhe,
und ſagte: Was die Vorſehung will — das will ich
auch
!

Indem kamen ſie auch im Gartenhauſe an; hier wurde
er nun beſehen, ausgeforſcht, gepruͤft und auf allen Seiten
beleuchtet. Nur Selma ſchlug die Augen nieder, und ſagte
kein Wort. Stilling ſtellte ſich ungeſchminkt dar, wie er
war, und heuchelte nicht. Jetzt wurde nun die Abrede ge-
nommen, daß Selma mit ihrem Bruder, Nachmittags nach
Tiſche, zur Frau von la Roche kommen, und daß alsdann
weiter von der Sache geredet werden ſollte. Damit ging Je-
der wieder nach Hauſe.

Sophie fragte gleich beim Eintritt ins Zimmer: wie hat
Ihnen meine Selma gefallen?

„Vortrefflich! ſie iſt ein Engel!“

Nicht wahr? ich hoffe, Gott wird ſie Ihnen zufuͤhren.

Nach Tiſche wurde nun Selma ſehnlich erwartet, aber
ſie kam nicht. Sophie und Stilling geriethen in Angſt,
Beiden drangen die Thraͤnen in die Augen; endlich that die
vortreffliche Frau einen Vorſchlag: wenn allenfalls Selma

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[400/0408] Nun ging P.... und ſeine Gattin und von Florintin ſchleunig fort ins Gartenhaus, und ließen Stilling und Selma allein. Jetzt trat er zu ihr, praͤſentirte ihr ſeinen Arm, und fuͤhrte ſie langſam vorwaͤrts; eben ſo gerade und ohne Umſchweife ſagte er zu ihr: „Mademoiſelle! Sie wiſſen, wer ich bin, „(denn ſie hatte ſeine Geſchichte geleſen) Sie wiſſen auch „den Zweck meiner Reiſe, ich habe kein Vermoͤgen, aber hin- „laͤngliches Einkommen und zwei Kinder, mein Charakter iſt „ſo, wie ich ihn in meiner Lebensgeſchichte beſchrieben habe; „koͤnnen Sie ſich entſchließen, meine Gattin zu werden, ſo „halten Sie mich nicht lange auf, ich bin gewohnt, ohne „Umſchweife zum Ziel zu eilen, ich glaube, Ihre Wahl wird „Sie nie gereuen, ich fuͤrchte Gott, und werde ſuchen, Sie „gluͤcklich zu machen.“ Selma erholte ſich aus ihrer Beſtuͤrzung; mit einer un- ausſprechlich holden Miene ſchlug ſie ihre geiſtvollen Augen empor, reckte die rechte Hand mit dem Faͤcher in die Hoͤhe, und ſagte: Was die Vorſehung will — das will ich auch! Indem kamen ſie auch im Gartenhauſe an; hier wurde er nun beſehen, ausgeforſcht, gepruͤft und auf allen Seiten beleuchtet. Nur Selma ſchlug die Augen nieder, und ſagte kein Wort. Stilling ſtellte ſich ungeſchminkt dar, wie er war, und heuchelte nicht. Jetzt wurde nun die Abrede ge- nommen, daß Selma mit ihrem Bruder, Nachmittags nach Tiſche, zur Frau von la Roche kommen, und daß alsdann weiter von der Sache geredet werden ſollte. Damit ging Je- der wieder nach Hauſe. Sophie fragte gleich beim Eintritt ins Zimmer: wie hat Ihnen meine Selma gefallen? „Vortrefflich! ſie iſt ein Engel!“ Nicht wahr? ich hoffe, Gott wird ſie Ihnen zufuͤhren. Nach Tiſche wurde nun Selma ſehnlich erwartet, aber ſie kam nicht. Sophie und Stilling geriethen in Angſt, Beiden drangen die Thraͤnen in die Augen; endlich that die vortreffliche Frau einen Vorſchlag: wenn allenfalls Selma

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/408>, abgerufen am 22.11.2024.