genehmer, als fette Milch mit Wetßbrod und Eierpfannen- kuchen. Herr Moritz zog indessen seinen abgetragenen brau- nen Rock mit schwarzen Knöpfen und Knöpflöchern an, nahm sein lakirt gewesenes Rohr, ging und sagte: Da will ich zum Amtsverwalter gehen, er wird mir seine Flinte leihen, und dann will ich sehen, ob ich etwas schießen kann. Das that er oft, denn er war in seiner Jugend ein Freund von der Jagd gewesen.
Nun waren unsere Verlobten allein, und das hatten sie Beide gewünscht. Wie er fort war schlugen sie die Hände in ein- ander, saßen neben einander, und erzählten sich, was ein Je- des empfunden, geredet und gethan, seitdem sie sich einander gefallen hatten. Sobald sie fertig waren, fingen sie wieder von vorne an, und gaben der Geschichte vielerlei Wendungen; so war sie immer neu: für alle Menschen langweilig, nur für sie nicht.
Friedrike, Moritzens andere Tochter, unterbrach dieses Vergnügen. Sie stürmte herein, indem sie ein altes Historien-Lied dahersang. Sie stutzte. Stör' ich euch? fragte sie. -- Du störst mich nie, sagte Dortchen; denn ich gebe nie- mals Acht auf das, was du sagst oder thust. Ja, du bist fromm, versetzte jene; aber du darfst doch so nah bei dem Schulmeister sitzen? doch der ist auch fromm. -- Und noch dazu dein Schwager, fiel ihr Dorthe in die Rede, heute haben wir uns versprochen. -- Das gibt also eine Hochzeit für mich, sagte Friedrike, und hüpfte wieder zur Thüre hinaus.
Indem sie so vergnügt beisammen saßen, stürmte Friedrike wüthend wieder in die Kammer. Ach! rief sie stammelnd, da bringen sie meinen Vater blutig ins Dorf. Jost, der Jäger, schlägt ihn noch immer, und drei von Junkers Knech- ten schleppen ihn fort. Ach! sie schlagen ihn todt! Dort- chen that einen hellen Schrei und floh zur Thüre hinaus. Wilhelm eilte ihr nach, aber der gute Mensch konnte nicht so geschwind fort, wie die Mädchen. Sein Bruder Johann wohnte nah bei Moritzen, dem rief er. Diese beide gingen dann auf den Lärm zu. Sie fanden Moritzen in dem Wirths-
genehmer, als fette Milch mit Wetßbrod und Eierpfannen- kuchen. Herr Moritz zog indeſſen ſeinen abgetragenen brau- nen Rock mit ſchwarzen Knoͤpfen und Knoͤpfloͤchern an, nahm ſein lakirt geweſenes Rohr, ging und ſagte: Da will ich zum Amtsverwalter gehen, er wird mir ſeine Flinte leihen, und dann will ich ſehen, ob ich etwas ſchießen kann. Das that er oft, denn er war in ſeiner Jugend ein Freund von der Jagd geweſen.
Nun waren unſere Verlobten allein, und das hatten ſie Beide gewuͤnſcht. Wie er fort war ſchlugen ſie die Haͤnde in ein- ander, ſaßen neben einander, und erzaͤhlten ſich, was ein Je- des empfunden, geredet und gethan, ſeitdem ſie ſich einander gefallen hatten. Sobald ſie fertig waren, fingen ſie wieder von vorne an, und gaben der Geſchichte vielerlei Wendungen; ſo war ſie immer neu: fuͤr alle Menſchen langweilig, nur fuͤr ſie nicht.
Friedrike, Moritzens andere Tochter, unterbrach dieſes Vergnuͤgen. Sie ſtuͤrmte herein, indem ſie ein altes Hiſtorien-Lied daherſang. Sie ſtutzte. Stoͤr’ ich euch? fragte ſie. — Du ſtoͤrſt mich nie, ſagte Dortchen; denn ich gebe nie- mals Acht auf das, was du ſagſt oder thuſt. Ja, du biſt fromm, verſetzte jene; aber du darfſt doch ſo nah bei dem Schulmeiſter ſitzen? doch der iſt auch fromm. — Und noch dazu dein Schwager, fiel ihr Dorthe in die Rede, heute haben wir uns verſprochen. — Das gibt alſo eine Hochzeit fuͤr mich, ſagte Friedrike, und huͤpfte wieder zur Thuͤre hinaus.
Indem ſie ſo vergnuͤgt beiſammen ſaßen, ſtuͤrmte Friedrike wuͤthend wieder in die Kammer. Ach! rief ſie ſtammelnd, da bringen ſie meinen Vater blutig ins Dorf. Joſt, der Jaͤger, ſchlaͤgt ihn noch immer, und drei von Junkers Knech- ten ſchleppen ihn fort. Ach! ſie ſchlagen ihn todt! Dort- chen that einen hellen Schrei und floh zur Thuͤre hinaus. Wilhelm eilte ihr nach, aber der gute Menſch konnte nicht ſo geſchwind fort, wie die Maͤdchen. Sein Bruder Johann wohnte nah bei Moritzen, dem rief er. Dieſe beide gingen dann auf den Laͤrm zu. Sie fanden Moritzen in dem Wirths-
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genehmer, als fette Milch mit Wetßbrod und Eierpfannen-
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Amtsverwalter gehen, er wird mir ſeine Flinte leihen, und
dann will ich ſehen, ob ich etwas ſchießen kann. Das that
er oft, denn er war in ſeiner Jugend ein Freund von der Jagd
geweſen.
Nun waren unſere Verlobten allein, und das hatten ſie Beide
gewuͤnſcht. Wie er fort war ſchlugen ſie die Haͤnde in ein-
ander, ſaßen neben einander, und erzaͤhlten ſich, was ein Je-
des empfunden, geredet und gethan, ſeitdem ſie ſich einander
gefallen hatten. Sobald ſie fertig waren, fingen ſie wieder
von vorne an, und gaben der Geſchichte vielerlei Wendungen;
ſo war ſie immer neu: fuͤr alle Menſchen langweilig, nur fuͤr
ſie nicht.
Friedrike, Moritzens andere Tochter, unterbrach
dieſes Vergnuͤgen. Sie ſtuͤrmte herein, indem ſie ein altes
Hiſtorien-Lied daherſang. Sie ſtutzte. Stoͤr’ ich euch? fragte
ſie. — Du ſtoͤrſt mich nie, ſagte Dortchen; denn ich gebe nie-
mals Acht auf das, was du ſagſt oder thuſt. Ja, du biſt
fromm, verſetzte jene; aber du darfſt doch ſo nah bei dem
Schulmeiſter ſitzen? doch der iſt auch fromm. — Und noch
dazu dein Schwager, fiel ihr Dorthe in die Rede, heute haben
wir uns verſprochen. — Das gibt alſo eine Hochzeit fuͤr mich,
ſagte Friedrike, und huͤpfte wieder zur Thuͤre hinaus.
Indem ſie ſo vergnuͤgt beiſammen ſaßen, ſtuͤrmte Friedrike
wuͤthend wieder in die Kammer. Ach! rief ſie ſtammelnd,
da bringen ſie meinen Vater blutig ins Dorf. Joſt, der
Jaͤger, ſchlaͤgt ihn noch immer, und drei von Junkers Knech-
ten ſchleppen ihn fort. Ach! ſie ſchlagen ihn todt! Dort-
chen that einen hellen Schrei und floh zur Thuͤre hinaus.
Wilhelm eilte ihr nach, aber der gute Menſch konnte nicht
ſo geſchwind fort, wie die Maͤdchen. Sein Bruder Johann
wohnte nah bei Moritzen, dem rief er. Dieſe beide gingen
dann auf den Laͤrm zu. Sie fanden Moritzen in dem Wirths-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/42>, abgerufen am 03.12.2024.
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