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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Tugendthaten anfeuert, durch liebreiche Erinnerungen uns von
Irrwegen und Fehltritten zurückruft, in guten Tagen uns
mit weisem Rath unterstützt, zur Leidensstunde unsere Thrä-
nen abtrocknet, ohne einen solchen Freund zu haben, was wär
unser Leben? Und doch muß das Vergnügen der allervoll-
kommensten Freundschaft demjenigen weichen, welches dem
tugendhaften Manne die eheliche Verbindung mit einem tu-
gendhaften Weibe gewährt.

"Da ich nun heute das Glück haben soll, ein so seliges
Band durch das heilige Siegel der Religion zu befestigen,
werden Sie, meine hochzuverehrenden Zuhörer! mir erlauben,
daß ich, ehe ich meine Hände auf die zusammengeschlagenen
Hände meines verehrungswürdigsten Freundes und der künf-
tigen liebenswürdigen Gefährtin seines Lebens lege, Sie mit
einer kurzen Abschilderung von den reinen Freuden der eheli-
chen sanften Freundschaft unterhalte, welche durch religiöse
Gesinnungen und edle Tugendliebe der Verbundenen gehei-
ligt ist.

"Herrlich und an seligen Wonnegefühlen reich, ist der Bund,
den der fromme und edeldenkende Jüngling mit dem leiblichen
Gefährten seiner blühenden Jahre aufrichtet. Mitten unter
dem Gedränge einer Welt, die sich aus kindischer Eitelkeit
verbindet, und aus niedrigem Eigennutz wieder trennt, ent-
deckt der fühlbare Jüngling eine schöne Seele, die ihn durch
einen unwiderstehlichen Zug einer edlen Sympathie zur innig-
sten Vereinigung und süßesten Bruderliebe einladet. Ein gleich-
gestimmtes Herz, voll unverderbter Naturempfindung, ähnliche
Neigung für das, was schön und gut, und edel und groß ist,
führte sie zusammen; sie sehen einander, und freundliches Zu-
trauen schwebt auf ihrem Angesicht; sie sprechen einander
und zusammenstimmen ihre Gedanken, und gegen einander
öffnen sich ihre Herzen, und eine Seele zieht die andere an
sich; schon kennen sie sich, und schwören, Hand in Hand,
sich ewig zu lieben: aber David und Jonathan lieben in
einer Welt, worin Verhältnisse, die uns heilig und ehrwürdig
seyn müssen, oft die süßesten Freundschaftsbünde auflösen,
oft freudenlos, oder wohl gar zu einem Anlaß schmerzhafter

Tugendthaten anfeuert, durch liebreiche Erinnerungen uns von
Irrwegen und Fehltritten zuruͤckruft, in guten Tagen uns
mit weiſem Rath unterſtuͤtzt, zur Leidensſtunde unſere Thraͤ-
nen abtrocknet, ohne einen ſolchen Freund zu haben, was waͤr
unſer Leben? Und doch muß das Vergnuͤgen der allervoll-
kommenſten Freundſchaft demjenigen weichen, welches dem
tugendhaften Manne die eheliche Verbindung mit einem tu-
gendhaften Weibe gewaͤhrt.

„Da ich nun heute das Gluͤck haben ſoll, ein ſo ſeliges
Band durch das heilige Siegel der Religion zu befeſtigen,
werden Sie, meine hochzuverehrenden Zuhoͤrer! mir erlauben,
daß ich, ehe ich meine Haͤnde auf die zuſammengeſchlagenen
Haͤnde meines verehrungswuͤrdigſten Freundes und der kuͤnf-
tigen liebenswuͤrdigen Gefaͤhrtin ſeines Lebens lege, Sie mit
einer kurzen Abſchilderung von den reinen Freuden der eheli-
chen ſanften Freundſchaft unterhalte, welche durch religioͤſe
Geſinnungen und edle Tugendliebe der Verbundenen gehei-
ligt iſt.

„Herrlich und an ſeligen Wonnegefuͤhlen reich, iſt der Bund,
den der fromme und edeldenkende Juͤngling mit dem leiblichen
Gefaͤhrten ſeiner bluͤhenden Jahre aufrichtet. Mitten unter
dem Gedraͤnge einer Welt, die ſich aus kindiſcher Eitelkeit
verbindet, und aus niedrigem Eigennutz wieder trennt, ent-
deckt der fuͤhlbare Juͤngling eine ſchoͤne Seele, die ihn durch
einen unwiderſtehlichen Zug einer edlen Sympathie zur innig-
ſten Vereinigung und ſuͤßeſten Bruderliebe einladet. Ein gleich-
geſtimmtes Herz, voll unverderbter Naturempfindung, aͤhnliche
Neigung fuͤr das, was ſchoͤn und gut, und edel und groß iſt,
fuͤhrte ſie zuſammen; ſie ſehen einander, und freundliches Zu-
trauen ſchwebt auf ihrem Angeſicht; ſie ſprechen einander
und zuſammenſtimmen ihre Gedanken, und gegen einander
oͤffnen ſich ihre Herzen, und eine Seele zieht die andere an
ſich; ſchon kennen ſie ſich, und ſchwoͤren, Hand in Hand,
ſich ewig zu lieben: aber David und Jonathan lieben in
einer Welt, worin Verhaͤltniſſe, die uns heilig und ehrwuͤrdig
ſeyn muͤſſen, oft die ſuͤßeſten Freundſchaftsbuͤnde aufloͤſen,
oft freudenlos, oder wohl gar zu einem Anlaß ſchmerzhafter

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[412/0420] Tugendthaten anfeuert, durch liebreiche Erinnerungen uns von Irrwegen und Fehltritten zuruͤckruft, in guten Tagen uns mit weiſem Rath unterſtuͤtzt, zur Leidensſtunde unſere Thraͤ- nen abtrocknet, ohne einen ſolchen Freund zu haben, was waͤr unſer Leben? Und doch muß das Vergnuͤgen der allervoll- kommenſten Freundſchaft demjenigen weichen, welches dem tugendhaften Manne die eheliche Verbindung mit einem tu- gendhaften Weibe gewaͤhrt. „Da ich nun heute das Gluͤck haben ſoll, ein ſo ſeliges Band durch das heilige Siegel der Religion zu befeſtigen, werden Sie, meine hochzuverehrenden Zuhoͤrer! mir erlauben, daß ich, ehe ich meine Haͤnde auf die zuſammengeſchlagenen Haͤnde meines verehrungswuͤrdigſten Freundes und der kuͤnf- tigen liebenswuͤrdigen Gefaͤhrtin ſeines Lebens lege, Sie mit einer kurzen Abſchilderung von den reinen Freuden der eheli- chen ſanften Freundſchaft unterhalte, welche durch religioͤſe Geſinnungen und edle Tugendliebe der Verbundenen gehei- ligt iſt. „Herrlich und an ſeligen Wonnegefuͤhlen reich, iſt der Bund, den der fromme und edeldenkende Juͤngling mit dem leiblichen Gefaͤhrten ſeiner bluͤhenden Jahre aufrichtet. Mitten unter dem Gedraͤnge einer Welt, die ſich aus kindiſcher Eitelkeit verbindet, und aus niedrigem Eigennutz wieder trennt, ent- deckt der fuͤhlbare Juͤngling eine ſchoͤne Seele, die ihn durch einen unwiderſtehlichen Zug einer edlen Sympathie zur innig- ſten Vereinigung und ſuͤßeſten Bruderliebe einladet. Ein gleich- geſtimmtes Herz, voll unverderbter Naturempfindung, aͤhnliche Neigung fuͤr das, was ſchoͤn und gut, und edel und groß iſt, fuͤhrte ſie zuſammen; ſie ſehen einander, und freundliches Zu- trauen ſchwebt auf ihrem Angeſicht; ſie ſprechen einander und zuſammenſtimmen ihre Gedanken, und gegen einander oͤffnen ſich ihre Herzen, und eine Seele zieht die andere an ſich; ſchon kennen ſie ſich, und ſchwoͤren, Hand in Hand, ſich ewig zu lieben: aber David und Jonathan lieben in einer Welt, worin Verhaͤltniſſe, die uns heilig und ehrwuͤrdig ſeyn muͤſſen, oft die ſuͤßeſten Freundſchaftsbuͤnde aufloͤſen, oft freudenlos, oder wohl gar zu einem Anlaß ſchmerzhafter

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/420>, abgerufen am 22.11.2024.