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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Herz der fromm gewählten Gattin findet in dem Manne, der
Gott und die Tugend liebt, einen sichern Gefährten auf der
Reise des Lebens, einen treuen Rathgeber in verlegenen Um-
ständen, einen muthigen Beschützer in Gefahren, einen groß-
müthigen, bis in den Tod beständigen Freund. Was er zum
Besten der Welt, des Vaterlandes, seines Hauses wirkt, das
hat Alles einen wohlthätigen Einfluß auf das Glück und die
Freuden des Weibes, dem er mit seiner Hand auch sein Herz
geschenkt hat. Von der Arbeit des Tages ermüdet, eilt er zu
der süßen Gesellschafterin seines Lebens, theilt ihr die gesam-
melten Erfahrungen und Kenntnisse mit, sucht eine jede her-
vorschießende Blüthe ihres Geistes zu entwickeln, jedem schüch-
ternen Wunsch ihres liebevollen Herzens zuvorzukommen, ver-
gißt gern die nagenden Sorgen seines Berufs, des Undanks
der Welt, und der bittern Hindernisse, die jeder Redliche auf
dem Pfade unbestechlicher Rechtschaffenheit findet, um ganz
ihrem Glücke zu leben, sich ihr ganz zu schenken, die um sei-
netwillen Vater und Mutter und Freunde und Gespielinnen
verlassen, und mit allen Blumen geschmückt, sich in die Arme
des Einzigen geworfen hat, der ihrem Herzen Alles ist. --
Wie konnte er ihr nur in Gedanken treulos werden, der Mann,
der die Größe des Opfers fühlt, das sie ihm dargebracht hat,
und er weiß und glaubt, daß ein Vergelter im Himmel ist,
und was für einen kostbaren Schatz hat er nicht in ihr ge-
funden, der Gattin, die Gott und die Tugend liebt? Ihr
sanfter, herzbezwingender Umgang versüßt eine jede Stunde
seines Lebens; ihre zärtliche Theilnehmung an seinem Schick-
sal erleichtert ihm jeden Schmerz, läßt eine jede Freude des
Lebens doppelt empfinden; ihre holden Gespräche versetzen ihn
oft in die Wonnegefühle einer bessern Welt, wenn sein durch
den Augenblick des Erden-Elends getrübtes Auge in die Höhe
gerichtet zu werden am meisten bedarf. Gerne vermißt sie
den trüglichen Schimmer vorüberrauschender Ergötzlichkeiten,
um sie unverbittert zu genießen, die stille häusliche Glückselig-
keit, die einzige, die es werth ist, von edlen Seelen gesucht
und gefunden zu werden, und kennt seine Freuden, die er nicht
mitgenießt, der Erwählte ihres Herzens. Ihm zu gefallen,

Herz der fromm gewaͤhlten Gattin findet in dem Manne, der
Gott und die Tugend liebt, einen ſichern Gefaͤhrten auf der
Reiſe des Lebens, einen treuen Rathgeber in verlegenen Um-
ſtaͤnden, einen muthigen Beſchuͤtzer in Gefahren, einen groß-
muͤthigen, bis in den Tod beſtaͤndigen Freund. Was er zum
Beſten der Welt, des Vaterlandes, ſeines Hauſes wirkt, das
hat Alles einen wohlthaͤtigen Einfluß auf das Gluͤck und die
Freuden des Weibes, dem er mit ſeiner Hand auch ſein Herz
geſchenkt hat. Von der Arbeit des Tages ermuͤdet, eilt er zu
der ſuͤßen Geſellſchafterin ſeines Lebens, theilt ihr die geſam-
melten Erfahrungen und Kenntniſſe mit, ſucht eine jede her-
vorſchießende Bluͤthe ihres Geiſtes zu entwickeln, jedem ſchuͤch-
ternen Wunſch ihres liebevollen Herzens zuvorzukommen, ver-
gißt gern die nagenden Sorgen ſeines Berufs, des Undanks
der Welt, und der bittern Hinderniſſe, die jeder Redliche auf
dem Pfade unbeſtechlicher Rechtſchaffenheit findet, um ganz
ihrem Gluͤcke zu leben, ſich ihr ganz zu ſchenken, die um ſei-
netwillen Vater und Mutter und Freunde und Geſpielinnen
verlaſſen, und mit allen Blumen geſchmuͤckt, ſich in die Arme
des Einzigen geworfen hat, der ihrem Herzen Alles iſt. —
Wie konnte er ihr nur in Gedanken treulos werden, der Mann,
der die Groͤße des Opfers fuͤhlt, das ſie ihm dargebracht hat,
und er weiß und glaubt, daß ein Vergelter im Himmel iſt,
und was fuͤr einen koſtbaren Schatz hat er nicht in ihr ge-
funden, der Gattin, die Gott und die Tugend liebt? Ihr
ſanfter, herzbezwingender Umgang verſuͤßt eine jede Stunde
ſeines Lebens; ihre zaͤrtliche Theilnehmung an ſeinem Schick-
ſal erleichtert ihm jeden Schmerz, laͤßt eine jede Freude des
Lebens doppelt empfinden; ihre holden Geſpraͤche verſetzen ihn
oft in die Wonnegefuͤhle einer beſſern Welt, wenn ſein durch
den Augenblick des Erden-Elends getruͤbtes Auge in die Hoͤhe
gerichtet zu werden am meiſten bedarf. Gerne vermißt ſie
den truͤglichen Schimmer voruͤberrauſchender Ergoͤtzlichkeiten,
um ſie unverbittert zu genießen, die ſtille haͤusliche Gluͤckſelig-
keit, die einzige, die es werth iſt, von edlen Seelen geſucht
und gefunden zu werden, und kennt ſeine Freuden, die er nicht
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[414/0422] Herz der fromm gewaͤhlten Gattin findet in dem Manne, der Gott und die Tugend liebt, einen ſichern Gefaͤhrten auf der Reiſe des Lebens, einen treuen Rathgeber in verlegenen Um- ſtaͤnden, einen muthigen Beſchuͤtzer in Gefahren, einen groß- muͤthigen, bis in den Tod beſtaͤndigen Freund. Was er zum Beſten der Welt, des Vaterlandes, ſeines Hauſes wirkt, das hat Alles einen wohlthaͤtigen Einfluß auf das Gluͤck und die Freuden des Weibes, dem er mit ſeiner Hand auch ſein Herz geſchenkt hat. Von der Arbeit des Tages ermuͤdet, eilt er zu der ſuͤßen Geſellſchafterin ſeines Lebens, theilt ihr die geſam- melten Erfahrungen und Kenntniſſe mit, ſucht eine jede her- vorſchießende Bluͤthe ihres Geiſtes zu entwickeln, jedem ſchuͤch- ternen Wunſch ihres liebevollen Herzens zuvorzukommen, ver- gißt gern die nagenden Sorgen ſeines Berufs, des Undanks der Welt, und der bittern Hinderniſſe, die jeder Redliche auf dem Pfade unbeſtechlicher Rechtſchaffenheit findet, um ganz ihrem Gluͤcke zu leben, ſich ihr ganz zu ſchenken, die um ſei- netwillen Vater und Mutter und Freunde und Geſpielinnen verlaſſen, und mit allen Blumen geſchmuͤckt, ſich in die Arme des Einzigen geworfen hat, der ihrem Herzen Alles iſt. — Wie konnte er ihr nur in Gedanken treulos werden, der Mann, der die Groͤße des Opfers fuͤhlt, das ſie ihm dargebracht hat, und er weiß und glaubt, daß ein Vergelter im Himmel iſt, und was fuͤr einen koſtbaren Schatz hat er nicht in ihr ge- funden, der Gattin, die Gott und die Tugend liebt? Ihr ſanfter, herzbezwingender Umgang verſuͤßt eine jede Stunde ſeines Lebens; ihre zaͤrtliche Theilnehmung an ſeinem Schick- ſal erleichtert ihm jeden Schmerz, laͤßt eine jede Freude des Lebens doppelt empfinden; ihre holden Geſpraͤche verſetzen ihn oft in die Wonnegefuͤhle einer beſſern Welt, wenn ſein durch den Augenblick des Erden-Elends getruͤbtes Auge in die Hoͤhe gerichtet zu werden am meiſten bedarf. Gerne vermißt ſie den truͤglichen Schimmer voruͤberrauſchender Ergoͤtzlichkeiten, um ſie unverbittert zu genießen, die ſtille haͤusliche Gluͤckſelig- keit, die einzige, die es werth iſt, von edlen Seelen geſucht und gefunden zu werden, und kennt ſeine Freuden, die er nicht mitgenießt, der Erwaͤhlte ihres Herzens. Ihm zu gefallen,

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/422>, abgerufen am 22.11.2024.