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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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sänger Uz; er trat mit einer gewissen Schüchternheit in das
Zimmer dieses großen lyrischen Dichters; Uz, ein kleines, etwas
corpulentes Männchen, kam ihm freundlich ernst entgegen,
und erwartete mit Recht die Erklärung des Fremden, wer er
sey? Diese Erklärung erfolgte; hierauf umarmte und küßte
ihn der würdige Greis, und sagte: Sie sind also Hein-
rich Stilling! -- es freut mich sehr, den Mann zu
sehen, den die Vorsehung so merkwürdig führt
und der so freimüthig die Religion Jesu bekennt,
und muthig vertheidigt
.

Hierauf wurde von Dichtern und Dichtkunst gesprochen,
und bei dem Abschied schloß Uz Stilling noch einmal in
die Arme, und sagte: Gott segne, stärke und erhalte
Sie! -- ermüden Sie nie, die Sache der Religion
zu vertheidigen, und unsrem Haupt und Erlöser
seine Schmach nachzutragen! -- Die gegenwär-
tige Zeit bedarf solcher Männer und die folgende
wird ihrer noch mehr bedürfen! -- dereinst im
bessern Leben sehen wir uns fröhlich wieder
!

Stilling wurde tief und innig gerührt und gestärkt, und
eilte mit nassen Augen fort.

Uz, Kramer und Klopstock werden wohl die Assaphs,
Hemans
und Jedithums im Tempel des neuen Je-
rusalems seyn
. Wir werden sehen, wenn es einmal wie-
der Scenen aus dem Geisterreich gibt.

Des andern Morgens fuhr Stilling fünf Stunden wei-
ter nach Dorf Kemmathen, einem Ort nicht weit von
Dinkelsbühl. Dort fuhr er vor das Pfarrhaus, stieg da
am Hofthor aus, und wartete, daß man ihm aufmachte; der
Herr Pfarrer, ein schöner brünetter Mann, kam aus dem
Hause, machte auf und dachte an nichts weniger, als an
Schwager Stillings Gegenwart, die Ueberraschung war
stark. Die Frau Pfarrerin hatte indessen nöthige Geschäfte,
und im Grunde war es ihr nicht so ganz recht, daß sie eben
jetzt durch einen Besuch darin gestört werden sollte; indessen
ihr Mann führte ihr den Besuch zu, sie empfing ihn höflich,
wie gewöhnlich; als er ihr aber einen Gruß von Schwester

ſaͤnger Uz; er trat mit einer gewiſſen Schuͤchternheit in das
Zimmer dieſes großen lyriſchen Dichters; Uz, ein kleines, etwas
corpulentes Maͤnnchen, kam ihm freundlich ernſt entgegen,
und erwartete mit Recht die Erklaͤrung des Fremden, wer er
ſey? Dieſe Erklaͤrung erfolgte; hierauf umarmte und kuͤßte
ihn der wuͤrdige Greis, und ſagte: Sie ſind alſo Hein-
rich Stilling! — es freut mich ſehr, den Mann zu
ſehen, den die Vorſehung ſo merkwuͤrdig fuͤhrt
und der ſo freimuͤthig die Religion Jeſu bekennt,
und muthig vertheidigt
.

Hierauf wurde von Dichtern und Dichtkunſt geſprochen,
und bei dem Abſchied ſchloß Uz Stilling noch einmal in
die Arme, und ſagte: Gott ſegne, ſtaͤrke und erhalte
Sie! — ermuͤden Sie nie, die Sache der Religion
zu vertheidigen, und unſrem Haupt und Erloͤſer
ſeine Schmach nachzutragen! — Die gegenwaͤr-
tige Zeit bedarf ſolcher Maͤnner und die folgende
wird ihrer noch mehr beduͤrfen! — dereinſt im
beſſern Leben ſehen wir uns froͤhlich wieder
!

Stilling wurde tief und innig geruͤhrt und geſtaͤrkt, und
eilte mit naſſen Augen fort.

Uz, Kramer und Klopſtock werden wohl die Aſſaphs,
Hemans
und Jedithums im Tempel des neuen Je-
ruſalems ſeyn
. Wir werden ſehen, wenn es einmal wie-
der Scenen aus dem Geiſterreich gibt.

Des andern Morgens fuhr Stilling fuͤnf Stunden wei-
ter nach Dorf Kemmathen, einem Ort nicht weit von
Dinkelsbuͤhl. Dort fuhr er vor das Pfarrhaus, ſtieg da
am Hofthor aus, und wartete, daß man ihm aufmachte; der
Herr Pfarrer, ein ſchoͤner bruͤnetter Mann, kam aus dem
Hauſe, machte auf und dachte an nichts weniger, als an
Schwager Stillings Gegenwart, die Ueberraſchung war
ſtark. Die Frau Pfarrerin hatte indeſſen noͤthige Geſchaͤfte,
und im Grunde war es ihr nicht ſo ganz recht, daß ſie eben
jetzt durch einen Beſuch darin geſtoͤrt werden ſollte; indeſſen
ihr Mann fuͤhrte ihr den Beſuch zu, ſie empfing ihn hoͤflich,
wie gewoͤhnlich; als er ihr aber einen Gruß von Schweſter

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[440/0448] ſaͤnger Uz; er trat mit einer gewiſſen Schuͤchternheit in das Zimmer dieſes großen lyriſchen Dichters; Uz, ein kleines, etwas corpulentes Maͤnnchen, kam ihm freundlich ernſt entgegen, und erwartete mit Recht die Erklaͤrung des Fremden, wer er ſey? Dieſe Erklaͤrung erfolgte; hierauf umarmte und kuͤßte ihn der wuͤrdige Greis, und ſagte: Sie ſind alſo Hein- rich Stilling! — es freut mich ſehr, den Mann zu ſehen, den die Vorſehung ſo merkwuͤrdig fuͤhrt und der ſo freimuͤthig die Religion Jeſu bekennt, und muthig vertheidigt. Hierauf wurde von Dichtern und Dichtkunſt geſprochen, und bei dem Abſchied ſchloß Uz Stilling noch einmal in die Arme, und ſagte: Gott ſegne, ſtaͤrke und erhalte Sie! — ermuͤden Sie nie, die Sache der Religion zu vertheidigen, und unſrem Haupt und Erloͤſer ſeine Schmach nachzutragen! — Die gegenwaͤr- tige Zeit bedarf ſolcher Maͤnner und die folgende wird ihrer noch mehr beduͤrfen! — dereinſt im beſſern Leben ſehen wir uns froͤhlich wieder! Stilling wurde tief und innig geruͤhrt und geſtaͤrkt, und eilte mit naſſen Augen fort. Uz, Kramer und Klopſtock werden wohl die Aſſaphs, Hemans und Jedithums im Tempel des neuen Je- ruſalems ſeyn. Wir werden ſehen, wenn es einmal wie- der Scenen aus dem Geiſterreich gibt. Des andern Morgens fuhr Stilling fuͤnf Stunden wei- ter nach Dorf Kemmathen, einem Ort nicht weit von Dinkelsbuͤhl. Dort fuhr er vor das Pfarrhaus, ſtieg da am Hofthor aus, und wartete, daß man ihm aufmachte; der Herr Pfarrer, ein ſchoͤner bruͤnetter Mann, kam aus dem Hauſe, machte auf und dachte an nichts weniger, als an Schwager Stillings Gegenwart, die Ueberraſchung war ſtark. Die Frau Pfarrerin hatte indeſſen noͤthige Geſchaͤfte, und im Grunde war es ihr nicht ſo ganz recht, daß ſie eben jetzt durch einen Beſuch darin geſtoͤrt werden ſollte; indeſſen ihr Mann fuͤhrte ihr den Beſuch zu, ſie empfing ihn hoͤflich, wie gewoͤhnlich; als er ihr aber einen Gruß von Schweſter

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/448>, abgerufen am 22.11.2024.