rechnet werden; Rieß und Stilling sind Freunde auf die Ewig- keit, und dort läßt sich besser von der Sache sprechen, als hier.
Das Erste, was nun Stilling zu seiner Erleichterung vornahm, war, daß er seinen alten Vater Wilhelm Stil- ling holen ließ; der ehrwürdige, vier und siebenzigjährige, in der Schule der Leiden hochgeprüfte Greis kam alsofort; seine Seelenruhe und Gelassenheit in allen Leiden flößte auch seinem Sohne, der seinem Bilde ähnlich ist, Trost ein. Ge- gen vierzehn Tage blieb er da; während der Zeit erholte sich Stilling wieder, wozu dann auch Selma's letzter Wille Vieles beitrug. Daß er wieder heirathen mußte, verstand sich von selbst, denn er mußte Jemand haben, der seine Kin- der erzog und der Haushaltung vorstand, weil ja Hannchen, wenn sie ihr Glück machen konnte, es um des Vaters Haus- haltung willen nicht verscherzen durfte. Wie wohlthätig war es nun, daß die rechtmäßige Besitzerin seines Herzens ihre Nachfolgerin -- und zwar so -- bestimmte, daß Stilling selbst auch keine andere Wahl getroffen haben würde.
Wer es nicht erfahren hat, der kann es nicht glauben, wie wenig beruhigend es für einen Wittwer ist, wenn er weiß, daß seine zur Ruhe gegangene Gattin seine Wahl billigt! -- und hier war mehr als Billigung.
Nach Ablauf der Zeit, die der Wohlstand bestimmt und die Gesetze vorschreiben, hielt Stilling um Elise an; die El- tern und sie selbst machten ihn durch ihr liebevolles Jawort wiederum glücklich; Gottes gnädiges Wohlgefallen an dieser Verbindung, der verewigten Selma erfüllter Wille und der segnende Beifall aller guten Menschen strömten eine Ruhe in seine Seele, die nicht beschrieben werden kann. Von nun an nahm sich Elise Karolinens Erziehung an; auch besuchte sie Hannchen und ging ihr mit Rath an die Hand, und Stilling hatte nun auch wieder eine Freundin, mit der er von Herz zu Herzen reden konnte.
Jetzt rückte nun auch wieder der zwölfte September heran, der im vorigen Herbst so glänzend war gefeiert worden; Stil- ling hatte seitdem ein schweres Lebensjahr durchgekämpft. Jetzt studirte nun der Erbprinz von Hessen in Marburg,
rechnet werden; Rieß und Stilling ſind Freunde auf die Ewig- keit, und dort laͤßt ſich beſſer von der Sache ſprechen, als hier.
Das Erſte, was nun Stilling zu ſeiner Erleichterung vornahm, war, daß er ſeinen alten Vater Wilhelm Stil- ling holen ließ; der ehrwuͤrdige, vier und ſiebenzigjaͤhrige, in der Schule der Leiden hochgepruͤfte Greis kam alſofort; ſeine Seelenruhe und Gelaſſenheit in allen Leiden floͤßte auch ſeinem Sohne, der ſeinem Bilde aͤhnlich iſt, Troſt ein. Ge- gen vierzehn Tage blieb er da; waͤhrend der Zeit erholte ſich Stilling wieder, wozu dann auch Selma’s letzter Wille Vieles beitrug. Daß er wieder heirathen mußte, verſtand ſich von ſelbſt, denn er mußte Jemand haben, der ſeine Kin- der erzog und der Haushaltung vorſtand, weil ja Hannchen, wenn ſie ihr Gluͤck machen konnte, es um des Vaters Haus- haltung willen nicht verſcherzen durfte. Wie wohlthaͤtig war es nun, daß die rechtmaͤßige Beſitzerin ſeines Herzens ihre Nachfolgerin — und zwar ſo — beſtimmte, daß Stilling ſelbſt auch keine andere Wahl getroffen haben wuͤrde.
Wer es nicht erfahren hat, der kann es nicht glauben, wie wenig beruhigend es fuͤr einen Wittwer iſt, wenn er weiß, daß ſeine zur Ruhe gegangene Gattin ſeine Wahl billigt! — und hier war mehr als Billigung.
Nach Ablauf der Zeit, die der Wohlſtand beſtimmt und die Geſetze vorſchreiben, hielt Stilling um Eliſe an; die El- tern und ſie ſelbſt machten ihn durch ihr liebevolles Jawort wiederum gluͤcklich; Gottes gnaͤdiges Wohlgefallen an dieſer Verbindung, der verewigten Selma erfuͤllter Wille und der ſegnende Beifall aller guten Menſchen ſtroͤmten eine Ruhe in ſeine Seele, die nicht beſchrieben werden kann. Von nun an nahm ſich Eliſe Karolinens Erziehung an; auch beſuchte ſie Hannchen und ging ihr mit Rath an die Hand, und Stilling hatte nun auch wieder eine Freundin, mit der er von Herz zu Herzen reden konnte.
Jetzt ruͤckte nun auch wieder der zwoͤlfte September heran, der im vorigen Herbſt ſo glaͤnzend war gefeiert worden; Stil- ling hatte ſeitdem ein ſchweres Lebensjahr durchgekaͤmpft. Jetzt ſtudirte nun der Erbprinz von Heſſen in Marburg,
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rechnet werden; Rieß und Stilling ſind Freunde auf die Ewig-
keit, und dort laͤßt ſich beſſer von der Sache ſprechen, als hier.
Das Erſte, was nun Stilling zu ſeiner Erleichterung
vornahm, war, daß er ſeinen alten Vater Wilhelm Stil-
ling holen ließ; der ehrwuͤrdige, vier und ſiebenzigjaͤhrige,
in der Schule der Leiden hochgepruͤfte Greis kam alſofort;
ſeine Seelenruhe und Gelaſſenheit in allen Leiden floͤßte auch
ſeinem Sohne, der ſeinem Bilde aͤhnlich iſt, Troſt ein. Ge-
gen vierzehn Tage blieb er da; waͤhrend der Zeit erholte ſich
Stilling wieder, wozu dann auch Selma’s letzter Wille
Vieles beitrug. Daß er wieder heirathen mußte, verſtand
ſich von ſelbſt, denn er mußte Jemand haben, der ſeine Kin-
der erzog und der Haushaltung vorſtand, weil ja Hannchen,
wenn ſie ihr Gluͤck machen konnte, es um des Vaters Haus-
haltung willen nicht verſcherzen durfte. Wie wohlthaͤtig war
es nun, daß die rechtmaͤßige Beſitzerin ſeines Herzens ihre
Nachfolgerin — und zwar ſo — beſtimmte, daß Stilling ſelbſt
auch keine andere Wahl getroffen haben wuͤrde.
Wer es nicht erfahren hat, der kann es nicht glauben, wie
wenig beruhigend es fuͤr einen Wittwer iſt, wenn er weiß,
daß ſeine zur Ruhe gegangene Gattin ſeine Wahl billigt! —
und hier war mehr als Billigung.
Nach Ablauf der Zeit, die der Wohlſtand beſtimmt und die
Geſetze vorſchreiben, hielt Stilling um Eliſe an; die El-
tern und ſie ſelbſt machten ihn durch ihr liebevolles Jawort
wiederum gluͤcklich; Gottes gnaͤdiges Wohlgefallen an dieſer
Verbindung, der verewigten Selma erfuͤllter Wille und der
ſegnende Beifall aller guten Menſchen ſtroͤmten eine Ruhe in
ſeine Seele, die nicht beſchrieben werden kann. Von nun an
nahm ſich Eliſe Karolinens Erziehung an; auch beſuchte ſie
Hannchen und ging ihr mit Rath an die Hand, und Stilling
hatte nun auch wieder eine Freundin, mit der er von Herz
zu Herzen reden konnte.
Jetzt ruͤckte nun auch wieder der zwoͤlfte September heran,
der im vorigen Herbſt ſo glaͤnzend war gefeiert worden; Stil-
ling hatte ſeitdem ein ſchweres Lebensjahr durchgekaͤmpft.
Jetzt ſtudirte nun der Erbprinz von Heſſen in Marburg,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/468>, abgerufen am 22.11.2024.
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