burg die Rechte studirte, zu diesem zog er, und wohnte nicht eher wieder im elterlichen Hause, bis er Amalien heirathete.
In diesem Herbst berief auch der Kurfürst den jungen Coing zum Gesandtschafts-Prediger nach Regensburg, wo er ei- nige Jahre mit ausgezeichnetem Beifall dies Amt verwaltete.
In dieser Verfassung geschah der Uebergang ins 1795ste Jahr; den 4ten Januar wurde Elise glücklich von einem jungen Sohn entbunden, der den Namen Friedrich bekam, und noch lebt. Vierzehn Tage nachher bekam Stilling an einem Sonntag Nachmittag die traurige Nachricht, daß sein vieljähriger vertrauter Freund, und nunmehriger Oheim Kraft, plötzlich in die selige Ewigkeit übergegangen sey. Stilling weinte überlaut, es war aber auch ein Verlust, der schwer wieder ersetzt werden konnte.
Die Todesart dieses vortrefflichen Mannes und berühmten Predigers war auffallend schön: er saß mit seiner guten Gat- tin, einer Tochter und einem oder zweien guten Freunden des Abends am Tisch, alle waren heiter und Kraft besonders munter. Seiner Gewohnheit nach betete er laut am Tisch, das geschah also auch jetzt; nach geendigter Mahlzeit stand er auf, richtete seinen Blick empor, fing an zu beten, und in dem Augenblick nahm der Herr seinen Geist auf, er sank nie- der und war auf der Stelle todt.
Kraft war ein gelehrter Theologe und großer Bibelfor- scher; ohne besondere Rednergaben, ein berühmter hinreißender Kanzelredner; in jeder Predigt lernte man etwas. Er spannte immer die Aufmerksamkeit, und rührte die Herzen unwidersteh- lich. Ich war einstmals in der Kirche zu Frankfurt, ein preußischer Offizier kam und setzte sich neben mich: ich sah ihm an, daß er blos da war, um doch auch einmal in die Kirche zu gehen. Der Kirchendiener kam, und legte jedem von uns ein Gesangbuch mit dem aufgeschlagenen Liede vor; mein Offizier guckte kaltblütig hinein, und ließ es dann gut seyn; mich sah er gar nicht an; das stand aber auch in sei-
burg die Rechte ſtudirte, zu dieſem zog er, und wohnte nicht eher wieder im elterlichen Hauſe, bis er Amalien heirathete.
In dieſem Herbſt berief auch der Kurfuͤrſt den jungen Coing zum Geſandtſchafts-Prediger nach Regensburg, wo er ei- nige Jahre mit ausgezeichnetem Beifall dies Amt verwaltete.
In dieſer Verfaſſung geſchah der Uebergang ins 1795ſte Jahr; den 4ten Januar wurde Eliſe gluͤcklich von einem jungen Sohn entbunden, der den Namen Friedrich bekam, und noch lebt. Vierzehn Tage nachher bekam Stilling an einem Sonntag Nachmittag die traurige Nachricht, daß ſein vieljaͤhriger vertrauter Freund, und nunmehriger Oheim Kraft, ploͤtzlich in die ſelige Ewigkeit uͤbergegangen ſey. Stilling weinte uͤberlaut, es war aber auch ein Verluſt, der ſchwer wieder erſetzt werden konnte.
Die Todesart dieſes vortrefflichen Mannes und beruͤhmten Predigers war auffallend ſchoͤn: er ſaß mit ſeiner guten Gat- tin, einer Tochter und einem oder zweien guten Freunden des Abends am Tiſch, alle waren heiter und Kraft beſonders munter. Seiner Gewohnheit nach betete er laut am Tiſch, das geſchah alſo auch jetzt; nach geendigter Mahlzeit ſtand er auf, richtete ſeinen Blick empor, fing an zu beten, und in dem Augenblick nahm der Herr ſeinen Geiſt auf, er ſank nie- der und war auf der Stelle todt.
Kraft war ein gelehrter Theologe und großer Bibelfor- ſcher; ohne beſondere Rednergaben, ein beruͤhmter hinreißender Kanzelredner; in jeder Predigt lernte man etwas. Er ſpannte immer die Aufmerkſamkeit, und ruͤhrte die Herzen unwiderſteh- lich. Ich war einſtmals in der Kirche zu Frankfurt, ein preußiſcher Offizier kam und ſetzte ſich neben mich: ich ſah ihm an, daß er blos da war, um doch auch einmal in die Kirche zu gehen. Der Kirchendiener kam, und legte jedem von uns ein Geſangbuch mit dem aufgeſchlagenen Liede vor; mein Offizier guckte kaltbluͤtig hinein, und ließ es dann gut ſeyn; mich ſah er gar nicht an; das ſtand aber auch in ſei-
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burg die Rechte ſtudirte, zu dieſem zog er, und wohnte
nicht eher wieder im elterlichen Hauſe, bis er Amalien
heirathete.
In dieſem Herbſt berief auch der Kurfuͤrſt den jungen Coing
zum Geſandtſchafts-Prediger nach Regensburg, wo er ei-
nige Jahre mit ausgezeichnetem Beifall dies Amt verwaltete.
In dieſer Verfaſſung geſchah der Uebergang ins 1795ſte
Jahr; den 4ten Januar wurde Eliſe gluͤcklich von einem
jungen Sohn entbunden, der den Namen Friedrich bekam,
und noch lebt. Vierzehn Tage nachher bekam Stilling an
einem Sonntag Nachmittag die traurige Nachricht, daß ſein
vieljaͤhriger vertrauter Freund, und nunmehriger Oheim Kraft,
ploͤtzlich in die ſelige Ewigkeit uͤbergegangen ſey. Stilling
weinte uͤberlaut, es war aber auch ein Verluſt, der ſchwer
wieder erſetzt werden konnte.
Die Todesart dieſes vortrefflichen Mannes und beruͤhmten
Predigers war auffallend ſchoͤn: er ſaß mit ſeiner guten Gat-
tin, einer Tochter und einem oder zweien guten Freunden des
Abends am Tiſch, alle waren heiter und Kraft beſonders
munter. Seiner Gewohnheit nach betete er laut am Tiſch,
das geſchah alſo auch jetzt; nach geendigter Mahlzeit ſtand
er auf, richtete ſeinen Blick empor, fing an zu beten, und in
dem Augenblick nahm der Herr ſeinen Geiſt auf, er ſank nie-
der und war auf der Stelle todt.
Kraft war ein gelehrter Theologe und großer Bibelfor-
ſcher; ohne beſondere Rednergaben, ein beruͤhmter hinreißender
Kanzelredner; in jeder Predigt lernte man etwas. Er ſpannte
immer die Aufmerkſamkeit, und ruͤhrte die Herzen unwiderſteh-
lich. Ich war einſtmals in der Kirche zu Frankfurt, ein
preußiſcher Offizier kam und ſetzte ſich neben mich: ich ſah
ihm an, daß er blos da war, um doch auch einmal in die
Kirche zu gehen. Der Kirchendiener kam, und legte jedem
von uns ein Geſangbuch mit dem aufgeſchlagenen Liede vor;
mein Offizier guckte kaltbluͤtig hinein, und ließ es dann gut
ſeyn; mich ſah er gar nicht an; das ſtand aber auch in ſei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/500>, abgerufen am 22.11.2024.
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