digte, wie man dem verehrungswürdigen Manne das Geld sicher in die Hände bringen könnte, so erfuhr er, daß der Mangel jenes Mannes so drückend nicht sey und daß ihm diese Art der Hülfe sehr weh thun würde. Dieß bewog Stilling, das Geld zurückzubehalten und in Bremen anzufragen, ob es zur englischen Mission verwendet, oder den vor Kurzem so äußerst unglücklich gewordenen Unterwald- nern in der Schweiz zugewendet werden solle? -- Dieß Letztere wurde bewilligt, und Stilling trat deßfalls mit dem berühmten und christlichen frommen Antistes Heß in Zürich in Correspondenz, weil sich dieser liebevolle Mann jener Unglücklichen -- wie so sehr viele Zürcher -- ernst- lich annahm.
In dieser Angelegenheit schrieb nun Stilling am oben gedachten 13. Julius an Heß, wobei ihm etwas Seltsames widerfuhr: mitten im Schreiben, als er gerade des Zustan- des gedachte, indem sich jetzt die Schweiz befand, bekam er auf einmal einen tiefen Eindruck ins Gemüth, mit der Ueberzeugung: Lavater würde eines blutigen To- des -- des Martertodes sterben. Dieß letzte Wort: Martertod, war eigentlich der Ausdruck, den er empfand -- noch etwas war damit verbunden, das sich jetzt noch nicht sagen läßt. Daß Stilling sehr darüber erstaunte, ist na- türlich. Während diesem Erstaunen wurde er nun auch über- zeugt, daß er diesen Aufschluß in diesem Brief an Heß schrei- ben müßte, er that es also auch und bat ihn zugleich, er möchte dieß Lavatern bei Gelegenheit sagen. Heß ant- wortete bald, bezeugte seine Verwunderung und versprach, es Lavatern zu entdecken, er müßte aber dazu eine gelegene Zeit abwarten. So viel ich mich erinnere, ist es auch La- vatern wirklich gesagt worden.
Mein verehrungswürdiger Freund Heß wird sich dieses Alles noch sehr wohl erinnern. Diese Ahnung hatte Stil- ling am 13. Julius, und zehn Wochen und einige Tage nachher bekam Lavater den tödtlichen Schuß, dessen Fol- gen eine fünfzehn Monat währende Marter und dann der Tod waren.
digte, wie man dem verehrungswuͤrdigen Manne das Geld ſicher in die Haͤnde bringen koͤnnte, ſo erfuhr er, daß der Mangel jenes Mannes ſo druͤckend nicht ſey und daß ihm dieſe Art der Huͤlfe ſehr weh thun wuͤrde. Dieß bewog Stilling, das Geld zuruͤckzubehalten und in Bremen anzufragen, ob es zur engliſchen Miſſion verwendet, oder den vor Kurzem ſo aͤußerſt ungluͤcklich gewordenen Unterwald- nern in der Schweiz zugewendet werden ſolle? — Dieß Letztere wurde bewilligt, und Stilling trat deßfalls mit dem beruͤhmten und chriſtlichen frommen Antiſtes Heß in Zuͤrich in Correſpondenz, weil ſich dieſer liebevolle Mann jener Ungluͤcklichen — wie ſo ſehr viele Zuͤrcher — ernſt- lich annahm.
In dieſer Angelegenheit ſchrieb nun Stilling am oben gedachten 13. Julius an Heß, wobei ihm etwas Seltſames widerfuhr: mitten im Schreiben, als er gerade des Zuſtan- des gedachte, indem ſich jetzt die Schweiz befand, bekam er auf einmal einen tiefen Eindruck ins Gemuͤth, mit der Ueberzeugung: Lavater wuͤrde eines blutigen To- des — des Martertodes ſterben. Dieß letzte Wort: Martertod, war eigentlich der Ausdruck, den er empfand — noch etwas war damit verbunden, das ſich jetzt noch nicht ſagen laͤßt. Daß Stilling ſehr daruͤber erſtaunte, iſt na- tuͤrlich. Waͤhrend dieſem Erſtaunen wurde er nun auch uͤber- zeugt, daß er dieſen Aufſchluß in dieſem Brief an Heß ſchrei- ben muͤßte, er that es alſo auch und bat ihn zugleich, er moͤchte dieß Lavatern bei Gelegenheit ſagen. Heß ant- wortete bald, bezeugte ſeine Verwunderung und verſprach, es Lavatern zu entdecken, er muͤßte aber dazu eine gelegene Zeit abwarten. So viel ich mich erinnere, iſt es auch La- vatern wirklich geſagt worden.
Mein verehrungswuͤrdiger Freund Heß wird ſich dieſes Alles noch ſehr wohl erinnern. Dieſe Ahnung hatte Stil- ling am 13. Julius, und zehn Wochen und einige Tage nachher bekam Lavater den toͤdtlichen Schuß, deſſen Fol- gen eine fuͤnfzehn Monat waͤhrende Marter und dann der Tod waren.
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Mangel jenes Mannes ſo druͤckend nicht ſey und daß ihm
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Stilling, das Geld zuruͤckzubehalten und in Bremen
anzufragen, ob es zur engliſchen Miſſion verwendet, oder den
vor Kurzem ſo aͤußerſt ungluͤcklich gewordenen Unterwald-
nern in der Schweiz zugewendet werden ſolle? — Dieß
Letztere wurde bewilligt, und Stilling trat deßfalls mit
dem beruͤhmten und chriſtlichen frommen Antiſtes Heß in
Zuͤrich in Correſpondenz, weil ſich dieſer liebevolle Mann
jener Ungluͤcklichen — wie ſo ſehr viele Zuͤrcher — ernſt-
lich annahm.
In dieſer Angelegenheit ſchrieb nun Stilling am oben
gedachten 13. Julius an Heß, wobei ihm etwas Seltſames
widerfuhr: mitten im Schreiben, als er gerade des Zuſtan-
des gedachte, indem ſich jetzt die Schweiz befand, bekam
er auf einmal einen tiefen Eindruck ins Gemuͤth, mit der
Ueberzeugung: Lavater wuͤrde eines blutigen To-
des — des Martertodes ſterben. Dieß letzte Wort:
Martertod, war eigentlich der Ausdruck, den er empfand —
noch etwas war damit verbunden, das ſich jetzt noch nicht
ſagen laͤßt. Daß Stilling ſehr daruͤber erſtaunte, iſt na-
tuͤrlich. Waͤhrend dieſem Erſtaunen wurde er nun auch uͤber-
zeugt, daß er dieſen Aufſchluß in dieſem Brief an Heß ſchrei-
ben muͤßte, er that es alſo auch und bat ihn zugleich, er
moͤchte dieß Lavatern bei Gelegenheit ſagen. Heß ant-
wortete bald, bezeugte ſeine Verwunderung und verſprach, es
Lavatern zu entdecken, er muͤßte aber dazu eine gelegene
Zeit abwarten. So viel ich mich erinnere, iſt es auch La-
vatern wirklich geſagt worden.
Mein verehrungswuͤrdiger Freund Heß wird ſich dieſes
Alles noch ſehr wohl erinnern. Dieſe Ahnung hatte Stil-
ling am 13. Julius, und zehn Wochen und einige Tage
nachher bekam Lavater den toͤdtlichen Schuß, deſſen Fol-
gen eine fuͤnfzehn Monat waͤhrende Marter und dann der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/523>, abgerufen am 22.11.2024.
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