es aus der Taufe zu heben, welches natürlicher Weise mit vielem Dank angenommen wurde; von ihr hat das Töchter- chen den Namen Christine bekommen; es lebt noch, und macht, so wie seine ältern Geschwistern, den Eltern Freude.
Mit Lavater war Stilling seit seinem Besuch in Marburg in ein weit näheres Verhältniß gekommen. Beide waren aber in gewissen Punkten verschiedener Meinung; dieß veranlaßte also einen lebhaften Briefwechsel, wodurch aber die herzlichste Bruderliebe nicht getrübt wurde. Beide lebten und wirkten für den Herrn und sein Reich; ihr großer Zweck war auch ihr Band der Liebe. Zu dieser Zeit war nun auch der berühmte Arzt, der Doktor Hotze, in Frankfurt, bei seinem vortrefflichen Schwiegersohn, dem Doktor de Neuf- ville. Stilling hatte vor einigen Jahren schon Hotze kennen gelernt und mit ihm auf ewig den Bruderbund geschlos- sen, und nun war auch Passavant in Frankfurt; Beide waren Lavaters und Stillings brüderliche Freunde und auch unter sich genau vereinigt. Diesen beiden Freunden, Hotze und Passavant, also schickte Lavater seine Briefe an Stilling offen, und dieser sandte dann auch seine Ant- worten unversiegelt an beide Männer, wodurch eine sehr auge- nehme und lehrreiche Conversation entstand. Die Gegenstände, welche verhandelt wurden, waren die wichtigsten Glaubens- Artikel, z. B. die Versöhnungslehre, die Gebetserhörungen, der Wunderglaube u. dgl. In diesem 1799sten Jahre hatte nun dieser Briefwechsel aufgehört, denn Lavater wurde ge- fangen genommen und nach Basel deportirt, und Hotze war auch nicht mehr in Frankfurt. Dieß Alles mache ich um eines sonderbaren Phänomens willen bemerklich, wel- ches Stilling Sonnabends den 13. Julius begegnete.
Vor seiner Reise nach Bremen hatte ihm ein Freund im Vertrauten entdeckt, daß ein gewisser berühmter und sehr würdiger Mann in drückenden Mangel gerathen sey; dieß erzählte Stilling in Bremen einigen Freunden; Doktor Wienholt übernahm die Sammlung und schickte ihm im Winter gegen viertehalbhundert Gulden in alten Louisd'ors; als sich nun Stilling näher nach der Art und Weise erkun-
es aus der Taufe zu heben, welches natuͤrlicher Weiſe mit vielem Dank angenommen wurde; von ihr hat das Toͤchter- chen den Namen Chriſtine bekommen; es lebt noch, und macht, ſo wie ſeine aͤltern Geſchwiſtern, den Eltern Freude.
Mit Lavater war Stilling ſeit ſeinem Beſuch in Marburg in ein weit naͤheres Verhaͤltniß gekommen. Beide waren aber in gewiſſen Punkten verſchiedener Meinung; dieß veranlaßte alſo einen lebhaften Briefwechſel, wodurch aber die herzlichſte Bruderliebe nicht getruͤbt wurde. Beide lebten und wirkten fuͤr den Herrn und ſein Reich; ihr großer Zweck war auch ihr Band der Liebe. Zu dieſer Zeit war nun auch der beruͤhmte Arzt, der Doktor Hotze, in Frankfurt, bei ſeinem vortrefflichen Schwiegerſohn, dem Doktor de Neuf- ville. Stilling hatte vor einigen Jahren ſchon Hotze kennen gelernt und mit ihm auf ewig den Bruderbund geſchloſ- ſen, und nun war auch Paſſavant in Frankfurt; Beide waren Lavaters und Stillings bruͤderliche Freunde und auch unter ſich genau vereinigt. Dieſen beiden Freunden, Hotze und Paſſavant, alſo ſchickte Lavater ſeine Briefe an Stilling offen, und dieſer ſandte dann auch ſeine Ant- worten unverſiegelt an beide Maͤnner, wodurch eine ſehr auge- nehme und lehrreiche Converſation entſtand. Die Gegenſtaͤnde, welche verhandelt wurden, waren die wichtigſten Glaubens- Artikel, z. B. die Verſoͤhnungslehre, die Gebetserhoͤrungen, der Wunderglaube u. dgl. In dieſem 1799ſten Jahre hatte nun dieſer Briefwechſel aufgehoͤrt, denn Lavater wurde ge- fangen genommen und nach Baſel deportirt, und Hotze war auch nicht mehr in Frankfurt. Dieß Alles mache ich um eines ſonderbaren Phaͤnomens willen bemerklich, wel- ches Stilling Sonnabends den 13. Julius begegnete.
Vor ſeiner Reiſe nach Bremen hatte ihm ein Freund im Vertrauten entdeckt, daß ein gewiſſer beruͤhmter und ſehr wuͤrdiger Mann in druͤckenden Mangel gerathen ſey; dieß erzaͤhlte Stilling in Bremen einigen Freunden; Doktor Wienholt uͤbernahm die Sammlung und ſchickte ihm im Winter gegen viertehalbhundert Gulden in alten Louisd’ors; als ſich nun Stilling naͤher nach der Art und Weiſe erkun-
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es aus der Taufe zu heben, welches natuͤrlicher Weiſe mit
vielem Dank angenommen wurde; von ihr hat das Toͤchter-
chen den Namen Chriſtine bekommen; es lebt noch, und
macht, ſo wie ſeine aͤltern Geſchwiſtern, den Eltern Freude.
Mit Lavater war Stilling ſeit ſeinem Beſuch in
Marburg in ein weit naͤheres Verhaͤltniß gekommen. Beide
waren aber in gewiſſen Punkten verſchiedener Meinung; dieß
veranlaßte alſo einen lebhaften Briefwechſel, wodurch aber
die herzlichſte Bruderliebe nicht getruͤbt wurde. Beide lebten
und wirkten fuͤr den Herrn und ſein Reich; ihr großer Zweck
war auch ihr Band der Liebe. Zu dieſer Zeit war nun auch
der beruͤhmte Arzt, der Doktor Hotze, in Frankfurt, bei
ſeinem vortrefflichen Schwiegerſohn, dem Doktor de Neuf-
ville. Stilling hatte vor einigen Jahren ſchon Hotze
kennen gelernt und mit ihm auf ewig den Bruderbund geſchloſ-
ſen, und nun war auch Paſſavant in Frankfurt; Beide
waren Lavaters und Stillings bruͤderliche Freunde und
auch unter ſich genau vereinigt. Dieſen beiden Freunden,
Hotze und Paſſavant, alſo ſchickte Lavater ſeine Briefe
an Stilling offen, und dieſer ſandte dann auch ſeine Ant-
worten unverſiegelt an beide Maͤnner, wodurch eine ſehr auge-
nehme und lehrreiche Converſation entſtand. Die Gegenſtaͤnde,
welche verhandelt wurden, waren die wichtigſten Glaubens-
Artikel, z. B. die Verſoͤhnungslehre, die Gebetserhoͤrungen,
der Wunderglaube u. dgl. In dieſem 1799ſten Jahre hatte
nun dieſer Briefwechſel aufgehoͤrt, denn Lavater wurde ge-
fangen genommen und nach Baſel deportirt, und Hotze
war auch nicht mehr in Frankfurt. Dieß Alles mache
ich um eines ſonderbaren Phaͤnomens willen bemerklich, wel-
ches Stilling Sonnabends den 13. Julius begegnete.
Vor ſeiner Reiſe nach Bremen hatte ihm ein Freund
im Vertrauten entdeckt, daß ein gewiſſer beruͤhmter und ſehr
wuͤrdiger Mann in druͤckenden Mangel gerathen ſey; dieß
erzaͤhlte Stilling in Bremen einigen Freunden; Doktor
Wienholt uͤbernahm die Sammlung und ſchickte ihm im
Winter gegen viertehalbhundert Gulden in alten Louisd’ors;
als ſich nun Stilling naͤher nach der Art und Weiſe erkun-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/522>, abgerufen am 22.11.2024.
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