ner, und überhaupt ist der Volkscharakter feiner und gesitte- teter, als in andern großen Handelsstädten. Dieß ist beson- ders den vortrefflichen Predigern zuzuschreiben, welche die Stadt von jeher hatte, und auch noch hat.
Nach einem sehr vergnügten Aufenthalt von drei Wochen und ein Paar Tagen reisten Stilling und Elise Sonn- tags den 21sten Oktober von Bremen wieder ab. Der Herr hat seine Hand gesegnet, und die wohlhabenden Patien- ten hatten ihn auch so reichlich beschenkt, daß nicht allein die kostbare Reise bezahlt war, sondern auch noch Etwas übrig blieb, welches bei der großen und schweren Haushaltung wohl zu statten kam.
Die Bremer Verwandten begleiteten ihre reisenden Freunde bis an den Asseler Damm, wo sie einen thränenvollen Abschied nahmen, und dann wieder zurückgingen. Der Weg bis Hoya war schrecklich, doch kamen sie glücklich, aber des Abends spät in gedachter Stadt an; in Hannover spra- chen sie wieder bei Freund Falk zu, der sie mit wahrer christ- licher Bruderliebe empfing, dann setzten sie ihre Reise fort, und kamen zu rechter Zeit gesund und gesegnet in Marburg an, wo sie auch die Ihrigen alle wohl und vergnügt antrafen.
Die Reise nach Bremen hatte Stillingen wieder mehrere Freunde und Bekanntschaft verschafft, aber auch seine Correspondenz, mithin auch seine Arbeit beträchtlich vermehrt. Konsultationen wegen Augenkrankheiten und Briefe religiösen Inhalts kamen posttäglich in Menge, so daß er sie mit aller Mühe kaum beantworten konnte; hiezu kam dann noch der tägliche Zulauf von Augenpatienten aller Art; so daß es fast nicht möglich war, Alles zu leisten, was geleistet werden mußte: doch versäumte Stilling in seinem Amte nichts, sondern er strengte seine äußersten Kräfte an, um allen die- sen Pflichten zu entsprechen.
Unter diesen Umständen fing er das 1799ste Jahr an. Den 22sten Februar kam Elise mit ihrem jüngsten Kind, einem Mädchen, glücklich nieder; die Gräfin Waldeck wünschte
ner, und uͤberhaupt iſt der Volkscharakter feiner und geſitte- teter, als in andern großen Handelsſtaͤdten. Dieß iſt beſon- ders den vortrefflichen Predigern zuzuſchreiben, welche die Stadt von jeher hatte, und auch noch hat.
Nach einem ſehr vergnuͤgten Aufenthalt von drei Wochen und ein Paar Tagen reisten Stilling und Eliſe Sonn- tags den 21ſten Oktober von Bremen wieder ab. Der Herr hat ſeine Hand geſegnet, und die wohlhabenden Patien- ten hatten ihn auch ſo reichlich beſchenkt, daß nicht allein die koſtbare Reiſe bezahlt war, ſondern auch noch Etwas uͤbrig blieb, welches bei der großen und ſchweren Haushaltung wohl zu ſtatten kam.
Die Bremer Verwandten begleiteten ihre reiſenden Freunde bis an den Aſſeler Damm, wo ſie einen thraͤnenvollen Abſchied nahmen, und dann wieder zuruͤckgingen. Der Weg bis Hoya war ſchrecklich, doch kamen ſie gluͤcklich, aber des Abends ſpaͤt in gedachter Stadt an; in Hannover ſpra- chen ſie wieder bei Freund Falk zu, der ſie mit wahrer chriſt- licher Bruderliebe empfing, dann ſetzten ſie ihre Reiſe fort, und kamen zu rechter Zeit geſund und geſegnet in Marburg an, wo ſie auch die Ihrigen alle wohl und vergnuͤgt antrafen.
Die Reiſe nach Bremen hatte Stillingen wieder mehrere Freunde und Bekanntſchaft verſchafft, aber auch ſeine Correſpondenz, mithin auch ſeine Arbeit betraͤchtlich vermehrt. Konſultationen wegen Augenkrankheiten und Briefe religioͤſen Inhalts kamen poſttaͤglich in Menge, ſo daß er ſie mit aller Muͤhe kaum beantworten konnte; hiezu kam dann noch der taͤgliche Zulauf von Augenpatienten aller Art; ſo daß es faſt nicht moͤglich war, Alles zu leiſten, was geleiſtet werden mußte: doch verſaͤumte Stilling in ſeinem Amte nichts, ſondern er ſtrengte ſeine aͤußerſten Kraͤfte an, um allen die- ſen Pflichten zu entſprechen.
Unter dieſen Umſtaͤnden fing er das 1799ſte Jahr an. Den 22ſten Februar kam Eliſe mit ihrem juͤngſten Kind, einem Maͤdchen, gluͤcklich nieder; die Graͤfin Waldeck wuͤnſchte
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Stadt von jeher hatte, und auch noch hat.
Nach einem ſehr vergnuͤgten Aufenthalt von drei Wochen
und ein Paar Tagen reisten Stilling und Eliſe Sonn-
tags den 21ſten Oktober von Bremen wieder ab. Der
Herr hat ſeine Hand geſegnet, und die wohlhabenden Patien-
ten hatten ihn auch ſo reichlich beſchenkt, daß nicht allein
die koſtbare Reiſe bezahlt war, ſondern auch noch Etwas
uͤbrig blieb, welches bei der großen und ſchweren Haushaltung
wohl zu ſtatten kam.
Die Bremer Verwandten begleiteten ihre reiſenden Freunde
bis an den Aſſeler Damm, wo ſie einen thraͤnenvollen
Abſchied nahmen, und dann wieder zuruͤckgingen. Der Weg
bis Hoya war ſchrecklich, doch kamen ſie gluͤcklich, aber des
Abends ſpaͤt in gedachter Stadt an; in Hannover ſpra-
chen ſie wieder bei Freund Falk zu, der ſie mit wahrer chriſt-
licher Bruderliebe empfing, dann ſetzten ſie ihre Reiſe fort,
und kamen zu rechter Zeit geſund und geſegnet in Marburg
an, wo ſie auch die Ihrigen alle wohl und vergnuͤgt antrafen.
Die Reiſe nach Bremen hatte Stillingen wieder
mehrere Freunde und Bekanntſchaft verſchafft, aber auch ſeine
Correſpondenz, mithin auch ſeine Arbeit betraͤchtlich vermehrt.
Konſultationen wegen Augenkrankheiten und Briefe religioͤſen
Inhalts kamen poſttaͤglich in Menge, ſo daß er ſie mit aller
Muͤhe kaum beantworten konnte; hiezu kam dann noch der
taͤgliche Zulauf von Augenpatienten aller Art; ſo daß es faſt
nicht moͤglich war, Alles zu leiſten, was geleiſtet werden
mußte: doch verſaͤumte Stilling in ſeinem Amte nichts,
ſondern er ſtrengte ſeine aͤußerſten Kraͤfte an, um allen die-
ſen Pflichten zu entſprechen.
Unter dieſen Umſtaͤnden fing er das 1799ſte Jahr an. Den
22ſten Februar kam Eliſe mit ihrem juͤngſten Kind, einem
Maͤdchen, gluͤcklich nieder; die Graͤfin Waldeck wuͤnſchte
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/521>, abgerufen am 22.11.2024.
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