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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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Es ist Stillings ganzem Charakter zuwider, einen Fürsten,
bei dem er in besondern Gnaden steht, um irgend Etwas von
der Art zu bitten, oder Jemand zu einem Amt zu empfehlen.
So dringend nöthig nun auch seines Sohnes Versorgung war,
so schwer und fast unmöglich däuchte es ihm, für ihn bei dem Kur-
fürsten anzuhalten.

Noch muß ich erinnern, daß die Gräfin von Waldeck, um
dem Jakob bei seiner Hochzeit eine Freude zu machen, bei dem
regierenden Grafen von Wernigerode angehalten hatte, Er
möchte ihm den Justizrathstitel geben; dieß geschahe, und der
Kurfürst von Hessen erlaubte auch, daß er sich dieses Titels
bedienen möchte. Jetzt wende ich mich nun wieder zur Fortse-
tzung der Geschichte.

Stilling und Elise kamen also Freitags, den 17. Septem-
ber, des Abends in Karlsruhe an. Sonnabends Morgens,
den 18., sahe Stilling in das bekannte Losungsbüchlein der
Brüdergemeinde, welches auf jeden Tag im Jahr zwei Sprüche
aus der Bibel nebst zwei Liederverse enthält: der erste Spruch
wird die Losung genannt, und der zweite heißt der Lehrtext.
Stilling
nimmt es auf allen Reisen mit, um täglich einen
religiösen Gegenstand zur Beschäftigung für Kopf und Herz zu
haben. Mit Erstaunen fand er auf den heutigen Tag die Worte:
2. Sam. 7, V. 25. Bekräftige nun Herr Gott das
Wort in Ewigkeit, das du über deinen Knecht und
über sein Haus geredet hast, und thue, wie du
geredet hast
. Der Liedervers heißt:

O laßt uns seine Treue ehren,
Seyd ganz zu seiner Absicht da!
Er führt sie aus, Hallelujah!

Nun suchte er auch den Lehrtext auf den heutigen Tag, und
fand die schönen Worte: Sey getreu bis in den Tod,
so will ich dir die Krone des Lebens geben
! --

Dieser merkwürdige Umstand vollendete nun die frohahnende
Zuversicht, es werde heute zu einer Art von Entwicklung kom-
men. Bald darauf trat ein Bedienter vom Hofe ins Zimmer,
dieser brachte einen gnädigen Gruß vom Kurfürsten, mit dem

Es iſt Stillings ganzem Charakter zuwider, einen Fuͤrſten,
bei dem er in beſondern Gnaden ſteht, um irgend Etwas von
der Art zu bitten, oder Jemand zu einem Amt zu empfehlen.
So dringend noͤthig nun auch ſeines Sohnes Verſorgung war,
ſo ſchwer und faſt unmoͤglich daͤuchte es ihm, fuͤr ihn bei dem Kur-
fuͤrſten anzuhalten.

Noch muß ich erinnern, daß die Graͤfin von Waldeck, um
dem Jakob bei ſeiner Hochzeit eine Freude zu machen, bei dem
regierenden Grafen von Wernigerode angehalten hatte, Er
moͤchte ihm den Juſtizrathstitel geben; dieß geſchahe, und der
Kurfuͤrſt von Heſſen erlaubte auch, daß er ſich dieſes Titels
bedienen moͤchte. Jetzt wende ich mich nun wieder zur Fortſe-
tzung der Geſchichte.

Stilling und Eliſe kamen alſo Freitags, den 17. Septem-
ber, des Abends in Karlsruhe an. Sonnabends Morgens,
den 18., ſahe Stilling in das bekannte Loſungsbuͤchlein der
Bruͤdergemeinde, welches auf jeden Tag im Jahr zwei Spruͤche
aus der Bibel nebſt zwei Liederverſe enthaͤlt: der erſte Spruch
wird die Loſung genannt, und der zweite heißt der Lehrtext.
Stilling
nimmt es auf allen Reiſen mit, um taͤglich einen
religioͤſen Gegenſtand zur Beſchaͤftigung fuͤr Kopf und Herz zu
haben. Mit Erſtaunen fand er auf den heutigen Tag die Worte:
2. Sam. 7, V. 25. Bekraͤftige nun Herr Gott das
Wort in Ewigkeit, das du uͤber deinen Knecht und
uͤber ſein Haus geredet haſt, und thue, wie du
geredet haſt
. Der Liedervers heißt:

O laßt uns ſeine Treue ehren,
Seyd ganz zu ſeiner Abſicht da!
Er führt ſie aus, Hallelujah!

Nun ſuchte er auch den Lehrtext auf den heutigen Tag, und
fand die ſchoͤnen Worte: Sey getreu bis in den Tod,
ſo will ich dir die Krone des Lebens geben
! —

Dieſer merkwuͤrdige Umſtand vollendete nun die frohahnende
Zuverſicht, es werde heute zu einer Art von Entwicklung kom-
men. Bald darauf trat ein Bedienter vom Hofe ins Zimmer,
dieſer brachte einen gnaͤdigen Gruß vom Kurfuͤrſten, mit dem

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[560/0568] Es iſt Stillings ganzem Charakter zuwider, einen Fuͤrſten, bei dem er in beſondern Gnaden ſteht, um irgend Etwas von der Art zu bitten, oder Jemand zu einem Amt zu empfehlen. So dringend noͤthig nun auch ſeines Sohnes Verſorgung war, ſo ſchwer und faſt unmoͤglich daͤuchte es ihm, fuͤr ihn bei dem Kur- fuͤrſten anzuhalten. Noch muß ich erinnern, daß die Graͤfin von Waldeck, um dem Jakob bei ſeiner Hochzeit eine Freude zu machen, bei dem regierenden Grafen von Wernigerode angehalten hatte, Er moͤchte ihm den Juſtizrathstitel geben; dieß geſchahe, und der Kurfuͤrſt von Heſſen erlaubte auch, daß er ſich dieſes Titels bedienen moͤchte. Jetzt wende ich mich nun wieder zur Fortſe- tzung der Geſchichte. Stilling und Eliſe kamen alſo Freitags, den 17. Septem- ber, des Abends in Karlsruhe an. Sonnabends Morgens, den 18., ſahe Stilling in das bekannte Loſungsbuͤchlein der Bruͤdergemeinde, welches auf jeden Tag im Jahr zwei Spruͤche aus der Bibel nebſt zwei Liederverſe enthaͤlt: der erſte Spruch wird die Loſung genannt, und der zweite heißt der Lehrtext. Stilling nimmt es auf allen Reiſen mit, um taͤglich einen religioͤſen Gegenſtand zur Beſchaͤftigung fuͤr Kopf und Herz zu haben. Mit Erſtaunen fand er auf den heutigen Tag die Worte: 2. Sam. 7, V. 25. Bekraͤftige nun Herr Gott das Wort in Ewigkeit, das du uͤber deinen Knecht und uͤber ſein Haus geredet haſt, und thue, wie du geredet haſt. Der Liedervers heißt: O laßt uns ſeine Treue ehren, Seyd ganz zu ſeiner Abſicht da! Er führt ſie aus, Hallelujah! Nun ſuchte er auch den Lehrtext auf den heutigen Tag, und fand die ſchoͤnen Worte: Sey getreu bis in den Tod, ſo will ich dir die Krone des Lebens geben! — Dieſer merkwuͤrdige Umſtand vollendete nun die frohahnende Zuverſicht, es werde heute zu einer Art von Entwicklung kom- men. Bald darauf trat ein Bedienter vom Hofe ins Zimmer, dieſer brachte einen gnaͤdigen Gruß vom Kurfuͤrſten, mit dem

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/568>, abgerufen am 22.11.2024.