ben so viel Aufsehens macht. Pestalozzis Hauptcharakterzug ist Menschen- und besonders Kinderliebe; daher hat er sich auch seit langer Zeit mit dem Erziehungsgeschäfte abgegeben; er ist also ein achtungswerther, edler Mann. Eigentlich ist seine Erziehungsmethode nicht der Gegenstand, der so viel Aufsehens macht, sondern die Lehrmethode, der Unterricht der Kinder -- dieser ist erstaunlich, Niemand glaubt es, bis er es gesehen und gehört hat -- aber eigentlich werden dadurch nur die Anschau- ungsbegriffe entwickelt, die sich auf Raum und Zeit beziehen; darin bringen es diese Zöglinge in kurzer Zeit zu einem hohen Grad der Vollkommenheit. Wie es aber nun mit der Entwick- lung abstrakter Begriffe, dann der sittlichen und religiösen Kräfte gehen, und was überhaupt die Pestalozzische Methode für Einfluß auf das praktische Leben in die Zukunft haben wird, das muß man von der Zeit erwarten. Deßwegen sollte man behutsam seyn, und erst einmal sehen, was aus den Knaben wird, die auf diese Art gebildet worden sind. -- Es ist doch wahrlich! bedenklich, in Erziehungssachen so schnell zuzufahren, ehe man des guten Erfolgs gewiß ist.
Montags den 4. Oktober des Nachmittags reisten Stilling und Elise vier Stunden weiter nach Bern, wo sie bei dem Verwalter Niehans, einem frommen und treuen Freund Got- tes und der Menschen, einkehrten. Der viertägige Aufenthalt in dieser ausnehmend schönen Stadt war gedrängt voller Ge- schäfte: Staaroperationen, Bedienung vieler Augenkranken, Be- suche geben und annehmen, lösten sich immer mit großer Eile ab. Dann gewannen auch hier wieder beide Reisende einen großen Schatz von Freunden und Freundinnen, besonders kam Stilling mit den dreien gottesfürchtigen Predigern Wittenbach, Müeß- lin und Lorsa in nähere Bekanntschaft. Auch die schätzbaren Brüder Studer dürfen nicht vergessen werden; der eine beschenkte ihn mit einem herrlich illuminirten Kupferstich, der die Aussicht von Bern auf die Schneegebirge vorstellt und von ihm selbst verfertigt ist.
Sonntags Morgens den 10. Oktober reisten Stilling und Elise wieder von Bern ab; unterwegs besahen sie zu Hindel- bank das berühmte Grabmal der Frau Pfarrerin Langhaus, welches der hessische große Künstler Nahl verfertigt hat.
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ben ſo viel Aufſehens macht. Peſtalozzis Hauptcharakterzug iſt Menſchen- und beſonders Kinderliebe; daher hat er ſich auch ſeit langer Zeit mit dem Erziehungsgeſchaͤfte abgegeben; er iſt alſo ein achtungswerther, edler Mann. Eigentlich iſt ſeine Erziehungsmethode nicht der Gegenſtand, der ſo viel Aufſehens macht, ſondern die Lehrmethode, der Unterricht der Kinder — dieſer iſt erſtaunlich, Niemand glaubt es, bis er es geſehen und gehoͤrt hat — aber eigentlich werden dadurch nur die Anſchau- ungsbegriffe entwickelt, die ſich auf Raum und Zeit beziehen; darin bringen es dieſe Zoͤglinge in kurzer Zeit zu einem hohen Grad der Vollkommenheit. Wie es aber nun mit der Entwick- lung abſtrakter Begriffe, dann der ſittlichen und religioͤſen Kraͤfte gehen, und was uͤberhaupt die Peſtalozziſche Methode fuͤr Einfluß auf das praktiſche Leben in die Zukunft haben wird, das muß man von der Zeit erwarten. Deßwegen ſollte man behutſam ſeyn, und erſt einmal ſehen, was aus den Knaben wird, die auf dieſe Art gebildet worden ſind. — Es iſt doch wahrlich! bedenklich, in Erziehungsſachen ſo ſchnell zuzufahren, ehe man des guten Erfolgs gewiß iſt.
Montags den 4. Oktober des Nachmittags reisten Stilling und Eliſe vier Stunden weiter nach Bern, wo ſie bei dem Verwalter Niehans, einem frommen und treuen Freund Got- tes und der Menſchen, einkehrten. Der viertaͤgige Aufenthalt in dieſer ausnehmend ſchoͤnen Stadt war gedraͤngt voller Ge- ſchaͤfte: Staaroperationen, Bedienung vieler Augenkranken, Be- ſuche geben und annehmen, loͤsten ſich immer mit großer Eile ab. Dann gewannen auch hier wieder beide Reiſende einen großen Schatz von Freunden und Freundinnen, beſonders kam Stilling mit den dreien gottesfuͤrchtigen Predigern Wittenbach, Muͤeß- lin und Lorſa in naͤhere Bekanntſchaft. Auch die ſchaͤtzbaren Bruͤder Studer duͤrfen nicht vergeſſen werden; der eine beſchenkte ihn mit einem herrlich illuminirten Kupferſtich, der die Ausſicht von Bern auf die Schneegebirge vorſtellt und von ihm ſelbſt verfertigt iſt.
Sonntags Morgens den 10. Oktober reisten Stilling und Eliſe wieder von Bern ab; unterwegs beſahen ſie zu Hindel- bank das beruͤhmte Grabmal der Frau Pfarrerin Langhaus, welches der heſſiſche große Kuͤnſtler Nahl verfertigt hat.
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ben ſo viel Aufſehens macht. Peſtalozzis Hauptcharakterzug
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iſt alſo ein achtungswerther, edler Mann. Eigentlich iſt ſeine
Erziehungsmethode nicht der Gegenſtand, der ſo viel Aufſehens
macht, ſondern die Lehrmethode, der Unterricht der Kinder —
dieſer iſt erſtaunlich, Niemand glaubt es, bis er es geſehen und
gehoͤrt hat — aber eigentlich werden dadurch nur die Anſchau-
ungsbegriffe entwickelt, die ſich auf Raum und Zeit beziehen;
darin bringen es dieſe Zoͤglinge in kurzer Zeit zu einem hohen
Grad der Vollkommenheit. Wie es aber nun mit der Entwick-
lung abſtrakter Begriffe, dann der ſittlichen und religioͤſen Kraͤfte
gehen, und was uͤberhaupt die Peſtalozziſche Methode fuͤr
Einfluß auf das praktiſche Leben in die Zukunft haben wird,
das muß man von der Zeit erwarten. Deßwegen ſollte man
behutſam ſeyn, und erſt einmal ſehen, was aus den Knaben wird,
die auf dieſe Art gebildet worden ſind. — Es iſt doch wahrlich!
bedenklich, in Erziehungsſachen ſo ſchnell zuzufahren, ehe man
des guten Erfolgs gewiß iſt.
Montags den 4. Oktober des Nachmittags reisten Stilling
und Eliſe vier Stunden weiter nach Bern, wo ſie bei dem
Verwalter Niehans, einem frommen und treuen Freund Got-
tes und der Menſchen, einkehrten. Der viertaͤgige Aufenthalt
in dieſer ausnehmend ſchoͤnen Stadt war gedraͤngt voller Ge-
ſchaͤfte: Staaroperationen, Bedienung vieler Augenkranken, Be-
ſuche geben und annehmen, loͤsten ſich immer mit großer Eile ab.
Dann gewannen auch hier wieder beide Reiſende einen großen
Schatz von Freunden und Freundinnen, beſonders kam Stilling
mit den dreien gottesfuͤrchtigen Predigern Wittenbach, Muͤeß-
lin und Lorſa in naͤhere Bekanntſchaft. Auch die ſchaͤtzbaren
Bruͤder Studer duͤrfen nicht vergeſſen werden; der eine beſchenkte
ihn mit einem herrlich illuminirten Kupferſtich, der die Ausſicht von
Bern auf die Schneegebirge vorſtellt und von ihm ſelbſt verfertigt iſt.
Sonntags Morgens den 10. Oktober reisten Stilling und
Eliſe wieder von Bern ab; unterwegs beſahen ſie zu Hindel-
bank das beruͤhmte Grabmal der Frau Pfarrerin Langhaus,
welches der heſſiſche große Kuͤnſtler Nahl verfertigt hat.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/575>, abgerufen am 22.11.2024.
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