nicht mit, sondern gegen meinen Willen geschah; ich mußte durch die Macht der Vorsehung hinaus- getrieben werden! -- Es ist zu meinem Zweck Al- les daran gelegen, daß man sich bis zur höchsten Evidenz überzeuge: ich habe Nichts zum Plan meiner Führung beigetragen.
Mein erster Vorsatz war, nach Holland zu gehen und da bei Kaufleuten Dienste zu suchen: allein in Solingen im Her- zogthum Berg, machte man mir diesen Vorsatz leid, ich blieb da und arbeitete auf dem Handwerk. Diese Beschäftigung war mir nun von Herzen zuwider: denn meine Sinnlichkeit forderte immer belustigende Abwechselung; Romanen oder sonst unter- haltende Geschichten zu lesen, das war's eigentlich, wohin meine Sinnlichkeit ihre Richtung genommen hatte; meine Imagination, meine Phantasie war immerhin mit den allerromanhaftesten Bildern in unaussprechlicher Lebhaftigkeit beschäftigt, und mein Leichtsinn setzte sich über alle Bedenklichkeiten weg. Die ewige Liebe erbarmte sich hier zwar meiner so, daß sie mich durch einen unaussprechlich innigen, tief in mein Herz dringenden, und mein ganzes Wesen erfüllenden Zug zur Einkehr, und mein ganzes künftiges Leben dem Herrn zu widmen, unwiderruflich bestimmte; dieser Zug ist auch bis daher immer geblieben, und wird bleiben, bis ich vor seinem Thron stehe; aber dadurch war mein natür- liches Verderben noch lange nicht ausgewurzelt, das mußte nun Jesus Christus durch seine große und herrliche Erlösung, durch seinen Geist, vermittelst langwieriger, schwerer und leidens- voller Prüfungen bekämpfen und überwinden; noch ist dieß große Geschäft nicht vollendet, und wird auch nicht vollendet werden, bis meine Seele vom Leibe der Sünden und des Todes befreit ist.
Ungeachtet nun mein Geist seine Richtung zum großen Ziel der Menschenbestimmung genommen hatte, so gab es doch noch unendlich viele Abwege, und bald gerieth ich auf einen: meine Abneigung gegen das Schneiderhandwerk machte, daß ich sogleich zufuhr, als mir die Hauslehrerstelle bei einem Kaufmann ange- tragen wurde, und mein Leichtsinn erkundigte sich -- nach nichts! -- Hier stieg mein Jammer auf die höchste Stufe, solch eine Schwermuth, solch eine Höllenqual, solch eine Ent-
nicht mit, ſondern gegen meinen Willen geſchah; ich mußte durch die Macht der Vorſehung hinaus- getrieben werden! — Es iſt zu meinem Zweck Al- les daran gelegen, daß man ſich bis zur hoͤchſten Evidenz uͤberzeuge: ich habe Nichts zum Plan meiner Fuͤhrung beigetragen.
Mein erſter Vorſatz war, nach Holland zu gehen und da bei Kaufleuten Dienſte zu ſuchen: allein in Solingen im Her- zogthum Berg, machte man mir dieſen Vorſatz leid, ich blieb da und arbeitete auf dem Handwerk. Dieſe Beſchaͤftigung war mir nun von Herzen zuwider: denn meine Sinnlichkeit forderte immer beluſtigende Abwechſelung; Romanen oder ſonſt unter- haltende Geſchichten zu leſen, das war’s eigentlich, wohin meine Sinnlichkeit ihre Richtung genommen hatte; meine Imagination, meine Phantaſie war immerhin mit den allerromanhafteſten Bildern in unausſprechlicher Lebhaftigkeit beſchaͤftigt, und mein Leichtſinn ſetzte ſich uͤber alle Bedenklichkeiten weg. Die ewige Liebe erbarmte ſich hier zwar meiner ſo, daß ſie mich durch einen unausſprechlich innigen, tief in mein Herz dringenden, und mein ganzes Weſen erfuͤllenden Zug zur Einkehr, und mein ganzes kuͤnftiges Leben dem Herrn zu widmen, unwiderruflich beſtimmte; dieſer Zug iſt auch bis daher immer geblieben, und wird bleiben, bis ich vor ſeinem Thron ſtehe; aber dadurch war mein natuͤr- liches Verderben noch lange nicht ausgewurzelt, das mußte nun Jeſus Chriſtus durch ſeine große und herrliche Erloͤſung, durch ſeinen Geiſt, vermittelſt langwieriger, ſchwerer und leidens- voller Pruͤfungen bekaͤmpfen und uͤberwinden; noch iſt dieß große Geſchaͤft nicht vollendet, und wird auch nicht vollendet werden, bis meine Seele vom Leibe der Suͤnden und des Todes befreit iſt.
Ungeachtet nun mein Geiſt ſeine Richtung zum großen Ziel der Menſchenbeſtimmung genommen hatte, ſo gab es doch noch unendlich viele Abwege, und bald gerieth ich auf einen: meine Abneigung gegen das Schneiderhandwerk machte, daß ich ſogleich zufuhr, als mir die Hauslehrerſtelle bei einem Kaufmann ange- tragen wurde, und mein Leichtſinn erkundigte ſich — nach nichts! — Hier ſtieg mein Jammer auf die hoͤchſte Stufe, ſolch eine Schwermuth, ſolch eine Hoͤllenqual, ſolch eine Ent-
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nicht mit, ſondern gegen meinen Willen geſchah;
ich mußte durch die Macht der Vorſehung hinaus-
getrieben werden! — Es iſt zu meinem Zweck Al-
les daran gelegen, daß man ſich bis zur hoͤchſten
Evidenz uͤberzeuge: ich habe Nichts zum Plan
meiner Fuͤhrung beigetragen.
Mein erſter Vorſatz war, nach Holland zu gehen und da
bei Kaufleuten Dienſte zu ſuchen: allein in Solingen im Her-
zogthum Berg, machte man mir dieſen Vorſatz leid, ich blieb
da und arbeitete auf dem Handwerk. Dieſe Beſchaͤftigung war
mir nun von Herzen zuwider: denn meine Sinnlichkeit forderte
immer beluſtigende Abwechſelung; Romanen oder ſonſt unter-
haltende Geſchichten zu leſen, das war’s eigentlich, wohin meine
Sinnlichkeit ihre Richtung genommen hatte; meine Imagination,
meine Phantaſie war immerhin mit den allerromanhafteſten
Bildern in unausſprechlicher Lebhaftigkeit beſchaͤftigt, und mein
Leichtſinn ſetzte ſich uͤber alle Bedenklichkeiten weg. Die ewige
Liebe erbarmte ſich hier zwar meiner ſo, daß ſie mich durch einen
unausſprechlich innigen, tief in mein Herz dringenden, und mein
ganzes Weſen erfuͤllenden Zug zur Einkehr, und mein ganzes
kuͤnftiges Leben dem Herrn zu widmen, unwiderruflich beſtimmte;
dieſer Zug iſt auch bis daher immer geblieben, und wird bleiben,
bis ich vor ſeinem Thron ſtehe; aber dadurch war mein natuͤr-
liches Verderben noch lange nicht ausgewurzelt, das mußte nun
Jeſus Chriſtus durch ſeine große und herrliche Erloͤſung,
durch ſeinen Geiſt, vermittelſt langwieriger, ſchwerer und leidens-
voller Pruͤfungen bekaͤmpfen und uͤberwinden; noch iſt dieß große
Geſchaͤft nicht vollendet, und wird auch nicht vollendet werden,
bis meine Seele vom Leibe der Suͤnden und des Todes befreit iſt.
Ungeachtet nun mein Geiſt ſeine Richtung zum großen Ziel
der Menſchenbeſtimmung genommen hatte, ſo gab es doch noch
unendlich viele Abwege, und bald gerieth ich auf einen: meine
Abneigung gegen das Schneiderhandwerk machte, daß ich ſogleich
zufuhr, als mir die Hauslehrerſtelle bei einem Kaufmann ange-
tragen wurde, und mein Leichtſinn erkundigte ſich — nach
nichts! — Hier ſtieg mein Jammer auf die hoͤchſte Stufe,
ſolch eine Schwermuth, ſolch eine Hoͤllenqual, ſolch eine Ent-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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