Baden und zu seinen Kindern nach Rastadt, schienen seine Natur wiederum zu stählen; und wirklich konnte er im Verlaufe des vorigen Sommers noch 17 Blinden das Gesicht wieder ge- ben; da er aber bei seiner Mattigkeit mit schmerzhaftem Ma- genkrampf unaufhörlich belastet war und dazu an Seitenschmer- zen litt, -- welche er selbst einem früheren Falle aus der Kutsche, und einem dadurch entstandenen organischen Fehler zuschrieb, -- mußte er seit Anfang des Winters 1816 -- 1817 gänzlich das Bett hüten. Ohnerachtet der stärkendsten Mittel, die zu seiner Schmerzenlinderung angewendet wurden, schwanden mehr und mehr seine Kräfte. Von dieser Zeit an war es ihm nicht mehr möglich, seinen Briefwechsel fortzusetzen, nur die wichtigsten Briefe ließ er durch die Seinigen beantworten; und als ihm auch das Diktiren in seiner Kränklichkeit zu schwer wurde, konnten keine Antworten mehr erfolgen.
Doch war dieß nicht das Einzige, was ihn betrübte, wohl überzeugt von der Nachsicht derer, die sich schriftlich an ihn ge- wendet hatten, sondern er mußte auch sehen, daß mit ihm zu gleicher Zeit seine schon von vielen Jahren her an Halskrämpfen fortwährend leidende Gattin von heftigen Brustschmerzen und Lungengeschwüren befallen wurde. Mit der freudigsten Ergebung in den Willen der göttlichen Vorsehung duldete das ehrwürdige Ehepaar; und der Anblick seiner schmerzvollen Leiden war für Kinder und Freunde herzzerreißend, aber ihr Beispiel erhebend.
Zuweilen schienen Vater Stillings Lebenskräfte sich zu erneuern, dann suchte er seine Hauptarbeiten fortzuführen; je- doch unterlag seine Hand bald der Leibesschwäche. In diesen kräftigeren Stunden war es, wo er sein Alter zu schreiben anfing, und es so weit für den Druck ausfertigen konnte, als es voran stehet.
Mehreres zu schreiben, ließen ihm seine Kräfte nicht zu, und die Fortsetzung schreiben zu lassen, untersagte er. Auch ist dasjenige, was er hier von seinem Alter erzählt, hinreichend, um seine letzte äußere Lage kennen zu lernen, und zugleich die Geisteskraft zu bewundern, welche stets auf dem Krankenbette seine Begleiterin blieb, und seine Seele noch in den letzten Athem- zügen zum Himmel trug. Und das Wenige, was wir hier von
Baden und zu ſeinen Kindern nach Raſtadt, ſchienen ſeine Natur wiederum zu ſtaͤhlen; und wirklich konnte er im Verlaufe des vorigen Sommers noch 17 Blinden das Geſicht wieder ge- ben; da er aber bei ſeiner Mattigkeit mit ſchmerzhaftem Ma- genkrampf unaufhoͤrlich belaſtet war und dazu an Seitenſchmer- zen litt, — welche er ſelbſt einem fruͤheren Falle aus der Kutſche, und einem dadurch entſtandenen organiſchen Fehler zuſchrieb, — mußte er ſeit Anfang des Winters 1816 — 1817 gaͤnzlich das Bett huͤten. Ohnerachtet der ſtaͤrkendſten Mittel, die zu ſeiner Schmerzenlinderung angewendet wurden, ſchwanden mehr und mehr ſeine Kraͤfte. Von dieſer Zeit an war es ihm nicht mehr moͤglich, ſeinen Briefwechſel fortzuſetzen, nur die wichtigſten Briefe ließ er durch die Seinigen beantworten; und als ihm auch das Diktiren in ſeiner Kraͤnklichkeit zu ſchwer wurde, konnten keine Antworten mehr erfolgen.
Doch war dieß nicht das Einzige, was ihn betruͤbte, wohl uͤberzeugt von der Nachſicht derer, die ſich ſchriftlich an ihn ge- wendet hatten, ſondern er mußte auch ſehen, daß mit ihm zu gleicher Zeit ſeine ſchon von vielen Jahren her an Halskraͤmpfen fortwaͤhrend leidende Gattin von heftigen Bruſtſchmerzen und Lungengeſchwuͤren befallen wurde. Mit der freudigſten Ergebung in den Willen der goͤttlichen Vorſehung duldete das ehrwuͤrdige Ehepaar; und der Anblick ſeiner ſchmerzvollen Leiden war fuͤr Kinder und Freunde herzzerreißend, aber ihr Beiſpiel erhebend.
Zuweilen ſchienen Vater Stillings Lebenskraͤfte ſich zu erneuern, dann ſuchte er ſeine Hauptarbeiten fortzufuͤhren; je- doch unterlag ſeine Hand bald der Leibesſchwaͤche. In dieſen kraͤftigeren Stunden war es, wo er ſein Alter zu ſchreiben anfing, und es ſo weit fuͤr den Druck ausfertigen konnte, als es voran ſtehet.
Mehreres zu ſchreiben, ließen ihm ſeine Kraͤfte nicht zu, und die Fortſetzung ſchreiben zu laſſen, unterſagte er. Auch iſt dasjenige, was er hier von ſeinem Alter erzaͤhlt, hinreichend, um ſeine letzte aͤußere Lage kennen zu lernen, und zugleich die Geiſteskraft zu bewundern, welche ſtets auf dem Krankenbette ſeine Begleiterin blieb, und ſeine Seele noch in den letzten Athem- zuͤgen zum Himmel trug. Und das Wenige, was wir hier von
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Baden und zu ſeinen Kindern nach Raſtadt, ſchienen ſeine
Natur wiederum zu ſtaͤhlen; und wirklich konnte er im Verlaufe
des vorigen Sommers noch 17 Blinden das Geſicht wieder ge-
ben; da er aber bei ſeiner Mattigkeit mit ſchmerzhaftem Ma-
genkrampf unaufhoͤrlich belaſtet war und dazu an Seitenſchmer-
zen litt, — welche er ſelbſt einem fruͤheren Falle aus der Kutſche,
und einem dadurch entſtandenen organiſchen Fehler zuſchrieb, —
mußte er ſeit Anfang des Winters 1816 — 1817 gaͤnzlich das
Bett huͤten. Ohnerachtet der ſtaͤrkendſten Mittel, die zu ſeiner
Schmerzenlinderung angewendet wurden, ſchwanden mehr und
mehr ſeine Kraͤfte. Von dieſer Zeit an war es ihm nicht mehr
moͤglich, ſeinen Briefwechſel fortzuſetzen, nur die wichtigſten Briefe
ließ er durch die Seinigen beantworten; und als ihm auch das
Diktiren in ſeiner Kraͤnklichkeit zu ſchwer wurde, konnten keine
Antworten mehr erfolgen.
Doch war dieß nicht das Einzige, was ihn betruͤbte, wohl
uͤberzeugt von der Nachſicht derer, die ſich ſchriftlich an ihn ge-
wendet hatten, ſondern er mußte auch ſehen, daß mit ihm zu
gleicher Zeit ſeine ſchon von vielen Jahren her an Halskraͤmpfen
fortwaͤhrend leidende Gattin von heftigen Bruſtſchmerzen und
Lungengeſchwuͤren befallen wurde. Mit der freudigſten Ergebung
in den Willen der goͤttlichen Vorſehung duldete das ehrwuͤrdige
Ehepaar; und der Anblick ſeiner ſchmerzvollen Leiden war fuͤr
Kinder und Freunde herzzerreißend, aber ihr Beiſpiel erhebend.
Zuweilen ſchienen Vater Stillings Lebenskraͤfte ſich zu
erneuern, dann ſuchte er ſeine Hauptarbeiten fortzufuͤhren; je-
doch unterlag ſeine Hand bald der Leibesſchwaͤche. In dieſen
kraͤftigeren Stunden war es, wo er ſein Alter zu ſchreiben anfing,
und es ſo weit fuͤr den Druck ausfertigen konnte, als es voran
ſtehet.
Mehreres zu ſchreiben, ließen ihm ſeine Kraͤfte nicht zu, und
die Fortſetzung ſchreiben zu laſſen, unterſagte er. Auch iſt
dasjenige, was er hier von ſeinem Alter erzaͤhlt, hinreichend,
um ſeine letzte aͤußere Lage kennen zu lernen, und zugleich die
Geiſteskraft zu bewundern, welche ſtets auf dem Krankenbette
ſeine Begleiterin blieb, und ſeine Seele noch in den letzten Athem-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 630. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/638>, abgerufen am 24.11.2024.
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