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Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835.

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seinem weitern Fortleben melden, soll nicht als Fortsetzung sei-
ner Lebensgeschichte betrachtet seyn, sondern als ein Zeugniß für
die Wahrheit des christlichen Glaubens, und dabei als Gewähr-
leistung der Wünsche vieler Freunde, welche Kenntniß seiner
letzten Stunde begehren.

Mit Freude, sagte er zu Anfang des Winters, als er das
letzte Heft seiner biblischen Erzählungen und sein Schatzkästlein
aus der Druckerey erhielt: "Nun habe ich doch meine
biblische Geschichte noch vollendet
!" Gegen Weih-
nachten hin nahm die Schwäche des verehrten Vaters und die
Krankheit seiner theuern Gattin bis zu dem Grade zu, daß wir
für Beide nicht mehr lange hoffen konnten. Auch entledigten sich
Beide aller irdischen Sorgen, welche sie für ihre Hinterlassene
noch auf dem Herzen hatten, und waren zur Heimreise geschickt.
Indessen wollte uns der Himmel ihre Gegenwart noch einige
Monate gönnen, denn zu Anfang des neuen Jahres 1817 kamen
sie wieder zu mehr Kräften, so daß sie zuweilen außer Bett eine
Zeitlang zu bleiben vermochten.

Zuvor hatte der ehrwürdige Greis oft zu seiner für ihn noch
auf dem Sterbebette besorgten Gattin gesagt: "Es ist mir
"einerlei, wie es kommt, fortwirken oder nicht, ich
"bin auf alles gefaßt
." Ja, diese gänzliche Ergebung in
den Willen seines himmlischen Vaters, zeigte er fortwährend,
und rief darum auch einmal in einem durch seinen heftigen Ma-
genkrampf veranlaßten Schmerz: "Gott hat mich von Ju-
"gend auf mit besonderer Vorsehung geleitet, ich
"will nicht unzufrieden seyn, sondern Ihn auch
"in meinem Leiden verherrlichen
!"

Dabei war die Beschäftigung seiner Gedanken die ganze Zeit
seiner Bettlägerigkeit auf die Gegenstände des Reiches Gottes ge-
richtet, von diesen unterhielt er sich am liebsten mit seiner Gat-
tin und seinen Kindern und Freunden, und darum las er mit
unbeschreiblichem Wohlgefallen die Schriften von Kanne "Le-
ben und aus dem Leben erweckter Christen;" -- und von Schu-
bert
"Altes und Neues aus der höhern Seelenkunde," und
sagte einmal: "Diese Männer sind von der Vorse-
"hung zu tüchtigen Werkzeugen in diesem Jahr-

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ſeinem weitern Fortleben melden, ſoll nicht als Fortſetzung ſei-
ner Lebensgeſchichte betrachtet ſeyn, ſondern als ein Zeugniß fuͤr
die Wahrheit des chriſtlichen Glaubens, und dabei als Gewaͤhr-
leiſtung der Wuͤnſche vieler Freunde, welche Kenntniß ſeiner
letzten Stunde begehren.

Mit Freude, ſagte er zu Anfang des Winters, als er das
letzte Heft ſeiner bibliſchen Erzaͤhlungen und ſein Schatzkaͤſtlein
aus der Druckerey erhielt: „Nun habe ich doch meine
bibliſche Geſchichte noch vollendet
!“ Gegen Weih-
nachten hin nahm die Schwaͤche des verehrten Vaters und die
Krankheit ſeiner theuern Gattin bis zu dem Grade zu, daß wir
fuͤr Beide nicht mehr lange hoffen konnten. Auch entledigten ſich
Beide aller irdiſchen Sorgen, welche ſie fuͤr ihre Hinterlaſſene
noch auf dem Herzen hatten, und waren zur Heimreiſe geſchickt.
Indeſſen wollte uns der Himmel ihre Gegenwart noch einige
Monate goͤnnen, denn zu Anfang des neuen Jahres 1817 kamen
ſie wieder zu mehr Kraͤften, ſo daß ſie zuweilen außer Bett eine
Zeitlang zu bleiben vermochten.

Zuvor hatte der ehrwuͤrdige Greis oft zu ſeiner fuͤr ihn noch
auf dem Sterbebette beſorgten Gattin geſagt: „Es iſt mir
„einerlei, wie es kommt, fortwirken oder nicht, ich
„bin auf alles gefaßt
.“ Ja, dieſe gaͤnzliche Ergebung in
den Willen ſeines himmliſchen Vaters, zeigte er fortwaͤhrend,
und rief darum auch einmal in einem durch ſeinen heftigen Ma-
genkrampf veranlaßten Schmerz: „Gott hat mich von Ju-
„gend auf mit beſonderer Vorſehung geleitet, ich
„will nicht unzufrieden ſeyn, ſondern Ihn auch
„in meinem Leiden verherrlichen
!“

Dabei war die Beſchaͤftigung ſeiner Gedanken die ganze Zeit
ſeiner Bettlaͤgerigkeit auf die Gegenſtaͤnde des Reiches Gottes ge-
richtet, von dieſen unterhielt er ſich am liebſten mit ſeiner Gat-
tin und ſeinen Kindern und Freunden, und darum las er mit
unbeſchreiblichem Wohlgefallen die Schriften von Kanne „Le-
ben und aus dem Leben erweckter Chriſten;“ — und von Schu-
bert
„Altes und Neues aus der hoͤhern Seelenkunde,“ und
ſagte einmal: „Dieſe Maͤnner ſind von der Vorſe-
„hung zu tuͤchtigen Werkzeugen in dieſem Jahr-

41 *
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[631/0639] ſeinem weitern Fortleben melden, ſoll nicht als Fortſetzung ſei- ner Lebensgeſchichte betrachtet ſeyn, ſondern als ein Zeugniß fuͤr die Wahrheit des chriſtlichen Glaubens, und dabei als Gewaͤhr- leiſtung der Wuͤnſche vieler Freunde, welche Kenntniß ſeiner letzten Stunde begehren. Mit Freude, ſagte er zu Anfang des Winters, als er das letzte Heft ſeiner bibliſchen Erzaͤhlungen und ſein Schatzkaͤſtlein aus der Druckerey erhielt: „Nun habe ich doch meine bibliſche Geſchichte noch vollendet!“ Gegen Weih- nachten hin nahm die Schwaͤche des verehrten Vaters und die Krankheit ſeiner theuern Gattin bis zu dem Grade zu, daß wir fuͤr Beide nicht mehr lange hoffen konnten. Auch entledigten ſich Beide aller irdiſchen Sorgen, welche ſie fuͤr ihre Hinterlaſſene noch auf dem Herzen hatten, und waren zur Heimreiſe geſchickt. Indeſſen wollte uns der Himmel ihre Gegenwart noch einige Monate goͤnnen, denn zu Anfang des neuen Jahres 1817 kamen ſie wieder zu mehr Kraͤften, ſo daß ſie zuweilen außer Bett eine Zeitlang zu bleiben vermochten. Zuvor hatte der ehrwuͤrdige Greis oft zu ſeiner fuͤr ihn noch auf dem Sterbebette beſorgten Gattin geſagt: „Es iſt mir „einerlei, wie es kommt, fortwirken oder nicht, ich „bin auf alles gefaßt.“ Ja, dieſe gaͤnzliche Ergebung in den Willen ſeines himmliſchen Vaters, zeigte er fortwaͤhrend, und rief darum auch einmal in einem durch ſeinen heftigen Ma- genkrampf veranlaßten Schmerz: „Gott hat mich von Ju- „gend auf mit beſonderer Vorſehung geleitet, ich „will nicht unzufrieden ſeyn, ſondern Ihn auch „in meinem Leiden verherrlichen!“ Dabei war die Beſchaͤftigung ſeiner Gedanken die ganze Zeit ſeiner Bettlaͤgerigkeit auf die Gegenſtaͤnde des Reiches Gottes ge- richtet, von dieſen unterhielt er ſich am liebſten mit ſeiner Gat- tin und ſeinen Kindern und Freunden, und darum las er mit unbeſchreiblichem Wohlgefallen die Schriften von Kanne „Le- ben und aus dem Leben erweckter Chriſten;“ — und von Schu- bert „Altes und Neues aus der hoͤhern Seelenkunde,“ und ſagte einmal: „Dieſe Maͤnner ſind von der Vorſe- „hung zu tuͤchtigen Werkzeugen in dieſem Jahr- 41 *

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Zitationshilfe: Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/639>, abgerufen am 23.11.2024.