"hunderte auserkohren!" Und als er Blumhards Magazin für die neueste Geschichte der protestantischen Missions- Bibel-Gesellschaften, Basel 1817, durchlesen hatte, und wir uns von dem schönen Fortgang des Reichs Gottes in der neuern Zeit unterhielten, so sagte er: "Siehe, l. S., das ist jetzt "in meinem Alter meine Freude und Erholung, "wenn ich so da liege, und höre von der weitern "Ausbreitung des Christenthums."
Mit dieser Beschäftigung, mit dem Lesen anderer christlicher Bücher, und der Erbauung aus der heiligen Schrift die immer neben ihm lag -- und aus geistlichen Liedern, brachte er seine Zeit dahin, die ihm auch, wie er sagte, nie lang wurde.
Nur zuweilen ließen seine Kräfte ihm zu, sich mit uns zu unterhalten, und kamen Freunde, die ihn sprechen wollten, zu einem solchen günstigen Augenblicke, so konnte er ihrem Wunsche Gehör geben. Alsdann gab er immer dieselbe muntere Unter- haltung, die ihn im gesellschaftlichen Leben jederzeit so lie- benswürdig gemacht hatte. In solchen Stunden sprach er gerne von seinem Jugendleben, und erzählte einer Freundin öfters mit besonderer Freude von seinen Verwandten in den niederrheini- schen Gegenden. Wenn man ihm aber die Freude über sein bes- seres Ergehen äußerte, so wollte er das nicht hören; und als ihm einmal eine junge Freundin sagte, sie hoffe, daß die schö- nere Frühlingszeit ihm wieder neue Lebenskräfte zuführen werde, entgegnete er: "Ach, sagen Sie mir so Etwas nicht, "denn ich will nicht, daß sich meine Freunde täu- schen!" -- Und dem Arzte äußerte er oft, wie er sein Ende herannahen fühle.
Seine Aufheiterung war wie immer, Gesang und Spiel, und während die jungen Freunde nach seinem Gefühle sangen, ent- rollten ihm Wonnethränen. Da er seit einigen Wochen nicht mehr in einem Zimmer mit seiner leidenden Gattin liegen konnte, weil ihre Krankheiten entgegengesetzte Temperatur erforderten, besuchte er dieselbe täglich eine Zeit lang, und dann wurde er an der Duldenden Bett geleitet, oder zuletzt auf einem Arm- stuhle gerollt: -- und hier war es eine Freude, ihre erbaulichen Gespräche anzuhören.
„hunderte auserkohren!“ Und als er Blumhards Magazin fuͤr die neueſte Geſchichte der proteſtantiſchen Miſſions- Bibel-Geſellſchaften, Baſel 1817, durchleſen hatte, und wir uns von dem ſchoͤnen Fortgang des Reichs Gottes in der neuern Zeit unterhielten, ſo ſagte er: „Siehe, l. S., das iſt jetzt „in meinem Alter meine Freude und Erholung, „wenn ich ſo da liege, und hoͤre von der weitern „Ausbreitung des Chriſtenthums.“
Mit dieſer Beſchaͤftigung, mit dem Leſen anderer chriſtlicher Buͤcher, und der Erbauung aus der heiligen Schrift die immer neben ihm lag — und aus geiſtlichen Liedern, brachte er ſeine Zeit dahin, die ihm auch, wie er ſagte, nie lang wurde.
Nur zuweilen ließen ſeine Kraͤfte ihm zu, ſich mit uns zu unterhalten, und kamen Freunde, die ihn ſprechen wollten, zu einem ſolchen guͤnſtigen Augenblicke, ſo konnte er ihrem Wunſche Gehoͤr geben. Alsdann gab er immer dieſelbe muntere Unter- haltung, die ihn im geſellſchaftlichen Leben jederzeit ſo lie- benswuͤrdig gemacht hatte. In ſolchen Stunden ſprach er gerne von ſeinem Jugendleben, und erzaͤhlte einer Freundin oͤfters mit beſonderer Freude von ſeinen Verwandten in den niederrheini- ſchen Gegenden. Wenn man ihm aber die Freude uͤber ſein beſ- ſeres Ergehen aͤußerte, ſo wollte er das nicht hoͤren; und als ihm einmal eine junge Freundin ſagte, ſie hoffe, daß die ſchoͤ- nere Fruͤhlingszeit ihm wieder neue Lebenskraͤfte zufuͤhren werde, entgegnete er: „Ach, ſagen Sie mir ſo Etwas nicht, „denn ich will nicht, daß ſich meine Freunde taͤu- ſchen!“ — Und dem Arzte aͤußerte er oft, wie er ſein Ende herannahen fuͤhle.
Seine Aufheiterung war wie immer, Geſang und Spiel, und waͤhrend die jungen Freunde nach ſeinem Gefuͤhle ſangen, ent- rollten ihm Wonnethraͤnen. Da er ſeit einigen Wochen nicht mehr in einem Zimmer mit ſeiner leidenden Gattin liegen konnte, weil ihre Krankheiten entgegengeſetzte Temperatur erforderten, beſuchte er dieſelbe taͤglich eine Zeit lang, und dann wurde er an der Duldenden Bett geleitet, oder zuletzt auf einem Arm- ſtuhle gerollt: — und hier war es eine Freude, ihre erbaulichen Geſpraͤche anzuhoͤren.
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„hunderte auserkohren!“ Und als er Blumhards
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uns von dem ſchoͤnen Fortgang des Reichs Gottes in der neuern
Zeit unterhielten, ſo ſagte er: „Siehe, l. S., das iſt jetzt
„in meinem Alter meine Freude und Erholung,
„wenn ich ſo da liege, und hoͤre von der weitern
„Ausbreitung des Chriſtenthums.“
Mit dieſer Beſchaͤftigung, mit dem Leſen anderer chriſtlicher
Buͤcher, und der Erbauung aus der heiligen Schrift die immer
neben ihm lag — und aus geiſtlichen Liedern, brachte er ſeine
Zeit dahin, die ihm auch, wie er ſagte, nie lang wurde.
Nur zuweilen ließen ſeine Kraͤfte ihm zu, ſich mit uns zu
unterhalten, und kamen Freunde, die ihn ſprechen wollten, zu
einem ſolchen guͤnſtigen Augenblicke, ſo konnte er ihrem Wunſche
Gehoͤr geben. Alsdann gab er immer dieſelbe muntere Unter-
haltung, die ihn im geſellſchaftlichen Leben jederzeit ſo lie-
benswuͤrdig gemacht hatte. In ſolchen Stunden ſprach er gerne
von ſeinem Jugendleben, und erzaͤhlte einer Freundin oͤfters mit
beſonderer Freude von ſeinen Verwandten in den niederrheini-
ſchen Gegenden. Wenn man ihm aber die Freude uͤber ſein beſ-
ſeres Ergehen aͤußerte, ſo wollte er das nicht hoͤren; und als
ihm einmal eine junge Freundin ſagte, ſie hoffe, daß die ſchoͤ-
nere Fruͤhlingszeit ihm wieder neue Lebenskraͤfte zufuͤhren werde,
entgegnete er: „Ach, ſagen Sie mir ſo Etwas nicht,
„denn ich will nicht, daß ſich meine Freunde taͤu-
ſchen!“ — Und dem Arzte aͤußerte er oft, wie er ſein Ende
herannahen fuͤhle.
Seine Aufheiterung war wie immer, Geſang und Spiel, und
waͤhrend die jungen Freunde nach ſeinem Gefuͤhle ſangen, ent-
rollten ihm Wonnethraͤnen. Da er ſeit einigen Wochen nicht
mehr in einem Zimmer mit ſeiner leidenden Gattin liegen konnte,
weil ihre Krankheiten entgegengeſetzte Temperatur erforderten,
beſuchte er dieſelbe taͤglich eine Zeit lang, und dann wurde er
an der Duldenden Bett geleitet, oder zuletzt auf einem Arm-
ſtuhle gerollt: — und hier war es eine Freude, ihre erbaulichen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/640>, abgerufen am 23.11.2024.
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