sten Besonnenheit und Ruhe den Augenblick des Uebergangs er- wartete, den er vielleicht auf die Stunde voraus merkte, und wo er durch seine kindliche Hingebung in Gottes Fügung mitten in dem Todeskampfe als ein rechter Glaubensheld Christum ver- herrlichte, der ihn dafür stärkte und sodann verklärte. Sein Lebensende war ein sichtbarer Beweis für die Wahrheit des christ- lichen Glaubens, denn bei der Geisteskraft und allem dem Be- wußtseyn, welches der Selige bis zum letzten Athemzuge nebst allem Gedächtnisse bewahrte, und bei der Ernsthaftigkeit, mit welcher er selbst, dieser weit Geförderte, die nahe Abforderung sich darstellte, mit der Ruhe und Heiterkeit, welche darauf folgte und sein würdevolles Antlitz umleuchtete, kann kein bloßer Deist oder Rationalist, kann nur ein Christ hinscheiden. Die Ehre seines Lebens und seiner Lehren, und die Sache des Reiches Gottes fordert mich darum auf, seine letzten Tage mit den wich- tigsten Aeußerungen, welche er nach dem Zeugnisse aller Anwe- senden und des verehrten Arztes bei völligem Bewußtseyn ge- than, öffentlich vor aller Welt auszusprechen, damit man Gott die Ehre gebe.
Als er sein Absterben nicht mehr ferne sah, verlangte er alle seine Kinder zu sich, welche auch ihre Geschäfte so eintheilen konnten, daß ihnen diese letzte Freude vergönnt war; jedoch ängstigte ihn der Gedanke, sie möchten ihr Amt um seinetwil- len vergessen, und darum sagte er ihnen, als er sie länger wie gewöhnlich bei sich verweilen sah: "Ja es wird Euch zu "lange; Ihr versäumt zuviel, geht Eurem Berufe "nach!" Denn so gern er sie um sich hatte, konnte er nicht lei- den, wenn es schiene, man vernachläßige seine Berufsgeschäfte; nachdem sie ihn darüber beruhigt hatten, ließ er zu, daß bestän- dig eines von seinen Kindern bei ihm am Bette saß. Vorher nämlich brauchte er immer eine Schelle, um die in dem Vor- zimmer zur Bedienung aufmerkenden Seinigen zu rufen, indem er gerne allein blieb, auch sprach er mit einem Jeden von Din- gen, welche ihm um deßwillen noch an dem Herzen lagen. Daß ihm, der sich nach jener Behausung, die im Himmel ist, sehnte, die Zeit in den öfteren Anfällen der Krankheit seit den letzten zwei Tagen lange wurde, beweist sein öfteres Fragen nach der Uhr.
ſten Beſonnenheit und Ruhe den Augenblick des Uebergangs er- wartete, den er vielleicht auf die Stunde voraus merkte, und wo er durch ſeine kindliche Hingebung in Gottes Fuͤgung mitten in dem Todeskampfe als ein rechter Glaubensheld Chriſtum ver- herrlichte, der ihn dafuͤr ſtaͤrkte und ſodann verklaͤrte. Sein Lebensende war ein ſichtbarer Beweis fuͤr die Wahrheit des chriſt- lichen Glaubens, denn bei der Geiſteskraft und allem dem Be- wußtſeyn, welches der Selige bis zum letzten Athemzuge nebſt allem Gedaͤchtniſſe bewahrte, und bei der Ernſthaftigkeit, mit welcher er ſelbſt, dieſer weit Gefoͤrderte, die nahe Abforderung ſich darſtellte, mit der Ruhe und Heiterkeit, welche darauf folgte und ſein wuͤrdevolles Antlitz umleuchtete, kann kein bloßer Deiſt oder Rationaliſt, kann nur ein Chriſt hinſcheiden. Die Ehre ſeines Lebens und ſeiner Lehren, und die Sache des Reiches Gottes fordert mich darum auf, ſeine letzten Tage mit den wich- tigſten Aeußerungen, welche er nach dem Zeugniſſe aller Anwe- ſenden und des verehrten Arztes bei voͤlligem Bewußtſeyn ge- than, oͤffentlich vor aller Welt auszuſprechen, damit man Gott die Ehre gebe.
Als er ſein Abſterben nicht mehr ferne ſah, verlangte er alle ſeine Kinder zu ſich, welche auch ihre Geſchaͤfte ſo eintheilen konnten, daß ihnen dieſe letzte Freude vergoͤnnt war; jedoch aͤngſtigte ihn der Gedanke, ſie moͤchten ihr Amt um ſeinetwil- len vergeſſen, und darum ſagte er ihnen, als er ſie laͤnger wie gewoͤhnlich bei ſich verweilen ſah: „Ja es wird Euch zu „lange; Ihr verſaͤumt zuviel, geht Eurem Berufe „nach!“ Denn ſo gern er ſie um ſich hatte, konnte er nicht lei- den, wenn es ſchiene, man vernachlaͤßige ſeine Berufsgeſchaͤfte; nachdem ſie ihn daruͤber beruhigt hatten, ließ er zu, daß beſtaͤn- dig eines von ſeinen Kindern bei ihm am Bette ſaß. Vorher naͤmlich brauchte er immer eine Schelle, um die in dem Vor- zimmer zur Bedienung aufmerkenden Seinigen zu rufen, indem er gerne allein blieb, auch ſprach er mit einem Jeden von Din- gen, welche ihm um deßwillen noch an dem Herzen lagen. Daß ihm, der ſich nach jener Behauſung, die im Himmel iſt, ſehnte, die Zeit in den oͤfteren Anfaͤllen der Krankheit ſeit den letzten zwei Tagen lange wurde, beweist ſein oͤfteres Fragen nach der Uhr.
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ſten Beſonnenheit und Ruhe den Augenblick des Uebergangs er-
wartete, den er vielleicht auf die Stunde voraus merkte, und
wo er durch ſeine kindliche Hingebung in Gottes Fuͤgung mitten
in dem Todeskampfe als ein rechter Glaubensheld Chriſtum ver-
herrlichte, der ihn dafuͤr ſtaͤrkte und ſodann verklaͤrte. Sein
Lebensende war ein ſichtbarer Beweis fuͤr die Wahrheit des chriſt-
lichen Glaubens, denn bei der Geiſteskraft und allem dem Be-
wußtſeyn, welches der Selige bis zum letzten Athemzuge nebſt
allem Gedaͤchtniſſe bewahrte, und bei der Ernſthaftigkeit, mit
welcher er ſelbſt, dieſer weit Gefoͤrderte, die nahe Abforderung
ſich darſtellte, mit der Ruhe und Heiterkeit, welche darauf folgte
und ſein wuͤrdevolles Antlitz umleuchtete, kann kein bloßer Deiſt
oder Rationaliſt, kann nur ein Chriſt hinſcheiden. Die Ehre
ſeines Lebens und ſeiner Lehren, und die Sache des Reiches
Gottes fordert mich darum auf, ſeine letzten Tage mit den wich-
tigſten Aeußerungen, welche er nach dem Zeugniſſe aller Anwe-
ſenden und des verehrten Arztes bei voͤlligem Bewußtſeyn ge-
than, oͤffentlich vor aller Welt auszuſprechen, damit man Gott
die Ehre gebe.
Als er ſein Abſterben nicht mehr ferne ſah, verlangte er alle
ſeine Kinder zu ſich, welche auch ihre Geſchaͤfte ſo eintheilen
konnten, daß ihnen dieſe letzte Freude vergoͤnnt war; jedoch
aͤngſtigte ihn der Gedanke, ſie moͤchten ihr Amt um ſeinetwil-
len vergeſſen, und darum ſagte er ihnen, als er ſie laͤnger wie
gewoͤhnlich bei ſich verweilen ſah: „Ja es wird Euch zu
„lange; Ihr verſaͤumt zuviel, geht Eurem Berufe
„nach!“ Denn ſo gern er ſie um ſich hatte, konnte er nicht lei-
den, wenn es ſchiene, man vernachlaͤßige ſeine Berufsgeſchaͤfte;
nachdem ſie ihn daruͤber beruhigt hatten, ließ er zu, daß beſtaͤn-
dig eines von ſeinen Kindern bei ihm am Bette ſaß. Vorher
naͤmlich brauchte er immer eine Schelle, um die in dem Vor-
zimmer zur Bedienung aufmerkenden Seinigen zu rufen, indem
er gerne allein blieb, auch ſprach er mit einem Jeden von Din-
gen, welche ihm um deßwillen noch an dem Herzen lagen. Daß
ihm, der ſich nach jener Behauſung, die im Himmel iſt, ſehnte,
die Zeit in den oͤfteren Anfaͤllen der Krankheit ſeit den letzten zwei
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/644>, abgerufen am 23.11.2024.
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