lächelte, und antwortete: wir kommen wohl schwerlich von ei- nem Fürsten her; das ist mir aber auch ganz einerlei: du mußt das auch nicht wünschen. Deine Vorfahren sind alle ehr- bare, fromme Leute gewesen; es gibt wenig Fürsten, die das sagen können. Laß' dir das die größte Ehre in der Welt seyn, daß dein Großvater, Urgroßvater und ihre Väter alle Männer waren, die zwar außer ihrem Hause nichts zu befehlen hatten, doch aber von allen Menschen geliebt und geehrt wurden. Kei- ner von ihnen hat sich auf unehrliche Art verheirathet, oder sich mit einer Frauensperson vergangen; keiner hat jemals be- gehrt, das nicht sein war; und Alle sind großmüthig gestorben in ihrem höchsten Alter. Heinrich freute sich und sagte: ich werde also alle meine Voreltern im Himmel finden? Ja, erwiederte der Großvater, das wirst du; unser Geschlecht wird daselbst grünen und blühen. Heinrich! erinnere dich an die- sen Abend, so lang du lebst. In jener Welt sind wir von gro- ßem Adel; verlier' diesen Vorzug nicht! Unser Segen wird auf dir ruhen, so lange du fromm bist; wirst du gottlos wer- den und deine Eltern verachten, so werden wir dich in der Ewigkeit nicht kennen. Heinrich fing an zu weinen, und sagte: seyd dafür nicht bange, Großvater! ich werde fromm und froh seyn, daß ich Stilling heiße. Erzählet mir aber was ihr von unsern Voreltern wisset. Vater Stilling er- zählte: Meines Urgroßvaters Vater hieß Ulli Stilling. Er war ohngefähr Anno 1500 geboren. Ich weiß aus alten Briefen, daß er nach Tiefenbach gekommen, wo er im Jahr 1530 Hans Stählers Tochter geheirathet. Er ist aus der Schweiz hergekommen, und mit Zwinglius bekannt gewesen. Er war ein sehr frommer Mann, auch so stark, daß er einsmalen fünf Räubern seine vier Kühe wieder abgenom- men, die sie ihm gestohlen hatten. Anno 1536 bekam er ei- nen Sohn, der hieß Reinhard Stilling; dieser war mein Urgroßvater. Er war ein stiller, eingezogener Mann, der Je- dermann Gutes that; er heirathete im 50sten Jahr eine ganz junge Frau, mit der er viele Kinder hatte; in seinem 60sten Jahr gebar ihm seine Frau einen Sohn, den Heinrich Stil- ling, der mein Großvater gewesen. Er war 1596 geboren,
laͤchelte, und antwortete: wir kommen wohl ſchwerlich von ei- nem Fuͤrſten her; das iſt mir aber auch ganz einerlei: du mußt das auch nicht wuͤnſchen. Deine Vorfahren ſind alle ehr- bare, fromme Leute geweſen; es gibt wenig Fuͤrſten, die das ſagen koͤnnen. Laß’ dir das die groͤßte Ehre in der Welt ſeyn, daß dein Großvater, Urgroßvater und ihre Vaͤter alle Maͤnner waren, die zwar außer ihrem Hauſe nichts zu befehlen hatten, doch aber von allen Menſchen geliebt und geehrt wurden. Kei- ner von ihnen hat ſich auf unehrliche Art verheirathet, oder ſich mit einer Frauensperſon vergangen; keiner hat jemals be- gehrt, das nicht ſein war; und Alle ſind großmuͤthig geſtorben in ihrem hoͤchſten Alter. Heinrich freute ſich und ſagte: ich werde alſo alle meine Voreltern im Himmel finden? Ja, erwiederte der Großvater, das wirſt du; unſer Geſchlecht wird daſelbſt gruͤnen und bluͤhen. Heinrich! erinnere dich an die- ſen Abend, ſo lang du lebſt. In jener Welt ſind wir von gro- ßem Adel; verlier’ dieſen Vorzug nicht! Unſer Segen wird auf dir ruhen, ſo lange du fromm biſt; wirſt du gottlos wer- den und deine Eltern verachten, ſo werden wir dich in der Ewigkeit nicht kennen. Heinrich fing an zu weinen, und ſagte: ſeyd dafuͤr nicht bange, Großvater! ich werde fromm und froh ſeyn, daß ich Stilling heiße. Erzaͤhlet mir aber was ihr von unſern Voreltern wiſſet. Vater Stilling er- zaͤhlte: Meines Urgroßvaters Vater hieß Ulli Stilling. Er war ohngefaͤhr Anno 1500 geboren. Ich weiß aus alten Briefen, daß er nach Tiefenbach gekommen, wo er im Jahr 1530 Hans Staͤhlers Tochter geheirathet. Er iſt aus der Schweiz hergekommen, und mit Zwinglius bekannt geweſen. Er war ein ſehr frommer Mann, auch ſo ſtark, daß er einsmalen fuͤnf Raͤubern ſeine vier Kuͤhe wieder abgenom- men, die ſie ihm geſtohlen hatten. Anno 1536 bekam er ei- nen Sohn, der hieß Reinhard Stilling; dieſer war mein Urgroßvater. Er war ein ſtiller, eingezogener Mann, der Je- dermann Gutes that; er heirathete im 50ſten Jahr eine ganz junge Frau, mit der er viele Kinder hatte; in ſeinem 60ſten Jahr gebar ihm ſeine Frau einen Sohn, den Heinrich Stil- ling, der mein Großvater geweſen. Er war 1596 geboren,
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laͤchelte, und antwortete: wir kommen wohl ſchwerlich von ei-
nem Fuͤrſten her; das iſt mir aber auch ganz einerlei: du mußt
das auch nicht wuͤnſchen. Deine Vorfahren ſind alle ehr-
bare, fromme Leute geweſen; es gibt wenig Fuͤrſten, die das
ſagen koͤnnen. Laß’ dir das die groͤßte Ehre in der Welt ſeyn,
daß dein Großvater, Urgroßvater und ihre Vaͤter alle Maͤnner
waren, die zwar außer ihrem Hauſe nichts zu befehlen hatten,
doch aber von allen Menſchen geliebt und geehrt wurden. Kei-
ner von ihnen hat ſich auf unehrliche Art verheirathet, oder
ſich mit einer Frauensperſon vergangen; keiner hat jemals be-
gehrt, das nicht ſein war; und Alle ſind großmuͤthig geſtorben
in ihrem hoͤchſten Alter. Heinrich freute ſich und ſagte:
ich werde alſo alle meine Voreltern im Himmel finden? Ja,
erwiederte der Großvater, das wirſt du; unſer Geſchlecht wird
daſelbſt gruͤnen und bluͤhen. Heinrich! erinnere dich an die-
ſen Abend, ſo lang du lebſt. In jener Welt ſind wir von gro-
ßem Adel; verlier’ dieſen Vorzug nicht! Unſer Segen wird
auf dir ruhen, ſo lange du fromm biſt; wirſt du gottlos wer-
den und deine Eltern verachten, ſo werden wir dich in der
Ewigkeit nicht kennen. Heinrich fing an zu weinen, und
ſagte: ſeyd dafuͤr nicht bange, Großvater! ich werde fromm
und froh ſeyn, daß ich Stilling heiße. Erzaͤhlet mir aber
was ihr von unſern Voreltern wiſſet. Vater Stilling er-
zaͤhlte: Meines Urgroßvaters Vater hieß Ulli Stilling.
Er war ohngefaͤhr Anno 1500 geboren. Ich weiß aus alten
Briefen, daß er nach Tiefenbach gekommen, wo er im Jahr
1530 Hans Staͤhlers Tochter geheirathet. Er iſt aus
der Schweiz hergekommen, und mit Zwinglius bekannt
geweſen. Er war ein ſehr frommer Mann, auch ſo ſtark, daß
er einsmalen fuͤnf Raͤubern ſeine vier Kuͤhe wieder abgenom-
men, die ſie ihm geſtohlen hatten. Anno 1536 bekam er ei-
nen Sohn, der hieß Reinhard Stilling; dieſer war mein
Urgroßvater. Er war ein ſtiller, eingezogener Mann, der Je-
dermann Gutes that; er heirathete im 50ſten Jahr eine ganz
junge Frau, mit der er viele Kinder hatte; in ſeinem 60ſten
Jahr gebar ihm ſeine Frau einen Sohn, den Heinrich Stil-
ling, der mein Großvater geweſen. Er war 1596 geboren,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schrifte… [mehr]
1835 als Bd. 1 der posthumen gesammelten Schriften erschienen. Für das DTA wurde aus Gründen der besseren Verfügbarkeit dieses Exemplar statt der Erstauflage (ersch. 1777-1804 bzw. 1817, in fünf bzw. sechs Einzelbänden) digitalisiert.
Jung-Stilling, Johann Heinrich: Lebensgeschichte. Stuttgart, 1835, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jung_lebensgeschichte_1835/84>, abgerufen am 25.11.2024.
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