Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Vollständige Abhandlung von denen Manufacuren und Fabriken. Bd. 1. Kopenhagen, 1758.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt, von der Nothwendigkeit
wendet werden. Dieser Unterschied, der auf die ur-
sprüngliche Bedeutung der Worte gegründet ist, wird
in gemeinen Reden selten beobachtet. Man sagt eine
Tuch-Camelot-Cammertuchfabrike, welches doch bloß
den Namen einer Manufactur erhalten solte.

Die Noth-
durft in
strengem
Verstande ist
bey den Völ-
kern nicht
zureichend.

Jndem ich mir vorgenommen habe zuförderst die
Nothwendigkeit und den Nutzen der Munufacturen zu
erweisen; so wird es nicht schwehr fallen, diesem End-
zwecke ein Genüge zu leisten. Es ist wahr, die wahre
Nothdurft der Natur schließet sich in sehr enge Grän-
zen ein. Kräuter, Wurzeln, Baumfrüchte, welche
die Natur ohne alles Zuthun der Menschen hervor-
bringet, Felle, zu Bedeckung ihrer Blöße, würden viel-
leicht in strengstem Verstande zu ihrer Nothdurft zu-
reichend seyn; und in der That, wenn ein Volk ohne
alle Ordnung unter sich und von aller Gemeinschaft
mit andern Völkern abgesondert lebte; so würde ein
solches Volk bey diesen engen Schranken der Noth-
durft dem ohngeachtet glücklich seyn können: in so fern
die Glückseeligkeit auf die Erfüllung unserer Wünsche
ankömmt. Dieses Volk würde keine andere Wünsche
kennen. Allein zu geschweigen, daß der äußerste Grad
der Wildheit und Barbarey schwerlich mit dem Namen
der Glückseeligkeit beleget werden kann; so werden auch
diese engen Schranken der Nothdurft alsobald auf-
hören, so bald dieses Volk einige Ordnung unter sich
errichtet und mit andern Völkern Gemeinschaft hat.
Wenn es eine oberste Gewalt und mithin verschiedene

Ord-

I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
wendet werden. Dieſer Unterſchied, der auf die ur-
ſpruͤngliche Bedeutung der Worte gegruͤndet iſt, wird
in gemeinen Reden ſelten beobachtet. Man ſagt eine
Tuch-Camelot-Cammertuchfabrike, welches doch bloß
den Namen einer Manufactur erhalten ſolte.

Die Noth-
durft in
ſtrengem
Verſtande iſt
bey den Völ-
kern nicht
zureichend.

Jndem ich mir vorgenommen habe zufoͤrderſt die
Nothwendigkeit und den Nutzen der Munufacturen zu
erweiſen; ſo wird es nicht ſchwehr fallen, dieſem End-
zwecke ein Genuͤge zu leiſten. Es iſt wahr, die wahre
Nothdurft der Natur ſchließet ſich in ſehr enge Graͤn-
zen ein. Kraͤuter, Wurzeln, Baumfruͤchte, welche
die Natur ohne alles Zuthun der Menſchen hervor-
bringet, Felle, zu Bedeckung ihrer Bloͤße, wuͤrden viel-
leicht in ſtrengſtem Verſtande zu ihrer Nothdurft zu-
reichend ſeyn; und in der That, wenn ein Volk ohne
alle Ordnung unter ſich und von aller Gemeinſchaft
mit andern Voͤlkern abgeſondert lebte; ſo wuͤrde ein
ſolches Volk bey dieſen engen Schranken der Noth-
durft dem ohngeachtet gluͤcklich ſeyn koͤnnen: in ſo fern
die Gluͤckſeeligkeit auf die Erfuͤllung unſerer Wuͤnſche
ankoͤmmt. Dieſes Volk wuͤrde keine andere Wuͤnſche
kennen. Allein zu geſchweigen, daß der aͤußerſte Grad
der Wildheit und Barbarey ſchwerlich mit dem Namen
der Gluͤckſeeligkeit beleget werden kann; ſo werden auch
dieſe engen Schranken der Nothdurft alſobald auf-
hoͤren, ſo bald dieſes Volk einige Ordnung unter ſich
errichtet und mit andern Voͤlkern Gemeinſchaft hat.
Wenn es eine oberſte Gewalt und mithin verſchiedene

Ord-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt, von der Nothwendigkeit</fw><lb/>
wendet werden. Die&#x017F;er Unter&#x017F;chied, der auf die ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;ngliche Bedeutung der Worte gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t, wird<lb/>
in gemeinen Reden &#x017F;elten beobachtet. Man &#x017F;agt eine<lb/>
Tuch-Camelot-Cammertuchfabrike, welches doch bloß<lb/>
den Namen einer Manufactur erhalten &#x017F;olte.</p><lb/>
          <note place="left">Die Noth-<lb/>
durft in<lb/>
&#x017F;trengem<lb/>
Ver&#x017F;tande i&#x017F;t<lb/>
bey den Völ-<lb/>
kern nicht<lb/>
zureichend.</note>
          <p>Jndem ich mir vorgenommen habe zufo&#x0364;rder&#x017F;t die<lb/>
Nothwendigkeit und den Nutzen der Munufacturen zu<lb/>
erwei&#x017F;en; &#x017F;o wird es nicht &#x017F;chwehr fallen, die&#x017F;em End-<lb/>
zwecke ein Genu&#x0364;ge zu lei&#x017F;ten. Es i&#x017F;t wahr, die wahre<lb/>
Nothdurft der Natur &#x017F;chließet &#x017F;ich in &#x017F;ehr enge Gra&#x0364;n-<lb/>
zen ein. Kra&#x0364;uter, Wurzeln, Baumfru&#x0364;chte, welche<lb/>
die Natur ohne alles Zuthun der Men&#x017F;chen hervor-<lb/>
bringet, Felle, zu Bedeckung ihrer Blo&#x0364;ße, wu&#x0364;rden viel-<lb/>
leicht in &#x017F;treng&#x017F;tem Ver&#x017F;tande zu ihrer Nothdurft zu-<lb/>
reichend &#x017F;eyn; und in der That, wenn ein Volk ohne<lb/>
alle Ordnung unter &#x017F;ich und von aller Gemein&#x017F;chaft<lb/>
mit andern Vo&#x0364;lkern abge&#x017F;ondert lebte; &#x017F;o wu&#x0364;rde ein<lb/>
&#x017F;olches Volk bey die&#x017F;en engen Schranken der Noth-<lb/>
durft dem ohngeachtet glu&#x0364;cklich &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen: in &#x017F;o fern<lb/>
die Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit auf die Erfu&#x0364;llung un&#x017F;erer Wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
anko&#x0364;mmt. Die&#x017F;es Volk wu&#x0364;rde keine andere Wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
kennen. Allein zu ge&#x017F;chweigen, daß der a&#x0364;ußer&#x017F;te Grad<lb/>
der Wildheit und Barbarey &#x017F;chwerlich mit dem Namen<lb/>
der Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit beleget werden kann; &#x017F;o werden auch<lb/>
die&#x017F;e engen Schranken der Nothdurft al&#x017F;obald auf-<lb/>
ho&#x0364;ren, &#x017F;o bald die&#x017F;es Volk einige Ordnung unter &#x017F;ich<lb/>
errichtet und mit andern Vo&#x0364;lkern Gemein&#x017F;chaft hat.<lb/>
Wenn es eine ober&#x017F;te Gewalt und mithin ver&#x017F;chiedene<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ord-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/0034] I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit wendet werden. Dieſer Unterſchied, der auf die ur- ſpruͤngliche Bedeutung der Worte gegruͤndet iſt, wird in gemeinen Reden ſelten beobachtet. Man ſagt eine Tuch-Camelot-Cammertuchfabrike, welches doch bloß den Namen einer Manufactur erhalten ſolte. Jndem ich mir vorgenommen habe zufoͤrderſt die Nothwendigkeit und den Nutzen der Munufacturen zu erweiſen; ſo wird es nicht ſchwehr fallen, dieſem End- zwecke ein Genuͤge zu leiſten. Es iſt wahr, die wahre Nothdurft der Natur ſchließet ſich in ſehr enge Graͤn- zen ein. Kraͤuter, Wurzeln, Baumfruͤchte, welche die Natur ohne alles Zuthun der Menſchen hervor- bringet, Felle, zu Bedeckung ihrer Bloͤße, wuͤrden viel- leicht in ſtrengſtem Verſtande zu ihrer Nothdurft zu- reichend ſeyn; und in der That, wenn ein Volk ohne alle Ordnung unter ſich und von aller Gemeinſchaft mit andern Voͤlkern abgeſondert lebte; ſo wuͤrde ein ſolches Volk bey dieſen engen Schranken der Noth- durft dem ohngeachtet gluͤcklich ſeyn koͤnnen: in ſo fern die Gluͤckſeeligkeit auf die Erfuͤllung unſerer Wuͤnſche ankoͤmmt. Dieſes Volk wuͤrde keine andere Wuͤnſche kennen. Allein zu geſchweigen, daß der aͤußerſte Grad der Wildheit und Barbarey ſchwerlich mit dem Namen der Gluͤckſeeligkeit beleget werden kann; ſo werden auch dieſe engen Schranken der Nothdurft alſobald auf- hoͤren, ſo bald dieſes Volk einige Ordnung unter ſich errichtet und mit andern Voͤlkern Gemeinſchaft hat. Wenn es eine oberſte Gewalt und mithin verſchiedene Ord-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_abhandlung01_1758
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_abhandlung01_1758/34
Zitationshilfe: Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Vollständige Abhandlung von denen Manufacuren und Fabriken. Bd. 1. Kopenhagen, 1758, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_abhandlung01_1758/34>, abgerufen am 21.11.2024.