tung der römischen Monarchie unter Augusto erst fünf- hundert Jahr verflossen? Gewiß, alle vernünftige Menschen würden über ein solches Vorgeben mitleidig lächeln, und dasselbe nicht einmahl einer Widerlegung vor würdig halten.
Jch will gar nicht behaupten, daß die Zeitrech- nung der Juden eben dergleichen Begegnung verdiene; und vielleicht werde ich mich unten in etwas mehreres einlassen, und dasjenige beybringen, was man ihrer Zeitrechnung entgegensetzen kann. So viel kann ich hier nicht unbemerkt lassen, daß diejenigen Schrift- steller, aus welchen ihre canonischen Bücher bestehen, niemahls den Vorsatz und Absicht gehabt haben, eine Zeitrechnung von dem Umfange der Welt, oder ihrer jetzigen Bewohnung zu entwerfen. Die Zeitrechnung, die man aus diesen Schriften gezogen hat, ist bloß ein Werk der Ausleger, wider welche sehr viele gegründete Zweifel und Einwürfe gemacht werden können. Das einzige, worauf diese Zeitrechnung sich mit scheinba- ren Grunde steifen kann, sind die verschiedenen Ge- schlechtsregister von Christo bis auf Adam. Allein, zu geschweigen, daß so gar diese nicht vollkommen mit einander übereinstimmen; so weis man auch, was man vernünftiger Weise dergleichen Geschlechtsregistern, die erst einige tausend Jahr hernach verfertiget worden, vor Zuverläßigkeit beylegen kann, zumahl, wenn ein Volk ohne gründliche Wissenschaften bloß die Eitelkeit hat, sich einen ehrwürdigen Uhrsprung beyzulegen. Eben diese Eitelkeit erzeugte bey denen Griechen die Begier- de, daß sich ein jedes ansehnliches griechisches Ge- schlecht von den Göttern ableitete. Und diese Begierde
und
der Pole und Himmelsgegenden.
tung der roͤmiſchen Monarchie unter Auguſto erſt fuͤnf- hundert Jahr verfloſſen? Gewiß, alle vernuͤnftige Menſchen wuͤrden uͤber ein ſolches Vorgeben mitleidig laͤcheln, und daſſelbe nicht einmahl einer Widerlegung vor wuͤrdig halten.
Jch will gar nicht behaupten, daß die Zeitrech- nung der Juden eben dergleichen Begegnung verdiene; und vielleicht werde ich mich unten in etwas mehreres einlaſſen, und dasjenige beybringen, was man ihrer Zeitrechnung entgegenſetzen kann. So viel kann ich hier nicht unbemerkt laſſen, daß diejenigen Schrift- ſteller, aus welchen ihre canoniſchen Buͤcher beſtehen, niemahls den Vorſatz und Abſicht gehabt haben, eine Zeitrechnung von dem Umfange der Welt, oder ihrer jetzigen Bewohnung zu entwerfen. Die Zeitrechnung, die man aus dieſen Schriften gezogen hat, iſt bloß ein Werk der Ausleger, wider welche ſehr viele gegruͤndete Zweifel und Einwuͤrfe gemacht werden koͤnnen. Das einzige, worauf dieſe Zeitrechnung ſich mit ſcheinba- ren Grunde ſteifen kann, ſind die verſchiedenen Ge- ſchlechtsregiſter von Chriſto bis auf Adam. Allein, zu geſchweigen, daß ſo gar dieſe nicht vollkommen mit einander uͤbereinſtimmen; ſo weis man auch, was man vernuͤnftiger Weiſe dergleichen Geſchlechtsregiſtern, die erſt einige tauſend Jahr hernach verfertiget worden, vor Zuverlaͤßigkeit beylegen kann, zumahl, wenn ein Volk ohne gruͤndliche Wiſſenſchaften bloß die Eitelkeit hat, ſich einen ehrwuͤrdigen Uhrſprung beyzulegen. Eben dieſe Eitelkeit erzeugte bey denen Griechen die Begier- de, daß ſich ein jedes anſehnliches griechiſches Ge- ſchlecht von den Goͤttern ableitete. Und dieſe Begierde
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0219"n="191"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der Pole und Himmelsgegenden.</hi></fw><lb/>
tung der roͤmiſchen Monarchie unter <hirendition="#fr">Auguſto</hi> erſt fuͤnf-<lb/>
hundert Jahr verfloſſen? Gewiß, alle vernuͤnftige<lb/>
Menſchen wuͤrden uͤber ein ſolches Vorgeben mitleidig<lb/>
laͤcheln, und daſſelbe nicht einmahl einer Widerlegung<lb/>
vor wuͤrdig halten.</p><lb/><p>Jch will gar nicht behaupten, daß die Zeitrech-<lb/>
nung der Juden eben dergleichen Begegnung verdiene;<lb/>
und vielleicht werde ich mich unten in etwas mehreres<lb/>
einlaſſen, und dasjenige beybringen, was man ihrer<lb/>
Zeitrechnung entgegenſetzen kann. So viel kann ich<lb/>
hier nicht unbemerkt laſſen, daß diejenigen Schrift-<lb/>ſteller, aus welchen ihre canoniſchen Buͤcher beſtehen,<lb/>
niemahls den Vorſatz und Abſicht gehabt haben, eine<lb/>
Zeitrechnung von dem Umfange der Welt, oder ihrer<lb/>
jetzigen Bewohnung zu entwerfen. Die Zeitrechnung,<lb/>
die man aus dieſen Schriften gezogen hat, iſt bloß ein<lb/>
Werk der Ausleger, wider welche ſehr viele gegruͤndete<lb/>
Zweifel und Einwuͤrfe gemacht werden koͤnnen. Das<lb/>
einzige, worauf dieſe Zeitrechnung ſich mit ſcheinba-<lb/>
ren Grunde ſteifen kann, ſind die verſchiedenen Ge-<lb/>ſchlechtsregiſter von Chriſto bis auf Adam. Allein,<lb/>
zu geſchweigen, daß ſo gar dieſe nicht vollkommen mit<lb/>
einander uͤbereinſtimmen; ſo weis man auch, was man<lb/>
vernuͤnftiger Weiſe dergleichen Geſchlechtsregiſtern, die<lb/>
erſt einige tauſend Jahr hernach verfertiget worden, vor<lb/>
Zuverlaͤßigkeit beylegen kann, zumahl, wenn ein Volk<lb/>
ohne gruͤndliche Wiſſenſchaften bloß die Eitelkeit hat,<lb/>ſich einen ehrwuͤrdigen Uhrſprung beyzulegen. Eben<lb/>
dieſe Eitelkeit erzeugte bey denen Griechen die Begier-<lb/>
de, daß ſich ein jedes anſehnliches griechiſches Ge-<lb/>ſchlecht von den Goͤttern ableitete. Und dieſe Begierde<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[191/0219]
der Pole und Himmelsgegenden.
tung der roͤmiſchen Monarchie unter Auguſto erſt fuͤnf-
hundert Jahr verfloſſen? Gewiß, alle vernuͤnftige
Menſchen wuͤrden uͤber ein ſolches Vorgeben mitleidig
laͤcheln, und daſſelbe nicht einmahl einer Widerlegung
vor wuͤrdig halten.
Jch will gar nicht behaupten, daß die Zeitrech-
nung der Juden eben dergleichen Begegnung verdiene;
und vielleicht werde ich mich unten in etwas mehreres
einlaſſen, und dasjenige beybringen, was man ihrer
Zeitrechnung entgegenſetzen kann. So viel kann ich
hier nicht unbemerkt laſſen, daß diejenigen Schrift-
ſteller, aus welchen ihre canoniſchen Buͤcher beſtehen,
niemahls den Vorſatz und Abſicht gehabt haben, eine
Zeitrechnung von dem Umfange der Welt, oder ihrer
jetzigen Bewohnung zu entwerfen. Die Zeitrechnung,
die man aus dieſen Schriften gezogen hat, iſt bloß ein
Werk der Ausleger, wider welche ſehr viele gegruͤndete
Zweifel und Einwuͤrfe gemacht werden koͤnnen. Das
einzige, worauf dieſe Zeitrechnung ſich mit ſcheinba-
ren Grunde ſteifen kann, ſind die verſchiedenen Ge-
ſchlechtsregiſter von Chriſto bis auf Adam. Allein,
zu geſchweigen, daß ſo gar dieſe nicht vollkommen mit
einander uͤbereinſtimmen; ſo weis man auch, was man
vernuͤnftiger Weiſe dergleichen Geſchlechtsregiſtern, die
erſt einige tauſend Jahr hernach verfertiget worden, vor
Zuverlaͤßigkeit beylegen kann, zumahl, wenn ein Volk
ohne gruͤndliche Wiſſenſchaften bloß die Eitelkeit hat,
ſich einen ehrwuͤrdigen Uhrſprung beyzulegen. Eben
dieſe Eitelkeit erzeugte bey denen Griechen die Begier-
de, daß ſich ein jedes anſehnliches griechiſches Ge-
ſchlecht von den Goͤttern ableitete. Und dieſe Begierde
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/219>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.