nutzbar ist; und es werden gewiß sehr große und wich- tige Uhrsachen erfordert, wenn die Einwohner einer verwüsteten Stadt ihre alte Stelle gänzlich verlassen, und ihre Stadt wieder an einem ganz andern und neuen Orth aufbauen sollten. Eine solche Begeben- heit wird in der Geschichte fast niemahls unbemerkt gelassen. Ueberdies müßten sich die Rudera von der alten ehemahligen Stadt, oder wenigstens die Spuh- ren oder Merkzeichen davon noch in der Nähe fin- den lassen.
Noch heutiges Tages ist diese Abnahme und Ver- minderung des Meeres bey Jtalien, insonderheit in und um Venedig herum, sehr merklich und ganz aus- ser allem Zweifel, so große Mühe und Kosten auch die Regierung von Venedig anwendet, und zu dem Ende viele Maschinen hat erbauen lassen, sowohl die Canäle in der Stadt, als das Meer um sich herum zu reinigen, und zum Gebrauch ihrer Gondeln und Schiffe in genugsamer Tiefe zu erhalten; so wollen doch alle solche sehr vervielfältigten Maschinen ihre Wirkung und Nutzen versagen, und die Stadt hat schon verschiedene ehemahlige Bequehmlichkeiten zur Schiff- fahrt verlohren. Wenn wir dem Herrn Blainville in seiner Reisebeschreibung durch die Niederlande, die Schweiz und Jtalien Glauben beymessen dürfen, der sonst ein glaubwürdiger und aufrichtiger Schriftsteller ist, und wenn wir andern neuern Reisebeschreibern Glauben beymessen können; so stehet Venedig wirklich in Gefahr, seine gerühmte Unüberwindlichkeit durch das Meer zu verliehren. Und man kann den Zeit- punct, der sich auf keine hundert Jahre mehr erstre-
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zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
nutzbar iſt; und es werden gewiß ſehr große und wich- tige Uhrſachen erfordert, wenn die Einwohner einer verwuͤſteten Stadt ihre alte Stelle gaͤnzlich verlaſſen, und ihre Stadt wieder an einem ganz andern und neuen Orth aufbauen ſollten. Eine ſolche Begeben- heit wird in der Geſchichte faſt niemahls unbemerkt gelaſſen. Ueberdies muͤßten ſich die Rudera von der alten ehemahligen Stadt, oder wenigſtens die Spuh- ren oder Merkzeichen davon noch in der Naͤhe fin- den laſſen.
Noch heutiges Tages iſt dieſe Abnahme und Ver- minderung des Meeres bey Jtalien, inſonderheit in und um Venedig herum, ſehr merklich und ganz auſ- ſer allem Zweifel, ſo große Muͤhe und Koſten auch die Regierung von Venedig anwendet, und zu dem Ende viele Maſchinen hat erbauen laſſen, ſowohl die Canaͤle in der Stadt, als das Meer um ſich herum zu reinigen, und zum Gebrauch ihrer Gondeln und Schiffe in genugſamer Tiefe zu erhalten; ſo wollen doch alle ſolche ſehr vervielfaͤltigten Maſchinen ihre Wirkung und Nutzen verſagen, und die Stadt hat ſchon verſchiedene ehemahlige Bequehmlichkeiten zur Schiff- fahrt verlohren. Wenn wir dem Herrn Blainville in ſeiner Reiſebeſchreibung durch die Niederlande, die Schweiz und Jtalien Glauben beymeſſen duͤrfen, der ſonſt ein glaubwuͤrdiger und aufrichtiger Schriftſteller iſt, und wenn wir andern neuern Reiſebeſchreibern Glauben beymeſſen koͤnnen; ſo ſtehet Venedig wirklich in Gefahr, ſeine geruͤhmte Unuͤberwindlichkeit durch das Meer zu verliehren. Und man kann den Zeit- punct, der ſich auf keine hundert Jahre mehr erſtre-
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zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
nutzbar iſt; und es werden gewiß ſehr große und wich-
tige Uhrſachen erfordert, wenn die Einwohner einer
verwuͤſteten Stadt ihre alte Stelle gaͤnzlich verlaſſen,
und ihre Stadt wieder an einem ganz andern und
neuen Orth aufbauen ſollten. Eine ſolche Begeben-
heit wird in der Geſchichte faſt niemahls unbemerkt
gelaſſen. Ueberdies muͤßten ſich die Rudera von der
alten ehemahligen Stadt, oder wenigſtens die Spuh-
ren oder Merkzeichen davon noch in der Naͤhe fin-
den laſſen.
Noch heutiges Tages iſt dieſe Abnahme und Ver-
minderung des Meeres bey Jtalien, inſonderheit in
und um Venedig herum, ſehr merklich und ganz auſ-
ſer allem Zweifel, ſo große Muͤhe und Koſten auch
die Regierung von Venedig anwendet, und zu dem
Ende viele Maſchinen hat erbauen laſſen, ſowohl die
Canaͤle in der Stadt, als das Meer um ſich herum
zu reinigen, und zum Gebrauch ihrer Gondeln und
Schiffe in genugſamer Tiefe zu erhalten; ſo wollen
doch alle ſolche ſehr vervielfaͤltigten Maſchinen ihre
Wirkung und Nutzen verſagen, und die Stadt hat ſchon
verſchiedene ehemahlige Bequehmlichkeiten zur Schiff-
fahrt verlohren. Wenn wir dem Herrn Blainville
in ſeiner Reiſebeſchreibung durch die Niederlande, die
Schweiz und Jtalien Glauben beymeſſen duͤrfen, der
ſonſt ein glaubwuͤrdiger und aufrichtiger Schriftſteller
iſt, und wenn wir andern neuern Reiſebeſchreibern
Glauben beymeſſen koͤnnen; ſo ſtehet Venedig wirklich
in Gefahr, ſeine geruͤhmte Unuͤberwindlichkeit durch
das Meer zu verliehren. Und man kann den Zeit-
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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/243>, abgerufen am 16.02.2025.
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