Dem sey aber wie ihm wolle, so wollen wir die Begebenheit der Sündfluth gründlich betrachten, um daraus zu erkennen, ob sie wirklich vermögend gewe- sen sey, alle die Veränderungen und Umformungen zu wirken, davon wir die Spuhren und Kennzeichen auf und in dem Erdcörper wahrnehmen. Zu dem Ende müssen wir zuförderst untersuchen, ob die Sünd- fluth wirklich so groß und allgemein auf dem Erdcör- per gewesen, daß ihre Fluthen funfzehn Ellen hoch über den höchsten Berg gegangen sind, und daß ihre Wasser unsern ganzen Weltcörper so hoch bedecket ha- ben, wie es auf den ersten Anblick aus denen Nachrich- ten der Bibel hervorscheinen will.
Seitdem die Gelehrten in denen Naturbegeben- heiten richtig zu denken, zu urtheilen, und sogar alles zu berechnen gelernet haben, hat man gar sehr an der Allgemeinheit der Sündfluth, und daß dieselbe so hoch den ganzen Erdcörper bedecket habe, gezweifelt. Ei- nige ansehnliche französische Schriftsteller haben sich die Mühe genommen, dieserhalb die genaueste Berechnung anzustellen. Sie haben angenommen, daß vierzig Tage lang unaufhörlich der stärkste Platzregen gefallen ist, und darnach haben sie berechnet, wie hoch das Wasser diese vierzig Tage über auf dem Erdboden hat ansteigen können. Hierbey haben sie die Versuche und Erfahrungen zum Grunde geleget, welche die franzö- sische Academie der Wissenschaften zu Paris dar- über angestellet hat, wie viel Zoll Wasser der stärk- ste Platzregen in einer Stunde unter freyem Himmel geben kann.
Da
einiger Einwuͤrfe.
Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo wollen wir die Begebenheit der Suͤndfluth gruͤndlich betrachten, um daraus zu erkennen, ob ſie wirklich vermoͤgend gewe- ſen ſey, alle die Veraͤnderungen und Umformungen zu wirken, davon wir die Spuhren und Kennzeichen auf und in dem Erdcoͤrper wahrnehmen. Zu dem Ende muͤſſen wir zufoͤrderſt unterſuchen, ob die Suͤnd- fluth wirklich ſo groß und allgemein auf dem Erdcoͤr- per geweſen, daß ihre Fluthen funfzehn Ellen hoch uͤber den hoͤchſten Berg gegangen ſind, und daß ihre Waſſer unſern ganzen Weltcoͤrper ſo hoch bedecket ha- ben, wie es auf den erſten Anblick aus denen Nachrich- ten der Bibel hervorſcheinen will.
Seitdem die Gelehrten in denen Naturbegeben- heiten richtig zu denken, zu urtheilen, und ſogar alles zu berechnen gelernet haben, hat man gar ſehr an der Allgemeinheit der Suͤndfluth, und daß dieſelbe ſo hoch den ganzen Erdcoͤrper bedecket habe, gezweifelt. Ei- nige anſehnliche franzoͤſiſche Schriftſteller haben ſich die Muͤhe genommen, dieſerhalb die genaueſte Berechnung anzuſtellen. Sie haben angenommen, daß vierzig Tage lang unaufhoͤrlich der ſtaͤrkſte Platzregen gefallen iſt, und darnach haben ſie berechnet, wie hoch das Waſſer dieſe vierzig Tage uͤber auf dem Erdboden hat anſteigen koͤnnen. Hierbey haben ſie die Verſuche und Erfahrungen zum Grunde geleget, welche die franzoͤ- ſiſche Academie der Wiſſenſchaften zu Paris dar- uͤber angeſtellet hat, wie viel Zoll Waſſer der ſtaͤrk- ſte Platzregen in einer Stunde unter freyem Himmel geben kann.
Da
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0311"n="283"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">einiger Einwuͤrfe.</hi></fw><lb/><p>Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo wollen wir die<lb/>
Begebenheit der Suͤndfluth gruͤndlich betrachten, um<lb/>
daraus zu erkennen, ob ſie wirklich vermoͤgend gewe-<lb/>ſen ſey, alle die Veraͤnderungen und Umformungen<lb/>
zu wirken, davon wir die Spuhren und Kennzeichen<lb/>
auf und in dem Erdcoͤrper wahrnehmen. Zu dem<lb/>
Ende muͤſſen wir zufoͤrderſt unterſuchen, ob die Suͤnd-<lb/>
fluth wirklich ſo groß und allgemein auf dem Erdcoͤr-<lb/>
per geweſen, daß ihre Fluthen funfzehn Ellen hoch<lb/>
uͤber den hoͤchſten Berg gegangen ſind, und daß ihre<lb/>
Waſſer unſern ganzen Weltcoͤrper ſo hoch bedecket ha-<lb/>
ben, wie es auf den erſten Anblick aus denen Nachrich-<lb/>
ten der Bibel hervorſcheinen will.</p><lb/><p>Seitdem die Gelehrten in denen Naturbegeben-<lb/>
heiten richtig zu denken, zu urtheilen, und ſogar alles<lb/>
zu berechnen gelernet haben, hat man gar ſehr an der<lb/>
Allgemeinheit der Suͤndfluth, und daß dieſelbe ſo hoch<lb/>
den ganzen Erdcoͤrper bedecket habe, gezweifelt. Ei-<lb/>
nige anſehnliche franzoͤſiſche Schriftſteller haben ſich die<lb/>
Muͤhe genommen, dieſerhalb die genaueſte Berechnung<lb/>
anzuſtellen. Sie haben angenommen, daß vierzig<lb/>
Tage lang unaufhoͤrlich der ſtaͤrkſte Platzregen gefallen<lb/>
iſt, und darnach haben ſie berechnet, wie hoch das<lb/>
Waſſer dieſe vierzig Tage uͤber auf dem Erdboden hat<lb/>
anſteigen koͤnnen. Hierbey haben ſie die Verſuche und<lb/>
Erfahrungen zum Grunde geleget, welche die franzoͤ-<lb/>ſiſche Academie der Wiſſenſchaften zu Paris dar-<lb/>
uͤber angeſtellet hat, wie viel Zoll Waſſer der ſtaͤrk-<lb/>ſte Platzregen in einer Stunde unter freyem Himmel<lb/>
geben kann.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Da</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[283/0311]
einiger Einwuͤrfe.
Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo wollen wir die
Begebenheit der Suͤndfluth gruͤndlich betrachten, um
daraus zu erkennen, ob ſie wirklich vermoͤgend gewe-
ſen ſey, alle die Veraͤnderungen und Umformungen
zu wirken, davon wir die Spuhren und Kennzeichen
auf und in dem Erdcoͤrper wahrnehmen. Zu dem
Ende muͤſſen wir zufoͤrderſt unterſuchen, ob die Suͤnd-
fluth wirklich ſo groß und allgemein auf dem Erdcoͤr-
per geweſen, daß ihre Fluthen funfzehn Ellen hoch
uͤber den hoͤchſten Berg gegangen ſind, und daß ihre
Waſſer unſern ganzen Weltcoͤrper ſo hoch bedecket ha-
ben, wie es auf den erſten Anblick aus denen Nachrich-
ten der Bibel hervorſcheinen will.
Seitdem die Gelehrten in denen Naturbegeben-
heiten richtig zu denken, zu urtheilen, und ſogar alles
zu berechnen gelernet haben, hat man gar ſehr an der
Allgemeinheit der Suͤndfluth, und daß dieſelbe ſo hoch
den ganzen Erdcoͤrper bedecket habe, gezweifelt. Ei-
nige anſehnliche franzoͤſiſche Schriftſteller haben ſich die
Muͤhe genommen, dieſerhalb die genaueſte Berechnung
anzuſtellen. Sie haben angenommen, daß vierzig
Tage lang unaufhoͤrlich der ſtaͤrkſte Platzregen gefallen
iſt, und darnach haben ſie berechnet, wie hoch das
Waſſer dieſe vierzig Tage uͤber auf dem Erdboden hat
anſteigen koͤnnen. Hierbey haben ſie die Verſuche und
Erfahrungen zum Grunde geleget, welche die franzoͤ-
ſiſche Academie der Wiſſenſchaften zu Paris dar-
uͤber angeſtellet hat, wie viel Zoll Waſſer der ſtaͤrk-
ſte Platzregen in einer Stunde unter freyem Himmel
geben kann.
Da
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/311>, abgerufen am 30.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.